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Der Unterhalt steigt ab Januar in Sachsen deutlich

Trennungskinder in Sachsen bekommen ab 2023 zwischen 41 und 118 Euro mehr im Monat, zeigt die neue Unterhaltstabelle. Auch der Selbstbehalt steigt. Doch alte Rollenbilder bleiben.

Von Stephanie Wesely
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Kinder leiden unter einer Trennung ihrer Eltern am meisten.
Kinder leiden unter einer Trennung ihrer Eltern am meisten. © 123rf

Immer mehr Kinder in Sachsen wachsen nur bei einem Elternteil auf. Lag der Anteil der Alleinerziehenden 1996 noch bei knapp 16 Prozent, sind es aktuell laut Mikrozensus knapp 25 Prozent. Wenn sich die Eltern trennen, haben die Kinder Anspruch auf Unterhalt. Wie hoch dieser im nächsten Jahr in Sachsen ausfällt, regelt die neue Unterhaltstabelle des Oberlandesgerichts Dresden. Sie ist identisch mit der Düsseldorfer Tabelle, die für ganz Deutschland gilt.

Zahlungspflichtig ist danach der Elternteil, bei dem das Kind nicht dauerhaft lebt. In den meisten Fällen sind das die Väter – immer noch, obwohl sich ein großer Teil viel stärker als früher in die Betreuung ihrer Kinder einbringen möchte. Die Ampel-Koalition hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, das Unterhaltsrecht zu reformieren. Die neuen Unterhaltssätze zeigen davon aber noch nichts, sondern folgen den bisherigen Prinzipien.

Die Unterhaltsbeträge

„Die Höhe ist nicht fiktiv gewählt, sie richtet sich nach dem steuerrechtlichen Freibetrag für das Existenzminimum eines Kindes“, sagt Frank Simon, Fachanwalt für Familienrecht in Chemnitz und Dresden. Maßgeblich seien das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und das Alter des Kindes. Die Grundprinzipien: Jüngere Kinder haben einen geringeren Anspruch als ältere, und Unterhaltspflichtige mit hohem Einkommen zahlen mehr als Geringverdiener.

Aufgrund der Inflation und den Preissteigerungen wurden die Beträge für 2023 im Vergleich zu den letzten Jahren überdurchschnittlich erhöht. So steigt der Mindestunterhalt in der ersten Altersstufe (0–5 Jahre) monatlich um 41 Euro auf 437 Euro, in der zweiten Altersstufe (6–11 Jahre) um 47 Euro auf 502 Euro, in der dritten Altersstufe (12–17 Jahre) um 53 Euro auf 588 Euro und für volljährige Kinder um 59 Euro auf 628 Euro. Studierende Kinder, die nicht mehr im Haushalt der Eltern leben, haben Anspruch auf 930 Euro im Monat – 70 Euro mehr als 2022. Diese Mindestwerte gelten für ein Nettoeinkommen von bis zu 1900 Euro. „Zu diesem Mindestunterhalt sind die Zahler verpflichtet. Vor allem gegenüber minderjährigen Kindern werden davon nur sehr selten Abstriche gemacht“, sagt Frank Simon.

Der Selbstbehalt

Nach drei Jahren wurde auch der Selbstbehalte für Unterhaltspflichtige wieder erhöht. Er steigt um rund 18 Prozent auf 1370 Euro für Erwerbstätige und um rund 17 Prozent auf 1120 Euro für Nichterwerbstätige. „Eine Anhebung war aufgrund von Inflation und Teuerung notwendig“, sagt Melanie Ulbrich, Vorsitzende des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht. Kindesunterhalt und Selbstbehalt seien parallel angepasst worden, weil auch die Kosten für beide Seiten angestiegen sind. Das kritisiert der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), der die Seite der Unterhaltsberechtigten vertritt. Denn wenn Unterhaltsverpflichtete mehr Eigenbedarf geltend machen können, bleibe weniger für die Kinder. „Es wird zu mehr Mangelfällen kommen“, so Bundesvorsitzende Daniela Jaspers. Die Unterhaltserhöhung komme damit nicht bei jedem Kind an.

Die Wohnkosten

In den Selbstbehaltssätzen sind bereits Kosten für die Warmmiete enthalten. Sie sind gegenüber den letzten Jahren zwar von 430 Euro auf 520 Euro angehoben worden, doch laut Melanie Ulbrich immer noch unrealistisch. Wohnungen mit einem Extrazimmer für die Kinder seien vor allem in Großstädten nicht für diesen Preis zu haben. Das ziehe eine Welle von Gerichtsentscheidungen nach sich, um die Selbstbehalte entsprechend anzupassen. Der Verband der Alleinerziehenden sieht darin eine Ungerechtigkeit. Daniela Jaspers: „Dem Unterhaltspflichtigen wird bereits bei den Wohnkosten weit entgegengekommen. Die Tabelle sieht vor, höhere Kosten im Selbstbehalt zu berücksichtigen. Für den Kindesunterhalt gibt es einen solchen Hinweis aber nicht. Alleinerziehende müssen damit für die fehlenden Wohnkosten aufkommen.“

Das Kindergeld

Ab Januar steigt das Kindergeld auf mindestens 250 Euro im Monat. Unterhaltszahler dürfen aber nur dann die Hälfte davon von ihrem Unterhaltsbetrag abziehen, wenn sie Mindestunterhalt zahlen. Das sind die Beträge in der untersten Einkommensgruppe. Aber gerade Zahlungspflichtige mit niedrigen Einkommen und mehreren unterhaltspflichtigen Kindern haben davon nichts.

Das Wechselmodell

Das Wechselmodell ist mittlerweile der Regelfall in sächsischen Trennungsfamilien. „Gesetzlich geregelt ist der Unterhalt aber nur bei paritätischer Aufteilung der Betreuungszeiten, also genau 50:50“, sagt Frank Simon. Für alle abweichenden Modelle gibt es nur Rechtsprechung. Der Verband Väteraufbruch für Kinder mahnt seit langem an, die Vorschläge der Expertenkommissionen im Ministerium und des Deutschen Familienrechtstages endlich umzusetzen. Denen zufolge ist die Düsseldorfer Tabelle kein adäquates Mittel mehr, weil sie nicht der Lebensrealität der Trennungsfamilien entspreche. „Denn nach wie vor gilt beim Unterhaltsrecht das Prinzip, dass einer betreut und einer bezahlt. Wer sich nach einer Trennung weiter um sein Kind kümmert, der zahlt doppelt. Denn Mehraufwendungen zum Beispiel für Freizeitaktivitäten und Urlaube werden im Unterhalt nicht berücksichtigt“, sagt Markus Witt vom Bundesvorstand des Väteraufbruchs. Er geht sogar noch weiter: „Mit diesen Unterhaltsregeln produziert der Gesetzgeber immer mehr Alleinerziehende, weil er jeden Anreiz für das Engagement des zweiten Elternteils finanziell ausbremst.“

Auch wenn Anwalt Frank Simon die Ansichten des Väterverbandes nicht vollständig teilt, sei auch aus seiner Sicht eine Reform des Unterhaltsrechts, vor allem bei gemeinsamer Betreuung, dringend nötig.

Rat am Telefon

Am 19. Januar beantworten von 14 bis 16 Uhr Fachanwälte für Familienrecht aus Sachsen und eine Vertreterin des Jugendamtes Dresden Fragen zum Unterhalt unter den Rufnummern 0351 486428-05; -06 und 07.