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Es wird ernst

Vor einem Jahr hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Jetzt soll es in Marrakesch konkret werden.

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© Marian Kamensky/tooonpool

Von Hanna Gersmann

Die Klimadiplomaten der Welt treffen sich seit Montag in Marrakesch. Sie feiern. Einerseits. Denn es ist knapp ein Jahr her, als plötzlich das Wunder von Paris da war. Damals, im Dezember, fiel in Frankreichs Hauptstadt ein kleiner Hammer: Die internationale Staatengemeinschaft verabschiedete das Weltklimaabkommen. In Rekordgeschwindigkeit unterzeichneten bereits 92 Staaten das historische Dokument. Seit Freitag ist es nun in Kraft. Und andererseits. Was ist neben dem Jubel zu erwarten? Dieses Jahr müssten die Regierungschefs „ihre Schaufeln in die Hand nehmen und mit der Arbeit anfangen“, sagt Andrew Steer, Chef der US-Umweltdenkfabrik World Resources Institute.

Darum geht es in Marrakesch

Mit dem Klimaabkommen haben Regierungen aus der ganzen Welt ein Versprechen abgegeben. Es heißt. die vom Menschen verursachte Erderwärmung soll deutlich unter zwei Grad bleiben. Als Vergleich gilt das Niveau des 19. Jahrhunderts. Dafür müssen die Staaten nun sorgen, Pläne vorlegen und Maßnahmenpakete schnüren. Die internationalen Klimadiplomaten werden zwei Wochen lang beraten, wie sie ihre Versprechen umsetzen – und Fortschritte belegen. Klimapolitik ist auch eine große Rechenübung im Kohlendioxid-Sparen. Damit niemand mogelt oder sich verkalkuliert, soll an einem „Regelbuch“ gearbeitet werden. Bis 2018 soll es fertig sein.

Diese Rolle spielt das Geld

Die Industrieländer müssen zudem ihre Zusage konkretisieren, ab 2020 jährlich hundert Milliarden Dollar für den Klimaschutz und die Bewältigung der Klimafolgen in armen Ländern bereitzustellen. Auch sie ist im Pariser Vertrag festgeschrieben. Das Geld soll zu zwei Dritteln aus öffentlicher und einem Drittel privater Hand kommen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte vor Kurzem –  sie berief sich auf eine Analyse der OECD – die Summe sei in „Reichweite“. Und fügte hinzu: „Aber wir dürfen nicht nachlassen.“ Deutschland will seinen Anteil verdoppeln, 2014 lag er bei zwei Milliarden Euro, 2020 sollen es vier Milliarden Euro sein.

Das steht auf dem Spiel

Erik Solheim, Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, sagt: „Wenn wir jetzt keine zusätzlichen Aktionen starten, beginnend mit dem bevorstehenden Klimagipfel in Marrakesch, werden wir eine vermeidbare menschliche Tragödie zu beklagen haben.“ Gletscher tauen, der Meeresspiegel steigt. Überschwemmungen werden häufiger. Dürren auch. Da sind sich Wissenschaftler einig. Die Zahl der Flüchtlinge nehme dann zu, Menschen müssten sich wegen Hunger, Armut, Krankheit und Konflikten eine neue Heimat suchen, meint Solheim.

Dies sind die Vorreiter

Christoph Bals von Germanwatch beobachtet die Klimaschutzbemühungen der Welt seit vielen Jahren: „Über die letzten 25 Jahre hinweg haben die Dänen, Schweden und Briten den Ausstoß von Treibhausgasen am stärksten vermindert.“ Zurzeit mache aber China besonders von sich reden. Es drossele den Kohleverbrauch, investiere in Windkraft und treibe die Modernisierung des Verkehrs voran. China hatte auch mit den USA als erster der großen Klimasünder das Paris-Abkommen unterzeichnet.

Das bringen alle Pläne

Mittlerweile haben 163 Staaten Pläne aufgestellt, wie sie das Klima im kommenden Jahrzehnt schützen wollen – vor wenigen Tagen selbst Nordkorea. Das Problem: Es reicht nicht. Die UNEP rechnete am Donnerstag im „Emissions Gap Report 2016“ vor, dass trotz der geplanten Maßnahmen immer noch ein Temperaturplus von 2,9 bis 3,4 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu erwarten ist. Nach und nach werden alle ihre Ambitionen steigern müssen.

Deutschland tut sich schwer

Der Klimaschutzplan 2050, der zeigen soll, wie die Bundesrepublik klimaneutral wird, entzweit die Regierung. Der Umbau betrifft alle, Autofahrer, Hausbesitzer, Bauern, Unternehmer. Ziele, die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks wollte, strichen der Wirtschafts-, der Verkehrs-, der Agrarminister wieder raus. Deutschland steigt „deutlich vor 2050“ aus der Kohle aus zum Beispiel – gelöscht. Die für vergangenen Mittwoch eigentlich geplante Entscheidung des Kabinetts musste verschoben werden. Reist die Umweltministerin allerdings ohne Klimaziele nach Marrakesch – es wäre eine Blamage.