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In Sachsen warten Eltern zwei Monate auf das erste Elterngeld

Rund 77.200 Sachsen haben im vergangenen Jahr Elterngeld bezogen. Zahlt das Amt erst sehr spät, können Eltern sogar klagen.

Von Sylvia Miskowiec
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Mit Elterngeld entspannt durch die ersten Babymonate
Mit Elterngeld entspannt durch die ersten Babymonate © dpa-tmn

Nach acht Wochen ist Schluss. So lange gilt in Deutschland der Mutterschutz nach der Geburt, so lange erhalten erwerbstätige Mütter das sogenannte Mutterschaftsgeld. Gesetzliche Krankenkasse und Arbeitgeber finanzieren das Ganze, die Summe entspricht ungefähr dem bisherigen Nettolohn. Auch nach dem Mutterschaftsgeld gibt es Unterstützung, das sogenannte Elterngeld – theoretisch, denn praktisch lauern ein paar Fallstricke.

Ab wann wird Elterngeld gezahlt?

Eltern steht ab dem ersten Lebenstag des Kindes Elterngeld zu. Es wird rückwirkend gezahlt, da die Anträge erst ab jenem Tag eingereicht werden können. Dann beginnt das große Warten. In Chemnitz etwa braucht die Elterngeldstelle durchschnittlich 59 Kalendertage, um Anträge zu bearbeiten. Damit toppt die Erzgebirgsstadt nur leicht den sächsischen Durchschnitt, der im vergangenen Jahr laut sächsischem Sozialministerium bei 54 Tagen lag. „In unserer Wartezeit sind bereits Zeiten enthalten, die wir für Nachforderungen von Unterlagen und Nachweisen benötigen“, sagt der Chemnitzer Stadtsprecher Matthias Nowak. In Dresden sieht es ähnlich aus. Die Landeshauptstadt braucht in etwa acht Wochen. Dies sei bereits eine Verbesserung, wie ein Sprecher sagt. Früher mussten Dresdner Eltern im Schnitt zehn Wochen auf die Auszahlung warten.

Wo muss das Elterngeld beantragt werden?

In Sachsen gibt es insgesamt 13 Elterngeldstellen. Während in Dresden, Chemnitz und Leipzig die Stadt eigene Anlaufstellen hat, müssen sich Eltern andernorts an das jeweilige Landratsamt wenden.

Wann muss das Elterngeld beantragt werden?

Eltern können die Unterstützung erst nach der Geburt des Kindes beantragen, da dem Antrag eine Kopie der Geburtsurkunde beizufügen ist. Paare sollten sich aber schon mit Beginn der Schwangerschaft mit dem Thema auseinandersetzen. Zudem muss der Antrag spätestens drei Monate nach Geburt gestellt werden, um die volle Unterstützung zu erhalten, da maximal drei Monate rückwirkend gezahlt wird.

Funktioniert die Beantragung auch digital?

Nicht wirklich. In Elterngeldstellen von einigen Kommunen erfolgen die Arbeitsabläufe immer noch nach längst veralteten Mustern und überhaupt nicht online. Und auch, wenn der Bund über das Portal elterngeld-digital.de vorgibt, den Zuschuss online beantragen zu können, ist das eigentlich Schummelei: Zwar kann der Antrag in der Tat am Computer ausgefüllt werden. Doch am Ende heißt es: „Nach Abschluss können Sie Ihren Antrag ausdrucken, unterschreiben und an die für Sie zuständige Elterngeldstelle schicken.“ Immerhin verspricht das Bundesfamilienministerium auf der Webseite, dass „demnächst“ alles online ablaufen soll.

Wie lange wird Elterngeld gezahlt?

Eltern stehen insgesamt 14 Monate Elterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und dadurch Einkommen wegfällt. Alleinerziehende können die vollen 14 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen. Paare dürfen die Monate frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate beanspruchen. Rund 30 Prozent der Leistungsempfänger in Sachsen waren 2022 Väter – so viele wie nirgends sonst in Deutschland. Sie nahmen sich im Schnitt 3,4 Monate Elternzeit.

Mit wie viel Elterngeld kann man rechnen?

Zwischen 300 und 1.800 Euro monatlich – oder anders gesagt: mit 65 Prozent des Nettoeinkommens vor der Geburt. Maximal 2.770 Euro Nettoeinkommen werden berücksichtigt. Wer weniger als 1.240 Euro netto verdient hat, bekommt abhängig von der Einkommenshöhe mehr als 65 Prozent. Eltern erhalten in jedem Fall den Mindestbetrag von 300 Euro, auch wenn sie vor der Geburt kein Einkommen hatten. Aktuell ist geplant, die Grenze, ab der Eltern keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben, einheitlich für Paare und Alleinerziehende auf 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen festzulegen. Derzeit gilt ein Limit von 300.000 Euro für Paare und 250.000 Euro für Alleinerziehende.

Warum dauert es mit der Auszahlung so lange?

Grund Nummer eins: Die Ämter brauchen eine Zeit für die Antragsbearbeitung. „Auch in Behörden herrscht Personalmangel“, sagt Niko Nesselrath vom Online-Finanzberater Elterngeldhelden. Somit könnten Elterngeldanträge nicht in angemessener Zeit bearbeitet werden. Grund Nummer zwei liegt bei den Eltern selbst. „Die Auszahlung des Elterngeldes kann dauern, wenn der Antrag lückenhaft ausgefüllt wurde oder Nachweise fehlen“, sagt Ulrike Gebelein von der Diakonie Deutschland. Mütter und Väter sollten sich daher frühzeitig mit dem Antrag befassen. Die Diakonie helfe bei Bedarf ebenso wie Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Pro familia. Auch aufs Elterngeld spezialisierte Anbieter im Internet wie Elterngeldhelden, Elterngeldexperten, Einfach Elterngeld oder Elterngeld.net unterstützen beim Ausfüllen.

Wie viel Zeit darf sich das Amt zur Bearbeitung des Antrags nehmen?

Wenn Eltern sechs Monate nach Einreichen des Elterngeldantrags noch keine Rückmeldung von der Elterngeldstelle bekommen haben, können sie laut Sozialgerichtsgesetz eine Untätigkeitsklage vor dem zuständigen Sozialgericht erheben. „Hat indes die Elterngeldstelle den Antragstellern zum Beispiel mitgeteilt, dass sie den Antrag erhalten hat, die Bearbeitung aber noch etwas dauert, können Eltern keine Untätigkeitsklage erheben“, stellt Elterngeld-Experte Nesselrath klar.

Was können Eltern in finanziellen Nöten tun?

Eltern, bei denen das Geld knapp ist, können dem Elterngeldantrag einen formlosen Hinweis auf Mittellosigkeit beifügen, einschließlich Nachweisen wie Kontoauszüge oder einer Kreditbestätigung. Sollte das Geld absehbar nicht reichen, können Eltern bei der Elterngeldstelle vorstellig werden und ihr Problem schildern. „Das hilft vielleicht, dass ein Antrag schneller bearbeitet wird“, sagt Gebelein. Theoretisch gibt es die Möglichkeit, bei einer finanziellen Notlage aufgrund von ausbleibendem Elterngeld Wohngeld oder einen Kinderzuschlag zu beantragen. „Allerdings sind die Bearbeitungszeiten ähnlich lang wie beim Elterngeld“, sagt Nesselrath. Sein Tipp: Sobald sich der finanzielle Engpass abzeichnet, sollte man das Jobcenter aufsuchen und sich dort beraten lassen. (mit dpa)