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Exot im Elbtal

Bei einer Erhebung entdecken Riesaer Vogelfreunde eine neue Art. Nicht die einzige Überraschung.

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© Archivbild/dpa

Von Stefan Lehmann

Riesa. Mit seinem grün, gelb und rotbraun schillernden Gefieder sieht er aus, als stamme er aus dem südamerikanischen Dschungel. Und doch hat sich der Bienenfresser in den vergangenen Jahren auch im Altkreis Riesa eingefunden, sagt Peter Kneis. Als vereinzelter Gast sei der Vogel schon häufiger in der Region beobachtet worden, sagt der Vogelkundler. „Wir haben bemerkt, dass die Tiere mittlerweile auch bei Diesbar-Seußlitz brüten.“

Der Bienenfresser ist eine der ersten kleinen Überraschungen, auf die Peter Kneis und seine Mitstreiter von Pro Natura Elbe-Röder gestoßen sind. Seit dem Frühjahr durchstreifen sie den Altkreis. Das Ziel: in diesem und im nächsten Jahr die Bestände aller Brutvögel in der Region zu erfassen. Schon 1992 und 1993 waren Kneis und seine Kollegen im Altkreis unterwegs. Damals fassten sie das Ergebnis ihrer Arbeit in einem Buch zusammen. „Die Brutvögel der nordsächsischen Elbtalregion um Riesa“ heißt es. Auf gut 170 Seiten zeigen Karten des Altkreises an, wo welcher Vogel gefunden wurde – und wie häufig er dort ist. In 402 jeweils einen Quadratkilometer große Gitterfelder haben die Ornithologen den Altkreis dafür zerlegt. „Bei 21 Kartierern macht das dann etwa 20 Quadrate für jeden“, erklärt Peter Kneis. Jeder Kartierer schaue dann in jeden Winkel seiner zugeteilten Flächen. Das sei noch einmal ein ganz anderer Aufwand als zum Beispiel bei den jährlichen Wasservogelzählungen, bei denen die Vogelfreunde die Rastplätze der Tiere kontrollieren.

Es sei an der Zeit gewesen, diese Erhebung noch einmal zu wiederholen, sagt Peter Kneis. Vögel seien sozusagen ein Spiegel der Umwelt. „Noch nie hat die sich so stark verändert, wie in den letzten 20 Jahren“, erklärt er, „nicht nur im Altkreis Riesa, aber eben auch hier.“ Wie die Vogelwelt darauf reagiert hat, das wollen die Naturschützer von Pro Natura herausfinden. Erste Trends zeichnen sich dabei schon ab. Für ein Zwischenfazit sei es nach dem ersten Jahr zwar noch zu früh, sagt Kneis. „Was man aber sagen kann: Dort, wo intensiv Landwirtschaft betrieben wird, kommen deutlich weniger Arten und die in recht geringen Beständen vor.“ Insbesondere um die Feldlerche bangen Kneis und seine Mitstreiter. Bei der ersten Erfassung wurde sie noch fast überall im Landkreis gefunden, in 384 der insgesamt 402 Gitterfelder. Schon damals war aber von einer „spürbaren Bestandsabnahme“ die Rede. Den Bodenbrütern setze die intensive Landwirtschaft besonders zu, erklärt Kneis. Das geht auch anderen Arten so: „Rebhuhn und Kiebitz etwa kommen bei uns nahezu nicht mehr vor.“

Es gibt aber auch gute Nachrichten. „An der Jahna haben wir in diesem Jahr die Wasseramsel neu als Brutvogel entdeckt“, sagt Peter Kneis. Der starengroße Vogel mit der weißen Brust galt in der Region seit mehr als 60 Jahren als ausgestorben. Dass er jetzt wieder da ist, sei „ein Zeichen für die doch wieder bessere Wasserqualität des Baches“, freut sich Kneis. Zu DDR-Zeiten war das Wasser zu schmutzig, die Wasseramseln fanden zu wenig Futter. Weil der Vogel beringt war, wissen die Vogelkundler auch, woher die Wasseramsel stammt. „Sie ist von der Striegis bei Berbersdorf hier zu uns ins Tiefland gezogen und hat sich dann eben an der Jahna angesiedelt.“

Und dann ist da noch der Bienenfresser. Die exotisch anmutenden Vögel wandern erst seit 1990 wieder in Deutschland ein, die größte Kolonie der Steilwandbrüter hat sich in Merseburg in Sachsen-Anhalt angesiedelt. Auch in Riesa und Umgebung sind die Tiere schon einige Male aufgetaucht: In den 70er-Jahren soll es in einer Sandgrube bei Nickritz ein Brutpaar gegeben haben. 1999 wurde das Tier noch einmal nachgewiesen. Dass sich der Bienenfresser im Altkreis Riesa zunehmend heimisch fühlt, könnte eine Folge des Klimawandels sein, vermutet Peter Kneis.

Derzeit handelt es sich bei den Daten noch um eine Momentaufnahme. Deshalb werden die Naturschützer auch im kommenden Jahr unterwegs sein und die Brutvögel zählen. Dabei hoffen sie auch auf Hilfe aus der Bevölkerung. Schließlich kennen Peter Kneis und seine Mitstreiter auch nicht jeden Winkel und jedes Gehöft. „Wir haben deshalb keine Möglichkeit, die Zahl der Schwalben und Spatzen genau zu erfassen.“ Wer an der neuen Brutvogelerfassung mitwirken möchte, könne sich deshalb gerne bei Pro Natura melden. Die Ergebnisse der Erhebung will der Verein dem Umweltamt des Landkreises zur Verfügung stellen, damit sie bei der weiteren Gebietsentwicklung beachtet werden können. „Aber sie sollen auch ganz praktischen Nutzen ergeben“, erklärt Peter Kneis. Anhand der Erkenntnisse könnten Agrarbetriebe etwa ihre Verpflichtungen zum sogenannten Greening verbessern, bei dem ein Teil der landwirtschaftlichen Fläche der Natur überlassen wird.

Beobachtungen können unter 035267 50990 oder besser noch per E-Mail an [email protected] gemeldet werden.