Von Georg Moeritz
Mike Gärtner wird sich am Dienstag kostümieren und inkognito feiern – mit seinen eigenen Getränken. Zur Faschingsparty im Dresdner Parkhotel Weißer Hirsch hat der Mitbesitzer der Brauerei Feldschlößchen AG heimlich einen Markttest vorbereiten lassen: Ein neues alkoholfreies Getränk steht bereit. Ursprünglich sollte es schon zur Grünen Woche in Berlin präsentiert werden, wie die SZ erfuhr. Doch erst am Montag wird laut Gärtner „die erste industrielle Großproduktion fertig sein“. Der 45-jährige Kaufmann will dann selbst miterleben, was die meist jüngeren Partygänger davon halten.
Das neue Getränk enthält laut Gärtner Bestandteile der Kaffeebohne und wirkt „leicht belebend, aber nicht so stark wie ein Energy-Drink“. Zwei Geschmackssorten gibt es zunächst: Pfirsich und Holunder. Dem Chef schmeckt’s, und alle Probanden fanden es nach seinen Angaben gut.
Für einen Markterfolg genügt das freilich nicht – die Konkurrenz im Regal zeigt es. Da stehen zum Beispiel die Bionade-Flaschen der Radeberger-Gruppe, ebenfalls in Holunder erhältlich. Das einstige Szenegetränk hat erheblich an Zugkraft und Absatz eingebüßt, seit es von einer kleinen Brauerei an die Getränkesparte des Oetker-Konzerns verkauft wurde. Der Carlsberg-Konzern, bis vor einem Jahr Besitzer der Feldschlößchen-Brauerei in Dresden, stellte sein Nachahmerprodukt Beo wieder ein. Landskron in Görlitz hat sein Biermixgetränk „Agent Apple“ vom Markt genommen, bietet aber jetzt eine Himbeer-Fassbrause an.
Gärtners Getränk dagegen ist nach Angaben des Feldschlößchen-Vorstands eine „Weltneuheit“, an deren patentiertem Verfahren drei Jahre lang gearbeitetet wurde. Damit könnte das Unternehmen drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: höhere Preise durchsetzen, die riesige Dresdner Brauerei besser auslasten – und Werbung machen, ohne die Regeln für Alkohol zu verletzen. Denn schon jetzt steht auf der Internetseite von Feldschlößchen, dass Leser unter 16 sich bitte abmelden sollen. Die Braubranche befürchtet, dass ihre Reklame künftig ähnlich wie in der Tabakbranche stärker eingeschränkt wird.
Wenn es ums Geld geht, suchen alle Brauer zurzeit nach neuen Wegen – denn Bier ist so billig wie seit Jahren nicht, beklagte jüngst Freiberger-Chef Steffen Hofmann. Gerade in dieser Woche wurde Sachsens Edelmarke Radeberger erstmals seit Langem für 9,99 Euro pro Zehnliterkasten in einer Supermarkt-Werbung angepriesen – üblich sind 12,40 Euro beim Discounter, Feldschlößchen folgt meist mit etwa zwei Euro Abstand. Eine Preiserhöhung wird es dieses Jahr nicht geben, sagte Gärtner der SZ.
Doch eine Limo oder gar ein Szenegetränk kann deutlich mehr einbringen: Bionade kostet beim Discounter, umgerechnet auf zehn Liter, 23,70 Euro. Es geht allerdings auch billiger: 7,80 Euro für ein „Bio-Holunder-Cranberry-Erfrischungsgetränk“ aus Braunschweig. Das kommt von der niedersächsischen Feldschlößchen-Brauerei, die bis vor wenigen Jahren mit Feldschlößchen Dresden denselben Besitzer hatte: den Carlsberg-Konzern.
Carlsberg hat seine beiden Feldschlößchen verkauft: Die Brauerei in Braunschweig gehört jetzt der Oettinger-Gruppe, die beispielsweise Aldi mit billigem Bier beliefert. Für Dresden fanden sich Anfang vorigen Jahres Mike Gärtner und sein Geschäftspartner Karsten Uhlmann als Käufer. Die beiden besaßen bereits die Brauerei in Frankfurt an der Oder sowie eine in Frankreich und hatten sich schon den Bayerischen Brauerbund zum Feind gemacht – weil sie Billigbier für Supermärkte unter verschiedenen Namen brauen.
Inzwischen haben Gärtner und Uhlmann „von anderen Standorten Produktion nach Dresden verlegt“, um die Auslastung zu verbessern. Die Feldschlößchen-Brauerei nämlich ist viel zu groß für die Dresdner Marke allein. Bis zu zwei Millionen Hektoliter pro Jahr könnten dort gebraut werden – das ist mehr als der Ausstoß von Sachsens größter Brauerei in Radeberg.
Im letzten Jahr unter Carlsberg blieb fast die Hälfte der Dresdner Kapazität ungenutzt, obwohl auch damals schon für fremde Auftraggeber gebraut wurde. Feldschlößchen selbst macht den weitaus kleineren Teil der Produktion aus, die genaue Menge nennt das Unternehmen nicht.
Die rund 170 Mitarbeiter sind ein Jahr nach dem Besitzwechsel weiter beschäftigt, stellt Volkmar Heinrich von der Nahrungsgewerkschaft NGG befriedigt fest. Nach seiner Einschätzung hätte Dresdens einziger großer Brauerei ohne die neuen Besitzer womöglich die Schließung gedroht. Doch nun mischt sie wieder mit im harten Getränkewettbewerb – und hat bald etwas Süßes im Programm.