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Fast jeder Zweite pendelt

Die Zahl der Menschen, die längere Fahrtwege zur Arbeit auf sich nehmen, steigt auch im Osterzgebirge. Das häufigste Ziel überrascht kaum.

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© dpa

Von Dominique Bielmeier und Nadine Franke

Osterzgebirge. Im Dunkeln bereits das Haus zu verlassen und auch erst wieder nach Hause zu kommen, wenn die Sonne längst untergegangen ist. Für Jana Engelbrecht-Börner ist das nichts Ungewöhnliches an diesen Februartagen. „Gegen 7 Uhr verlasse ich das Haus.“ Zwischen 45 und 60 Minuten braucht sie dann je nach Verkehr und Witterung für die Strecke von Reichenau zu ihrem Arbeitsplatz beim Stadtjugendring Dresden. Ihr geht es wie Millionen anderen Arbeitnehmern, die als Pendler täglich einen längeren Arbeitsweg zurücklegen müssen.

© Koerner, Heidemarie

Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit pendelten im Jahr 2016 exakt 12,16 Millionen von den rund 31 Millionen Beschäftigten in Deutschland zur Arbeit in einen anderen Kreis innerhalb der Bundesrepublik. 40 Prozent der Beschäftigten müssen also zum Teil weite Wege bis zur Arbeit in Kauf nehmen. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist die Zahl sogar noch ein wenig höher. Von rund 97 000 Beschäftigten, die im Landkreis wohnen, haben rund 42 000 Arbeit außerhalb des Landkreises – macht rund 43 Prozent, also fast jeder Zweite. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Pendleratlas’ hervor. Demnach gibt es im Landkreis 800 Pendler mehr als noch 2016.

Doch nicht nur die Zahl der Pendler ist erneut gestiegen, sondern auch ihr Weg: Wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung errechnet hat, legen sie eine Strecke von durchschnittlich knapp 17 Kilometern zurück. Im Jahr 1999 waren es lediglich 14,6 Kilometer.

Fahren bis nach Leipzig

Das häufigste Ziel der Pendler im Landkreis dürfte wenig überraschen: Die meisten dieser sogenannten Auspendler haben eine Arbeitsstelle in der Landeshauptstadt Dresden gefunden. 28 000 Menschen sind das nach der Statistik. Eine davon ist Jana Engelbrecht-Börner, die schon im zwölften Jahr nach Dresden pendelt. „Davor bin ich auch schon nach Altenberg und Dippoldiswalde gefahren, ich sehe das als normal an.“ Das Pendeln störe sie nicht. „Ich möchte gar nicht auf dem Dorf arbeiten. So gerne ich dort wohne, aber ich bin froh, auch mal rauszukommen.“

Doch nicht nur die Landeshauptstadt ist Ziel vieler Pendler aus dem Landkreis. Nach Bautzen fuhren immerhin noch knapp 3 000 Arbeitnehmer, nach Meißen 2 500. In den Landkreis Mittelsachsen pendelten gleich schon 1 000 Arbeitnehmer weniger. Aber selbst Leipzig ist für manchen aus dem Landkreis nicht zu weit weg: Mehr als 700 pendelten dorthin.

Die sogenannten Auspendler sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Denn zugleich pendelten 2017 knapp 23 000 Beschäftigte, die in einem anderen Kreis wohnen, in den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ein. Das sind etwa 1 000 Pendler mehr als noch im Jahr 2016, und sie stellen damit ein knappes Drittel aller Beschäftigten im Landkreis.

Auch bei den Einpendlern kommen die meisten (etwa 12 600) aus Dresden, gefolgt von Bautzen (2 338) und Meißen (gut 1 971). Die Görlitzer nahmen die weite Strecke häufiger auf sich als umgekehrt: Von der Neiße pendelten gut 300 Menschen in die hiesige Region. Die Leipziger hingegen scheinen andernorts lieber zu arbeiten. Gerade einmal 84 Pendler kamen zum Arbeiten in die Sächsische Schweiz.

Doch selbst wenn insgesamt mehr Menschen den Landkreis zum Arbeiten verlassen, als für den Beruf einpendeln, so liegt der Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge damit im Sachsentrend: Nur in den drei größten Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz pendeln mehr Menschen ein als aus.

Auto ist das Mittel der Wahl

Was der Pendleratlas auch zeigt, ist, dass Männer häufiger pendeln als Frauen – mit einer Ausnahme: Aus dem Landkreis pendelten 2016 rund 14 100 Frauen nach Dresden, aber nur rund 13 600 Männer. In umgekehrter Richtung waren es 5 700 Frauen zu knapp 6 900 Männern. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass es in Dresden deutlich mehr Stellen im Dienstleistungsbereich, wo viele Frauen arbeiten, gibt im Vergleich zu Stellen im verarbeitenden Gewerbe und auf dem Bau, traditionell eher Männerberufe,

Insgesamt ist die Entwicklung für den Freistaat positiv: Die Zahl der Menschen, die zum Arbeiten nach Sachsen fahren, steigt beständig. Nach den aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur pendelten fast 120 000 Menschen nach Sachsen. So viele Berufstätige kamen seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Dennoch verlassen noch immer etwa 20 000 Berufstätige mehr den Freistaat zum Arbeiten. Das sind 2 100 Auspendler mehr als noch 2016. Diese Arbeitskräfte fehlen dem sächsischen Arbeitsmarkt.

Dies erhärtet auch der Trend, dass die Arbeitnehmer immer mobiler im Berufsalltag werden, und dabei am liebsten unabhängig sind: Zwei Drittel der sächsischen Pendler fahren mit dem Auto. Gerade einmal ein gutes Zehntel nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel. „Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wäre ich doppelt so lange unterwegs“, sagt Jana Engelbrecht-Börner. Doch nicht nur der Zeitfaktor spiele für sie eine Rolle, sondern auch das Thema Flexibilität. Vor allem da sie das eigene Auto auch beruflich nutzt. (mit SZ/aeh)