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Fast 900 Italiener starben in Zeithain

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt der Ort den Beinamen „Lager des Todes“. Nun wird den Opfern ein Denkmal gesetzt.

Von Kevin Schwarzbach
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Zum 74. Jahrestag der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain wurden am Obelisken zahlreiche Blumenkränze niedergelegt. Das Gedenken richtete sich in diesem Jahr besonders auf die italienischen Militärinternierten.
Zum 74. Jahrestag der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain wurden am Obelisken zahlreiche Blumenkränze niedergelegt. Das Gedenken richtete sich in diesem Jahr besonders auf die italienischen Militärinternierten. © Sebastian Schultz

Zeithain. Für Michele Montagano grenzt es fast schon an ein Wunder, dass er am Dienstagnachmittag vor dem Obelisken im Ehrenhain Zeithain stehen und den dort in Kriegsgefangenschaft Verstorbenen gedenken kann. 

Mehr als 50 000 italienische Soldaten sind im Zweiten Weltkrieg in Gefangenenlagern umgekommen. Michele Montagano aber hat die Kälte, den Hunger und die Misshandlungen überlebt.

Lange Zeit wurde den italienischen Militärinternierten im Ehrenhain Zeithain nur wenig Beachtung geschenkt, der Fokus galt den sowjetischen Soldaten. Erst mit der Wiedervereinigung wurde auch das Gedenken an die Italiener gefördert.

 Nun will die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ihnen ein ganz besonderes Denkmal setzen: 74 Jahre nach der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain rücken im Ehrenhain die italienischen Militärinternierten in den Mittelpunkt. Menschen wie Michele Montagano. Menschen, denen ihr Widerstand das Leben kostete.

Der 98-jährige Michele Montagano ist einer der letzten Überlebenden der Kriegsgefangenenlager.
Der 98-jährige Michele Montagano ist einer der letzten Überlebenden der Kriegsgefangenenlager. © Sebastian Schultz

Denn dass der heute 98-jährige Montagano einst für fast zwei Jahre in Polen und Niederschlesien in Kriegsgefangenschaft geriet, lag daran, dass er nach der bedingungslosen Kapitulation Italiens im September 1943 nicht für die Faschisten kämpfen wollte. „Wir waren gegen die Nazis“, sagt Montagano. „Wir haben uns geweigert, mit ihnen zusammenzuarbeiten.“

Mehr als 600 000 Soldaten brachte die Wehrmacht wegen ihres Widerstandes in Lager in Deutschland und den besetzten Gebieten, fast 900 Menschen kamen im „Campo di Morte“ („Lager des Todes“) in Zeithain ums Leben. 

Die neue Sonderausstellung „Italiener in deutscher Kriegsgefangenschaft 1943 bis 1945. Italien-Deutschland: Für eine gemeinsame Erinnerungspolitik“ versucht nun, dieses Schicksal aufzuarbeiten. Zeithain ist erst der zweite Ort, an dem die Schau gezeigt wird.

Ort der Einkehr und Besinnung

„Wenn wir unser Gedenken nun verstärkt den italienischen Opfern zuwenden, schmälert das aber nicht unsere Ehrerbietung gegenüber den anderen“, sagt Andrea Dombois, Vizepräsidentin des Sächsischen Landtages, bei der Gedenkveranstaltung am Dienstag. 

Zeithain sei ein Ort der Einkehr und Besinnung, eine Mahnung für Gegenwart und Zukunft. „Die Umstände dieses Lagers waren nicht schicksalhaft, sondern von Menschen erdacht und geschaffen“, so Andrea Dombois. „Halten wir die uns auferlegte Verantwortung wach.“

Für Dietger Niederwieser, italienischer Honorarkonsul in Leipzig, ist die neue Sonderausstellung „ein besonderes Zeichen der Versöhnung befreundeter Völker“. Gemeinsam mit der Gedenkveranstaltung diene sie dazu, die Erinnerung an die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges lebendig zu halten und den Frieden zu schätzen. „Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen die Zeugen der Barbarei weniger werden“, so Niederwieser.

Michele Montagano ist einer der letzten Überlebenden der Kriegsgefangenenlager. Nach der Befreiung im April 1945 kehrte Montagano zurück in seine Heimat, studierte Jura und arbeitete bis zur Rente in einer Bank. 

Heute ist er Ehrenpräsident der Associazione Nazionale Reduci dalla Prigionia (ANRP), die in Italien und gegenüber Deutschland die Interessen der italienischen Opfer nationalsozialistischer Verfolgung vertritt.

 Auch im hohen Alter kommt er regelmäßig nach Deutschland, um den Gefallenen zu gedenken. Den Nationalsozialisten habe er vergeben, sagt er. Vergessen aber wird Montagano nie.

Zum Gedenken kamen nicht nur diplomatische Vertreter, sondern auch Angehörige.
Zum Gedenken kamen nicht nur diplomatische Vertreter, sondern auch Angehörige. © Sebastian Schultz