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Familienunternehmen Biathlon

Darja Domratschewa ist nach der Geburt ihrer Tochter in Rekordzeit wieder Weltspitze.

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© imago/Gerhard König

Von Daniel Klein

Ein 37. Platz interessiert im Normalfall nur Statistiker. Doch dieses Sprintrennen am 6. Januar in Oberhof ist kein normales – zumindest nicht für Darja Domratschewa. Es ist ihr erstes nach 656 Tagen Pause. Ihre lange Abstinenz von der Biathlon-Bühne löste das Pfeiffersche Drüsenfieber aus, dann kam eine Schwangerschaft hinzu, die Hochzeit mit Ole Einar Björndalen und schließlich die Geburt von Tochter Xenia. Drei Monate später steht sie beim Weltcup am Rennsteig an der Startlinie.

Die Platzierung ist nebensächlich, Domratschewa braucht Wettkämpfe, ihr Ziel sind die Weltmeisterschaften im Februar in Hochfilzen. Dort gewinnt sie tatsächlich Silber in der Verfolgung. Für eine Dreifach-Olympiasiegerin, die bei den Spielen 2014 in Sotschi endgültig zum Superstar aufgestiegen war, ist das zwar eine eher spärliche WM-Ausbeute. Gemessen an den vier Monaten zwischen Niederkunft und Medaille gleicht es jedoch einem Wunder. Vor zwei Wochen gewinnt sie schließlich an gleicher Stelle zum ersten Mal nach ihrer langen Pause wieder ein Weltcup-Rennen. Nun ist sie endgültig dort angekommen, wo sie aufgehört hatte.

Das Comeback der Weißrussin ist ein erstaunliches – sportlich und logistisch. Xenias Eltern sind Biathlon-Profis und damit ganzjährige Weltenbummler. Die Tochter kam in Domratschewas Heimatstadt Minsk zur Welt, dort baut die 31-Jährige gerade ein Haus. Ihr Mann ist Norweger, in einer kleinen Kirche in Sjusjoen hatte das Paar im Juli geheiratet. Der Lebensmittelpunkt der kleinen Familie ist Obertilliach in Österreich, dort wohnt und trainiert Björndalen bereits seit 2002 – zunächst gemeinsam mit seiner ersten Frau Nathalie Santer, damals ebenfalls Biathletin.

Hinzu kommen die vielen Reisen zu Wettkämpfen und Trainingslagern. Dafür nutzt das Biathlon-Paar einen 1,5 Millionen Euro teuren Truck, ein rollendes Hotelzimmer mit Fitnessbereich. In die Betreuung der inzwischen 14 Monate alten Tochter teilen sich Domratschewas Mutter und ein Kindermädchen. „Ihr Leben hat sich stark verändert, aber sie managt das wunderbar“, sagt Björndalen über seine Frau. „Sie ist eine genauso gute Mutter wie Biathletin.“ Die junge Mama gesteht, dass „die Logistik schon etwas komplizierter“ sei als vor der Pause. Für den Stress wird sie aber reichlich entlohnt. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, nach dem Training oder Rennen dieses Lächeln zu sehen.“

Fotos des Biathlon-Traumpaares tauchen nun immer mal wieder auf, bis kurz vor der Hochzeit machten die beiden aus ihrer Beziehung noch ein großes Geheimnis. Gerüchte kursierten bereits lange, darauf angesprochen, verwiesen beide stets auf die Privatsphäre. Den Grund für diese Heimlichtuerei verrieten sie nie. Nun wird die Tochter von der Öffentlichkeit abgeschirmt, es gibt bisher kein Foto von ihr.

Womöglich ist das auch eine Vorsichtsmaßnahme, in ihrer Heimat zählt Domratschewa zu den bekanntesten Gesichtern, ausgezeichnet als „Heldin von Weißrussland“. Sie gehört dank ihrer Sponsoren und einem Internetshop, der ihre Kollektionen vertreibt, zu den Spitzenverdienern. „Der Hype um sie ist vergleichbar mit dem um Steffi Graf in Deutschland, als sie noch Tennis gespielt hat“, erklärte mal ihr ehemaliger Trainer Klaus Siebert.

Ihr Ziehvater kam aus Altenberg

Die Beziehung zum Altenberger war ganz besonders, er schlüpfte in die Rolle des Ersatzvaters, ihr leiblicher war früh verstorben. Ab 2008 trainierte Siebert das Frauenteam von Weißrussland, erkannte Domratschewas Talent und führte sie bis zu den drei Olympiasiegen von Sotschi. Danach musste er aufhören und sich erneut einer Krebsbehandlung unterziehen.

Im April 2016 verlor er den Kampf gegen die heimtückische Krankheit. „Ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat. Es ist schwierig, dafür Worte zu finden“, erklärte sie damals. Häufig war Domratschewa zu Lehrgängen in Altenberg, weil der Gesundheitszustand des Trainers keine weiten Reisen zuließ, saß bei Sieberts im Wohnzimmer auf der Couch.

Es ist die Kombination aus eleganter Skilangläuferin und treffsicherer Schützin, die Domratschewa zu einer der besten Biathletinnen werden ließ. „Es ist eine Augenweide, ihr dabei zuzuschauen, wie sie über die Loipe schwebt“, schwärmte der ehemalige Bundestrainer Uwe Müßiggang einmal. Von der einstigen Dominanz ist sie ein Stück weit entfernt, hat aber bis zum Saisonhöhepunkt auch noch ein bisschen Zeit. Die Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang beginnen am 10. Februar. Ihr Mann hat schon oft bewiesen, dass er sich auf den Punkt vorbereiten kann. In Sotschi gewann er zweimal Gold – kurz nach seinem 40. Geburtstag. Es waren seine Olympiamedaillen Nummer 12 und 13, Domratschewa steht bei vier.

Das erfolgreiche Wintersportpaar kann die Sammlung erweitern. Vielleicht helfen dabei auch die Veränderungen durch das Kind. „Wir sind gelassener geworden, weil wir es einfach sein müssen“, sagt Björndalen. „Wenn das Baby zu früh aufwacht, dann muss man einfach aufstehen.“ Das gilt also auch für berühmte Eltern.

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