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Familienglück trotz Handicap

Bruno Koppisch hat das Downsyndrom. Er und seine Eltern bekommen Unterstützung von der Lebenshilfe.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Döbeln. Bruno sitzt im Flur auf seinem Laufrad. Schaut. Lächelt verschmitzt. Und rollt in Richtung Wohnzimmer. So, als wolle er sagen: Alle mir nach, hier geht’s lang. Sprechen kann er noch nicht. Bruno ist erst anderthalb. Und behindert. Er hat das Downsyndrom und das für diese Erkrankung typische Aussehen: ein eher rundes Gesicht mit weichen Zügen und mandelförmige, leicht schräg sitzende Augen.

Das Downsyndrom ist eine Laune der Natur. Das Chromosom Nummer 21 ist drei-, anstatt üblicherweise zweimal vorhanden. Die Folge einer spontanen Genmutation. Die Krankheit wird deshalb auch Trisomie 21 genannt. „Für mich ist Bruno nicht behindert. Sondern er lernt nur langsamer“, sagt Mutter Kathleen Koppisch.

Neben Bruno steht Hermine. Sie ist drei Jahre alt und hat ihren Bruder gern. Am liebsten spielt sie mit ihm Fange, erzählt sie. Hermine ist ein gesundes Mädchen. „Während meiner Schwangerschaft mit Bruno deutete nichts auf das Downsyndrom hin. Wir haben uns ehrlich gesagt auch keine Gedanken darüber gemacht, dass uns so etwas passieren könnte“, erzählt die 28-Jährige. Die Nachricht sei deshalb zunächst ein Schock für sie und ihren Mann Andreas gewesen. „Ich dachte: Was werden die Leute denken?“, erzählt Kathleen Koppisch ganz offen. Ihr Mann habe sich gefragt: „Was wird, wenn wir Eltern mal nicht mehr da sind?“ Doch der erste Schreck sei schnell überwunden gewesen. „Wir lieben Bruno und würden ihn auch niemals weggeben. Das stand für uns auch nie zur Diskussion“, sagt sie.

Vorliebe für Musik

Zunächst seien sie ratlos gewesen, welche Unterstützung ihnen zusteht und wo sie diese bekommen. „Unser Kinderarzt hat uns dann von der Frühförder- und Frühberatungsstelle der Lebenshilfe Oschatz erzählt“, sagt Kathleen Koppisch. Der Verein hat eine Außenstelle in Döbeln. Zur Leiterin der Frühförderungsstelle, Sabine Scholz, hat Bruno ein inniges Verhältnis. Sie albern gemeinsam herum. Spielen Ball. Sie schaut einmal pro Woche bei Familie Koppisch in Waldheim vorbei. Entweder in der Wohnung. Oder seit Kurzem in der Kita Wasserplanscher. Dort ist Bruno gerade zur Eingewöhnung. Sabine Scholz ist nicht nur die Ansprechpartnerin für die Eltern mit ihren Fragen. Beim Spielen kann sie Brunos Entwicklung beobachten und einschätzen. Wöchentlich muss der Junge zur Physiotherapie und Logopädie. „Ein Förder- und Behandlungsplan wird individuell auf das jeweilige Kind abgestimmt“, erzählt Sabine Scholz. Zurzeit sei Bruno „in der Nachahmungsphase von Bewegungsmustern und reagiert ganz toll auf Sinnesreize. Er beschäftigt sich gern mit kleinen Dingen und ist sehr ausdauernd“. Mutter Kathleen ergänzt: „Und er geht gerade auf Musik und alles, was sich bewegt, ab.“

Defizite habe er mit „didaktischen Materialien. Einlegepuzzeln zum Beispiel. Trotzdem ist er nur geringfügig unter dem Entwicklungsstand gesunder Kinder in seinem Alter“, schätzt Sabine Scholz ein.

Bruno ist ein fröhliches und neugieriges Kind. Als seine Mutter das jüngste Familienmitglied, die drei Monate alte Frieda, auf den Arm nimmt, um ihr das Fläschchen zu geben, will er seine Schwester streicheln. Das geht aber gerade nicht. Also bekommt Hermine die Liebesbekundung ab.

Im Gegensatz zu anderen Kindern mit dem Downsyndrom habe Bruno noch Glück gehabt. „Den typischen Herzfehler hat er nicht. Nur Probleme mit der Schilddrüse. Und er ist kurzsichtig“, sagt Kathleen Koppisch. Mit der blauen Brille, die er eigentlich tragen soll, hat er sich noch immer nicht so recht anfreunden können. Die zieht er sich gern wieder von der Nase.

Sozialamt zahlt

Bruno ist eines von rund 140 Kindern, die die elf Mitarbeiter der Frühförderungsstelle wöchentlich in den Altkreisen Döbeln und Oschatz betreuen. Am 1. Februar feiert die Institution ihr 25-jähriges Bestehen. „Wir wollen die Eltern mit ihren Sorgen auffangen und ihnen zeigen, was ihnen zusteht und was alles möglich ist“, erklärt Sabine Scholz das Konzept. So hat Familie Koppisch für Bruno die Pflegestufe 1 bewilligt bekommen.

Seitdem der Junge drei Monate alt war, ist er ihm Frühförderungsprogramm. Die Leistungen müssen jährlich beim Sozialamt beantragt werden. Die Therapiekosten übernehme die Krankenkasse, so Sabine Scholz. Ihrer Meinung nach lohnt sich der Aufwand, der für die Eltern nicht wirklich groß sei: „Je mehr Grundlagen man mit der Frühförderung bei den Kindern in jungen Jahren schafft, umso weniger staatliche Leistungen müssen die Betroffenen später in Anspruch nehmen.“ Im Altkreis hat sie eine Elterninitiative für Eltern von Kindern mit Downsyndrom etabliert.

www.lebenshilfe-oschatz.de