Dresden
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Eskalation vorm Kunstprojekt

Ein Rentnerpaar hat sich auf dem Dresdner Neumarkt mit Demonstranten und Polizisten angelegt. Jetzt endete ihr Prozess. Kleinlaut.

Von Alexander Schneider
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Polizisten stehen 2017 während der Präsentation des "permanenten Neuanfangs“ auf dem Neumarkt.
Polizisten stehen 2017 während der Präsentation des "permanenten Neuanfangs“ auf dem Neumarkt. © Archiv(Ronald Bonß

„Denkmal für den permanenten Neuanfang“ ist der Name einer lange geplanten Kunst-Installation auf dem Dresdner Neumarkt. Am 25. April 2017 wurde das Werk öffentlich präsentiert. Jener Tag muss auch so etwas wie ein Neuanfang für ein Rentnerpaar aus Moritzburg gewesen sein. Bis dahin waren die beiden allenfalls als besorgte Bürger aufgefallen, die schon mal Veranstaltungen renitenter Holocaustleugner besuchen.

An jenem Nachmittag aber schlugen sie eine neue Seite ihrer Karriere ein – eine kriminelle, oder zumindest strafrechtlich relevante. Das „schlugen“ ist in diesem Zusammenhang wörtlich zu verstehen. Am Dienstag standen der frühere Ingenieur und die Ex-Finanzökonomin vor dem Amtsgericht Dresden – wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und sogar wegen Gefangenenbefreiung.

Mit Trillerpfeifen und „Hau ab!“-Rufen begrüßten viele Menschen, man nannte sie später „organisierte Schreihälse“, Künstler und „Etablierte“ zur Eröffnung des „Permanenten Neuanfangs“, ein skurriles Gebilde mit Dresdner Reminiszenzen auf Basis einer Hebebühne. 

Auch das Ehepaar O. war mit von der Partie, bei den Schreihälsen. Gegen 17 Uhr soll die 64-Jährige einen Besucher mit der Faust gegen die Schulter geschlagen haben – vor den Augen der Polizei. Als nun ein Beamter die Frau um ihre Personalien bat, soll sie laut Anklage „Da mach ich nicht mit!“, „Gehen Sie weiter!“ und „Lassen Sie mich in Ruhe!“, gerufen haben.

Sie sei auch weitergegangen, als der Beamte versuchte, sie festzuhalten. Als die Beamten die renitente Frau zum Polizeiwagen gebracht hatten, um dort die nun notwendig gewordenen Daten abzufragen, sei auch der Ehemann hinzugekommen. Er habe versucht, seine Frau aus dem Griff der Polizei zu befreien, habe sie weggezogen, den Beamten gestoßen und zu ihr „Du musst dir das nicht gefallen lassen!“ gesagt.

Muss sie nicht? Muss sie doch! Und er auch. Das jedenfalls sagte die Richterin nach einem Rechtsgespräch, in dem die Verteidiger, man könnte sie als „szenetypisch“ bezeichnen, hinter verschlossenen Türen erfolgreich verhandelt hatten: Da beide Angeklagte bislang ohne Strafverfahren gelebt haben, und die Sache am Neumarkt sicher aufgeheizt gewesen sei und sich einiges aufgeschaukelt habe, könnte das Gericht einer Einstellung zustimmen – allerdings nur gegen eine „empfindliche“ Geldauflage. Es ginge nicht an, die Polizei zu ignorieren. Es sei Pflicht der Beamten gewesen, die Personalien festzustellen. Die Frau muss für ihren „Neuanfang“ nun 600, ihr Gatte 500 Euro zahlen.

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