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„Es wäre falsch, die Hochschule infrage zu stellen“

Thomas Boltz ist der neue Rektor der Polizeihochschule in Rothenburg. Er will das ramponierte Image wieder aufbessern.

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Thomas Boltz ist seit Mitte November Rektor an der Hochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg. Er hat die Leitung in einer für die Einrichtung schwierigen Zeit übernommen.
Thomas Boltz ist seit Mitte November Rektor an der Hochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg. Er hat die Leitung in einer für die Einrichtung schwierigen Zeit übernommen. © André Schulze

Seit 15. November vergangenen Jahres führt Thomas Boltz die Hochschule der sächsischen Polizei, vorerst kommissarisch. Im Interview mit der SZ gibt er jetzt erstmals öffentlich Auskunft über die aktuelle Verfassung der Bildungseinrichtung und seine Pläne für die Zukunft.

Als leitender Polizeibeamter muss man ja immer damit rechnen, je nach Bedarf versetzt zu werden. Waren Sie überrascht, als das Innenministerium Sie nach Rothenburg schickte?

Wie Sie schon sagen: Man muss damit rechnen. Insofern war ich weniger überrascht, sondern vielmehr ein Stück weit geehrt, dass man mir es zutraut, die „Karre aus dem Dreck zu ziehen“, wie man das umgangssprachlich wohl sagen würde. Natürlich habe ich Informationen eingeholt und überlegt, was da auf mich zukommt. Aber eigentlich ist Rothenburg nicht direkt Neuland für mich. Ich hatte mich vor vier Jahren schon einmal auf die Stelle des Prorektors beworben, was sich dann aber zerschlug. Deshalb habe ich mich damals schon einmal intensiver mit der Hochschule befasst.

Wie haben Sie den Prüfungsskandal vom Herbst 2018 wahrgenommen?

Wir sind hier an der Nahtstelle von Bildung, Polizeiarbeit und Forschung. Die Freiheit der Lehre steht dem Hierarchiesystem der Polizei gegenüber. Das sind zwei Seiten, die sich ein Stück weit beißen. Im Übrigen bin ich Jurist und weiß, dass es Gremien gibt, die das aufklären sollen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Außerdem gibt es die Sachverständigenkommission, die das Prüfungswesen der sächsischen Polizei untersucht. Ich werde das alles natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen.

Angeblich soll auch in den Jahren 2012 bis 2014 schon geschoben worden sein. Wie aus einem Schreiben ehemaliger Kommilitonen an die SZ hervorgeht, soll ein Regierungsamtmann Verhältnisse mit Studentinnen gehabt und ihnen als Gegenleistung Prüfungsaufgaben bekannt gegeben haben. Mit welchen Vorstellungen sind Sie angetreten, um das Prüfungswesen an der Hochschule zu reformieren?

Die von Ihnen geschilderten Vorwürfe sind mir neu. Wir werden das aber aufnehmen und diesen Dingen nachgehen. Meiner Meinung nach müssen die Prüfungsverfahren in Zukunft so gestaltet sein, dass einzelne Personen als Unsicherheitsfaktoren in der Kette von Aufgabenstellung bis Lösung keine Rolle mehr spielen. Kurzfristig haben wir das Aufsichtspersonal bei Prüfungen aufgestockt. Außerdem schauen wir uns an anderen Hochschulen um, was dort gut läuft und was wir möglicherweise übernehmen können. Fest steht allerdings auch: Studenten, die zu uns kommen, sollten als künftige Polizeibeamte des gehobenen Dienstes ein besonderes Verhältnis zu Recht und Gesetz haben. Polizist zu sein, ist kein ganz normaler Beruf. Deshalb plädiere ich dafür, schon bei der Auswahl der Studenten genauer darauf zu schauen, wie es um die Einstellung zum Beruf bestellt ist. Glücklicherweise gibt es bis jetzt ausreichend Bewerber, sodass wir da in keine Zwangssituation geraten.

Könnte es sein, dass die ja offenbar schon über Jahre andauernden Ungereimtheiten im Prüfungswesen der Rothenburger Hochschule gerade im Herbst 2018 an die Öffentlichkeit gelangt sind, um den Standort in die Bredouille zu bringen?

Das ist eine gewagte Vermutung. Sicherlich war der Standort in der Vergangenheit immer wieder im Gespräch. Aber ihn jetzt infrage zu stellen, wäre der falsche Weg. Ich kann da auch keinen Zusammenhang erkennen.

Dass die Hochschule in den vergangenen Monaten einen Imageverlust erlitten hat, ist aber wohl unstrittig. Wie wollen Sie diesen wieder wettmachen?

Momentan sehe ich meine vordringlichste Aufgabe darin, das Ansehen der Hochschule zurechtzurücken. Klar muss doch sein, dass alle nicht von dem Skandal betroffenen Studenten hier bestmöglich ihren Abschluss machen können. Fest steht auch: Wir leisten in der Ausbildung hervorragende Arbeit. Mir geht es darum, dies der Öffentlichkeit auch so zu vermitteln. Denn Vertrauen entsteht durch Offenheit. Wir wollen den Menschen zeigen, was hier geschieht. Und auch darstellen, dass unsere Einrichtung für die Sicherheitsforschung in Sachsen eine wichtige Rolle spielt. Die nächste Chance, Einblick zu nehmen, gibt es schon beim Hochschultag an diesem Donnerstag.

Apropos Forschung. Ihr Vorgänger Harald Kogel sah die Forschung an der Rothenburger Hochschule als etwas unterbelichtet an, wollte sie intensivieren. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?

Hier muss man zuerst feststellen: Wir sind keine freie Universität, sondern eine verwaltungsinterne Hochschule. Das ergibt natürlich auch für die Forschung ein paar Grenzpunkte. Ich bin aber der Überzeugung, dass in der Vergangenheit in dieser Hinsicht bereits einiges geleistet wurde. Natürlich besteht Bedarf und wir können sicherlich noch aktiver werden. Es gibt immer wieder sicherheitsrelevante Themen in Sachsen, die sich dafür anbieten. Unsere Aufgabe wird es sein, diese Themen bei den Dienststellen abzuholen, gleichzeitig aber auch die Sensibilität der Kollegen dafür zu schärfen, dass wir der richtige Partner in diesen Forschungsfragen sind. Allerdings muss ich auch sagen: Angesichts der Dinge, die wir in puncto Prüfungen und Image angesprochen haben, ist dies momentan nicht der Schwerpunkt meiner Arbeit.

In der Vergangenheit war es nicht immer leicht, Dozenten für das Lehren in Rothenburg zu begeistern – sei es wegen der Randlage oder der Bedingungen vor Ort. Wie wollen Sie in Zukunft die Attraktivität der Polizeihochschule erhöhen? Und wie ist der aktuelle Stand in Sachen Lehrkräfte?

Ob die Bewerbersituation besser wäre, wenn die Hochschule an einem zentraleren Standort liegen würde, ist rein spekulativ. Fakt ist, dass ich mit unseren Dozenten im Gespräch bin, weil ich erfahren möchte, was sie möglicherweise stört an den Bedingungen vor Ort. Natürlich sind die Arbeitsbedingungen durch die Erweiterung des Standortes und die notwendigen Baumaßnahmen derzeit suboptimal. Aber das geht vorüber. Im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, einige Stellen neu zu besetzen. Jetzt haben wir wieder einige ausgeschrieben. Der Ruhestand von Kollegen gibt uns auch die Chance, das Kollegium zu verjüngen. Die Ausbildung der Studenten ist jedoch nicht gefährdet.

Noch ein paar Worte zur baulichen Situation. Wie ist da der aktuelle Stand?

Am 7. Januar ist die aus Containermodulen bestehende Interimsmensa in Betrieb gegangen. Somit kann die eigentliche Mensa erweitert und modernisiert werden. Auch in dem übergangsweise aus Containern errichteten Lehrkomplex konnten wir bereits den ersten Bauabschnitt in Betrieb nehmen. Dort befinden sich jetzt Unterrichtsräume. Im zweiten Bauabschnitt läuft jetzt der Innenausbau, die Container für den dritten Abschnitt werden in Kürze angeliefert. Beide sollen ab dem Frühjahr nutzbar sein. Für unsere Studenten, die jetzt größtenteils außerhalb des Campus untergebracht sind, bedeutet das einen vermehrten Fahraufwand.

Hochschulinformationstag am 10. Januar, 10 bis 15 Uhr

Das ist Thomas Boltz:

Studiert hat der 57-Jährige im Saarland Jura.

Beruflich führte ihn sein Werdegang 1993 in den öffentlichen Dienst nach Sachsen, wo er im damaligen Regierungspräsidium Dresden im Umweltrecht, in der Arbeitsmarktförderung und der EU-Förderung tätig war.

Weitere Stationen waren im Wirtschafts- und im Innenministerium des Freistaates. Dort hatte er im Referat Aus- und Fortbildung der Polizei bereits mit der Rothenburger Hochschule zu tun. 2015 wechselte er als Vizechef an das Polizeiverwaltungsamt Dresden. Seit 15. November ist er kommissarischer Rektor der sächsischen Polizeihochschule.