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Grenzenlos feiern mit den Nachbarn

Bei den Tschechisch-Deutschen Kulturtagen kann man noch bis Ende Oktober grenzübergreifend Kultur genießen.

Von Tom Vörös
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Solch ausgelassene Szenen sind bei diesem Festival eher rar. Dafür gibt es anderweitig viel zu entdecken.
Solch ausgelassene Szenen sind bei diesem Festival eher rar. Dafür gibt es anderweitig viel zu entdecken. © LV / Manuel Rommel

Wie schnell sich doch alles ändert in der Krise. Ob Urlaubs-, Ausgeh- oder Einkaufsverhalten. Aber auch langjährige Freundschaften werden dieser Tage hart auf die Probe gestellt. Die engen Beziehung zu unserem unmittelbaren Nachbarn zum Beispiel. An den Tschechisch-Deutschen Kulturtagen wird ersichtlich, dass Kultur zurzeit eben doch nicht grenzenlos zu genießen ist. Aber zumindest gibt es auf deutscher Seite noch genügend Möglichkeiten, sich der Kultur des Nachbarlandes auf ganz unterschiedliche Arten zu nähern. Äußerst einfach geht das zum Beispiel mit der mobilen Ausstellung zum Thema Minderheiten in der Tschechischen Republik. Diese gastiert in der Zeit vom 9. bis 13. Oktober auf den Marktplätzen in Dippoldiswalde und Sebnitz und zeigt Fotografien, Berichte sowie einzigartige Geschichten von zwölf Vertreter*innen verschiedener nationaler und anderer Minderheiten, die in der Tschechischen Republik seit jeher wohnten oder ein neues Zuhause gefunden haben. Die Besucher erhalten Einblicke in die gelebte Realität dieser Bevölkerungsgruppen. Das Projekt unter dem Namen "Wir sind hier nicht alleine" wird aus Mitteln der Europäischen Union gefördert.

Thom Artway gehört zu den bekanntesten Singer-Songwritern aus Tschechien. Der Straßenmusiker hat sich in den letzten Jahren hinauf auf die großen Bühnen gespielt.
Thom Artway gehört zu den bekanntesten Singer-Songwritern aus Tschechien. Der Straßenmusiker hat sich in den letzten Jahren hinauf auf die großen Bühnen gespielt. © Michal Augustini / PR

Im Grenzbereich von Musik, Literatur und Politik

Wer hingegen die verbale Auseinandersetzung mit dem Thema schätzt, sollte sich einmal nach Dippoldiswalde begeben. Im dortigen Kulturzentrum Parksäle startet am 14.10., 19 Uhr ein Vortrag mit anschließender Diskussion unter dem Namen "Quo Vadis, Deutsche Minderheit?" Unter den Stichworten Sprache, Kultur, Identität wird das Leben der noch immer in Tschechien lebenden deutschen Minderheit beleuchtet. Wie funktioniert das Zusammenleben, 75 Jahre nach Kriegsende? Konnte die Minderheit ihre Kultur bewahren? Und wie geht es weiter? Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien, berichtet über die aktuelle Situation, die Strukturen und das Leben der deutschen Minderheit in unserem Nachbarland. Die Landesversammlung möchte zu einer besseren Wahrnehmung der deutschen Minderheit beitragen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Themen wie Europa, Migration, Integration, Assimilation oder Globalisierung.

Aber auch die Beschallung musikafiner Ohren ist bei den Tschechisch-Deutschen Kulturtagen ebenfalls grenzenlos. Zum Beispiel bei einem besonderen Konzert in der Dresdner Scheune. Am 10. Oktober, 20 Uhr wird dort die Band I Want Poetry ihr neues Album "Human Touch" vorstellen. Das Dresdner Duo hat sich laut Ankündigung den Ruf als eine der spannendsten Formationen innerhalb der europäischen Indie-Pop-Szene erarbeitet und wird mit internationalen Acts wie Björk, Aurora oder Florence + The Machine verglichen. 

Damit der Abend tatsächlich zum grenzübergreifenden Erlebnis werden kann, gesellt sich zur Dresdner Band ein junger Musiker namens Thom Artway. Der Mann gehört inzwischen zu den bekanntesten Singer-Songwritern aus Tschechien. Er gewann zwei Andel Awards (den tschechischen Grammy) in den Kategorien „Sänger“ und „Newcomer“ und spielte international auf namhaften Festivals wie dem Great Escape, Waves Vienna oder dem Sziget Festival in Budapest. Tomáš Maček, so heißt Thom Artway mit bürgerlichem Namen, begann als Straßenmusiker an der sogenannten John-Lennon-Mauer in Prag. Das ist eine Wand, die seit den 1980er-Jahren mit von John Lennon inspirierten Graffiti und Teilen von Beatles-Liedtexten bemalt wird. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und seinem Gefühl für große Melodien schaffte er mit der Single „I Have No Inspiration“ den Durchbruch und wurde über Nacht zu einem kleinen Star. Sein erstes Album „Hedgehog“ wurde 2016 von Warner veröffentlicht, woraufhin er die erwähnten Andel Awards gewann. Es folgten Konzerte im Vorprogramm von Zaz, Kaleo, Charlie Winston oder Glen Hansard, der ihn sogar mehrfach als Support zu seinen Shows einlud. Vor einem Jahr erschien das aktuelle Album „All I Know“ des Tschechen. Noch immer bestechen seine Folk-Pop-Songs mit eingängigen Melodien und Tiefgang und erinnern an Bands wie Coldplay und Mumford & Sons.

Soundtrack zur Stasi-Geschichte

Erlebenswert für politisch Interessierte ist auch die Lesung mit Musik „Václav Havels Briefe aus dem Gefängnis“ am 16.10., 19 Uhr im Deutschen Hygiene-Museum Dresden mit Ahmad Mesgarha und Reentko Dirks. Der Dramatiker, Bürgerrechtler und spätere Staatspräsident Václav Havel saß, als er die Zeilen 1980 verfasste, bereits über ein Jahr als politischer Gefangener in Haft, drei weitere folgten. Ein Schicksal, das er mit vielen anderen Dissident*innen während des kommunistischen Regimes teilte. Die Briefe Havels und bewegende Zeugnisse von Insass*innen des Stasi-Gefängnisses in der Bautzner Straße werden im Rahmen des Begleitprogramms der Sonderausstellung »Im Gefängnis. Vom Entzug der Freiheit« zu einer szenisch-musikalischen Lesung verwoben. Mit einer wissenschaftlichen Einführung von Cornelia Herold, Leiterin der Außenstelle Dresden des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU). In Kooperation mit dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden, der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden und der Amnesty International Dresden

Das Abschlusskonzert der Tschechisch-Deutschen Kulturtage, mit der Nordböhmischen Philharmonie Teplice sowie Stipendiaten findet am 31. Oktober, 11 Uhr in der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber statt. Zum bereits zehnten Mal präsentieren sich im Rahmen der TDKT Stipendiatinnen der Brücke/Most-Stiftung und des DAAD gemeinsam mit der Nordböhmischen Philharmonie Teplice. Zu erleben sind Werke bekannter Komponisten der tschechischen Musikgeschichte: Die Böhmische Suite Op. 39 von Antonín Dvořák sowie Suite für Streichorchester von Leoš Janáček. Unter der Leitung von Prof. Ekkehard Klemm und Studierenden der Dirigierklasse der Hochschule für Musik Dresden erklingen außerdem Mozarts Konzert für Horn und Orchester Es-Dur KV 495 mit der Hornistin Daniela Roubíčková (Klasse Prof. Robert Langbein) sowie Franz Bendas Konzert für Flöte und Orchester e-Moll mit der Flötistin Ludmila Eliášová (Klasse Prof. Stéphane Réty).

Die Tschechisch-Deutschen Kulturtage laufen noch bis zum 31. Oktober an verschiedenen Orten in Sachsen und Böhmen. Alle Infos zum Programm und kurzfristigen Änderungen unter:

www.tdkt.info