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Wo Familien die besten Zukunftschancen sehen

Fast 15.000 Teilnehmer haben für den Familienkompass ihren Wohnort bewertet. Die sieben wichtigsten Erkenntnisse.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Schöne Aussichten: In Leipzig und Dresden bewerten Eltern die Zukunftschancen ihrer Kinder am besten
Schöne Aussichten: In Leipzig und Dresden bewerten Eltern die Zukunftschancen ihrer Kinder am besten © dpa/Mascha Brichta

Mehr Kinderärzte, sichere Radwege und günstigere Wohnungen. Das ist es, was Sachsens Familien wollen. Knapp 15.000 Fragebögen sind für den Familienkompass Sachsen ausgefüllt worden. Es ist die bislang größte Befragung zur Familienfreundlichkeit im Freistaat, die Sächsische Zeitung, Freie Presse, Leipziger Volkszeitung und die Evangelische Hochschule Dresden ausgewertet haben. 

Mit den Noten 1 bis 5 konnten zum Beispiel die medizinische Versorgung, die Zufriedenheit mit Schule und Kita, aber auch die Mietpreise bewertet werden. Das Ergebnis zeigt: Vieles hat sich in den vergangenen Jahren zum Guten entwickelt, genauso vieles muss aber dringend angepackt werde. Sieben wichtige Erkenntnisse.

Zu hohe Mieten in Großstädten

Das Großstadtleben hat seinen Preis. Tatsächlich scheinen die Löhne aber nicht so zu steigen wie die Großstadt-Mieten. Zumindest sind Familien in Dresden und Leipzig mit den Preisen, aber auch mit dem Wohnungsangebot nicht zufrieden. Dresden kommt mit der Durchschnittsnote 4,1 mit am schlechtesten weg. Nicht viel besser wird die Wohnungssituation in Leipzig bewertet. Im Schnitt gibt es eine 3,9.

Beide Städte sind auch Mietpreis-Spitzenreiter in Sachsen. In Dresden etwa liegt die mittlere Angebotsmiete bei 7,50 Euro pro Quadratmeter. Insbesondere junge Großstadt-Familien wünschen sich, dass mehr in günstige und größere Wohnungen investiert wird. Geringverdiener bewerten die Lage am schlechtesten. Ältere zeigen sich hingegen tendenziell zufriedener mit den Wohnkosten und dem Wohnungsangebot.

Wenig verwunderlich: Wo die Mieten am günstigsten sind, sind die Familien zufriedener. Sieger im Sachsen-Vergleich ist Sebnitz am Rande der Sächsischen Schweiz. Die gut 9.000 Einwohner kleine Stadt wird mit 2,4 bewertet und teilt sich damit den ersten Platz mit der mittelsächsischen Stadt Penig.

Familien fühlen sich in ihrer Wohngegend wohl

Ein gutes Zeugnis gibt es für die Nachbarn. Sie werden fast überall als freundlich und tolerant eingeschätzt. In den Läden freuen sich die meisten Händler, wenn Eltern ihre Kinder mitbringen. Ein wenig mehr könnte sich die Nachbarschaft noch um die Kinder sorgen, finden viele Familien. Ein paar mehr Spielplätze könnten auch nicht schaden, ist aus den Großstädten wie den Landkreisen zu hören. Ansonsten punktet Sachsen: Rund 84 Prozent sagen: Ja, in meiner Wohngegend fühle mich wohl. Große Unterschiede zwischen Jung und Alt, Mann und Frau, Stadt oder Land gibt es nicht.

Mehr Kinderärzte und schnellere Arzttermine gewünscht

Impfungen, Erkältungen, Vorsorgeuntersuchen: Kinder sind oft beim Arzt. Einen zu finden, der nicht überlastet ist, der Termine innerhalb weniger Wochen anbietet und Familien nicht eine gefühlte Ewigkeit im Wartezimmer sitzen lässt, scheint aber ein Problem zu sein. Zumindest stimmen weniger als ein Drittel der Befragten der Aussage zu, dass es genügend Kinderärzte in ihrer Region gibt. Gesamtnote für das Kinderarzt-Angebot: 3,2. Ein Blick in die Regionen lohnt sich, um zu wissen, wie sich diese Note zusammensetzt. 

So sind die Teilnehmer im Landkreis Meißen am unzufriedensten und dort vor allem in und um Riesa. Ein typisches Stadt-Land-Gefälle ist bei dieser Frage nicht zu erkennen. Leipzig – Sachsens Geburtenhauptstadt – liegt im befriedigenden Durchschnitt, während Dresden mit der Note 2,9 und der Landkreis Leipzig mit der Note 3,1 Spitzenpositionen einnehmen. Besser schätzen die Befragten die Hausarztversorgung ein. Dagegen gibt es viele Stimmen, die meinen, es gebe zu wenige Fachärzte. Auch schnell einen Arzttermin zu bekommen, kostet Nerven.

Zu wenige Erzieher und zu volle Schulklassen

Sachsen hat es sich in den letzten Jahren einiges kosten lassen, junge Lehrer und Erzieher zu gewinnen. In den Kitas ist der Betreuungsschlüssel verbessert worden, in den Schulen wird versucht, pensionierte Lehrer zu ersetzen und den Unterrichtsausfall gering zu halten. Klappt das? Rund 75 Prozent sagen, die Kitas seien gut organisiert und die Erzieher engagiert. 

Die Personalausstattung bekommt aber nur die Note 3,4. Die meiste Kritik kommt aus den Landkreisen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Meißen, gefolgt von Leipzig Stadt und Land. Über Unterrichtsausfall beklagen sich Familien weniger. Knapp die Hälfte sagt, das passiere selten, weitere 25 Prozent meint teils, teils. Dagegen sind volle Klassen überall ein Thema.

Überwiegend gute Noten für den sächsischen Nahverkehr

Das Auto einfach mal zu Hause stehen lassen, weil einen der Busfahrer zur Arbeit oder zum Supermarkt chauffiert. Davon träumen viele Sachsen. Tatsächlich schneidet der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Freistaat gut ab. An der Spitze liegen die Großstädte Dresden (Note 1,4), Leipzig (1,5) und Chemnitz (1,9). Straßenbahnen rollen dort im Zehn-Minuten-Takt, S-Bahnen fahren bis in die Speckgürtel und Arbeitgeber schießen Geld zur Monatskarte bei. Wer in den Städten lebt und arbeitet, ist nicht wirklich aufs Auto angewiesen.

Alles gut also? Nein, obwohl der sächsische ÖPNV im Schnitt mit 2,2 bewertet wird, gibt es Regionen, in denen die Menschen unzufriedener mit der Anbindung sind. Dazu zählen Klingenberg und Dorfhain am Rande des Tharandter Waldes sowie die Orte rings um Olbernhau im Erzgebirge. Ein Beispiel für guten Nahverkehr außerhalb einer Großstadt ist der südliche Landkreis Meißen. Die Anbindung an das Dresdner S-Bahn- sowie teilweise an das Straßenbahnnetz dürften ein starker Grund sein, weshalb die befragten Radebeuler, Coswiger, Weinböhlaer und Meißner so zufrieden mit dem Nahverkehr sind.

Sachsens Dörfer müssen familienfreundlicher werden

Normalerweise sind Sachsens Großstädte mit den größten Budgets ausgestattet. Jedes Unternehmen, das sich dort ansiedelt, jeder Tourist, der hier übernachtet, bringt zusätzliche Einnahmen. Eine Menge Geld also, das ausgegeben werden könnte und auch ausgegeben wird. In Leipzig und Dresden finden jedenfalls knapp 50 Prozent, dass die Stadt viel für Familien tut, weitere 35 Prozent sagen: teils, teils. Das spiegelt sich zum Beispiel in der überdurchschnittlich guten Bewertung der Kita-Qualität wider. Außerdem werden die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten sehr geschätzt. 

Und wie sieht es in den anderen Regionen aus? Je kleiner die Städte und Gemeinden sind, umso mehr wünschen sich Familien mehr Investitionen. Das betrifft vor allem Dörfer. Aber auch die Chemnitzer sehen Nachholbedarf. Dort sind lediglich 30 Prozent mit dem Engagement der Stadt zufrieden, fast ein Viertel der Befragten sagt klipp und klar: Chemnitz tut für uns zu wenig. Das Angebot an Spielflächen und die Sauberkeit von Spielplätzen werden zwar nicht als schlecht bewertet, aber schlechter als im sachsenweiten Durchschnitt.

Mehr Geld für Radwege und schnelles Internet gefordert

Auf die Frage, worin Geld fließen sollte, landen fast überall die Radwege auf den vordersten Plätzen. Nirgendwo in Sachsen sind die Befragten der Meinung, es werde ausreichend viel in die Sicherheit von Fahrradfahrern investiert. Großen Bedarf sehen vor allem die Einwohner von Mügeln, Radeburg, Moritzburg, Großenhain, Priestewitz, Lohmen, Limbach-Oberfrohna, Brand-Erbisdorf und Schloßchemnitz. Das deckt sich mit der Erkenntnis, dass Eltern sehr kritisch sind, wenn es um die Frage geht: Lasse ich mein Kind mit dem Rad zum Unterricht fahren? Mehr als die Hälfte der Befragten meint, es sei unsicher, mit dem Fahrrad zur Schule zu gelangen. Insbesondere Chemnitzer und Dresdner Eltern sind skeptisch.

Schnelles Internet ist ebenfalls ein Thema. Das haben Heimarbeit und Heimunterricht in der Corona-Krise gezeigt. Mittweida scheint in diesem Fall ein großes Defizit zu haben, genauso wie Oederan und die Region Geithain, wie aus den Investitionswünschen der Teilnehmer hervorgeht. Nicht nachlassen sollten die Kommunen beim baulichen Zustand und der Ausstattung von Kitas und Schulen. Beides wird derzeit als gut bewertet. Allerdings wünschen sich Familien weitere Investitionen.