Warum die neue Show mit Bully Herbig so witzig ist

Lachen gehört gerade zur Mangelware. Es ging früher auch schon mal verloren, wurde verkauft oder ideologisch verfolgt. Doch jetzt wird es verboten. Wer das kleinste Grinsen wagt, der fliegt raus. Da ist Schluss mit lustig. So lautet die Spielregel einer neuen Comedyshow mit dem Titel „LOL: Last One Laughing“.
Die erste Folge startete am 1. April bei Amazon Prime, am 8. und 15. April folgen weitere Episoden. Das Format passt bestens in die Zeit, weil es mit Witz zeigt, dass keiner das Lachen unterdrücken kann. Michael „Bully“ Herbig sperrt für die sechsteilige Show zehn Comedyprofis wie Anke Engelke, Wigald Boning, Carolin Kebekus, Kurt Krömer, Barbara Schöneberger und Mirco Nontschew sechs Stunden in eine Wohngemeinschaft. Die abgeschlossene Juxbox ließ der Schauspieler und Produzent in einem Studio auf dem Bavaria-Gelände bei München aufbauen.
Der 52-Jährige, der 2001 mit der Westernkomödie „Schuh des Manitu“ einen der größten deutschen Kassenschlager produzierte, agiert im Antilachwettbewerb als Gastgeber und beobachtet die geladenen Spaßmacher, wie sie Spaß machen. Sie dürfen ihre Gegenüber zum Gackern bringen, aber nicht sich selbst. 40 Kameras kontrollieren das. Alle Comedians mussten vorher einen negativen Corona-Test vorlegen, um gemeinsam arbeiten zu dürfen.
Herbig sitzt nebenan in einem Kontrollraum mit einer Wand voller Monitore und hat richtig Spaß, wenn er seinen Gästen in der Juxbox zusieht. „Ich habe Tränen gelacht und sah teilweise aus wie ein Monster, mein Kopf war knallrot. Denn Menschen, die nicht lachen dürfen, machen unheimlich lustige Gesichter“, sagt er. Die Show ist eine Art Promi-Big-Brother für Scherzkekse, aber wesentlich unterhaltsamer als eine RTL-II-Versammlung von halbseidenen Halbstarken, die sich mit Damen im Bikini stundenlang über deren Brustvergrößerung unterhalten.
Das komische Format stammt ursprünglich aus Japan, wo Hitoshi Matsumoto 2016 unter dem Titel „Documental“ aus dem kalkulierten Lachverbot eine Scherzsendung entwickelte. Für Deutschland adaptierte Constantin Entertainment das Original für den Streaminganbieter Amazon. Lizenzproduktionen brachten bereits in Australien, Spanien und Mexiko das Publikum vor der Mattscheibe zum Feixen. Wie schon beim internationalen Erfolg „Perfetti Sconosciuti“, der als „Das perfekte Geheimnis“ in deutschen Kinos lief, heißt hier das Quotengeheimnis: Gut kopiert ist besser als selbst schlecht kreiert. Doch die Japaner wären eigentlich nicht nötig gewesen, um auf die Idee mit dem unterdrückten Lachreiz zu kommen.
Abgesehen davon, dass schon bei Kindergeburtstagen das Spiel immer wieder für Heiterkeit sorgt, verarbeiteten auch Literaten mehrfach das Thema. So ließ beispielsweise Gottfried Keller bereits 1874 in seinem Novellenzyklus „Die Leute von Seldwyla“ die heitere Seite des Lebens verschwinden. Ein Paar verliert in der Ehe das Lachen. Erst als es die Liebe wieder findet, kommt es zurück. Autor James Krüss erzählt in seinem 1962 erschienenen Roman „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ von einem Waisenjungen, der sich von dem teuflischen Baron Lefuet gegen die verlockende Fähigkeit, jede Wette zu gewinnen, per Vertrag sein Lachen abkaufen lässt. Vorbild ist ein Junge, der in Leipzig gelebt haben soll. Natürlich bemerkte der eines Tages, dass ohne den natürlichen Reflex des Menschen das Leben trotz regelmäßiger Gewinne öde, freudlos und einsam verläuft. Der 1902 in Görlitz geborene Kabarettist und Schriftsteller Werner Fink bemerkte in den politisch aufgeheizten 1930-Jahren: „An dem Punkt, wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor.“

In der Comedyshow „LOL: Last One Laughing“ dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer lustvoll beobachten, wie die Lach-Prohibition zum großen Vergnügen wird. Torsten Sträter liefert erwartungsgemäß Wortwitz, Mirco Nontschew Slapstick mit Geräuschkulisse. Das überrascht nicht sonderlich. Aber wenn Carolin Kebekus versucht, im konzertanten Solo Schließmuskeltöne zu imitieren, Teddy Tedros Teclebrhan seinen Plüschhamster anranzt, er solle jetzt mal „die Pfresse“ halten oder Max Giermann sich erst den Schädel rasiert und dann Hokuspokus-Humbug zelebriert, ahnt das Publikum, wo bei den Comedians der Kasper hängt.
Das Bedürfnis, den Irrsinn sofort abzuschalten, weicht nach ein paar Minuten dem dringenden Wunsch, unbedingt hinzusehen. Denn die anderen da in der Lachverbotszone rutschen Sessel herunter, fügen sich mit Schlägen auf Schenkel Schmerzen zu, verstecken sich hinter Grünpflanzen, zappeln auf Stühlen herum, hampeln über den Teppich, kauen pausenlos irgendwelche Kekse, trinken Saft, wälzen sich auf dem Fußboden oder starren an die Decke wie Hans Guck-in-die-Luft. All diesen Blödsinn betreiben sie nur, um zu verhindern, dass Kontrollfreak Bully sie beim Mundwinkelzucken erwischt.
Der inszenierte Schabernack erinnert an ein Psycho-Experiment, dessen Ausgang selbst die gagerfahrenen Humorarbeiter zu überraschen scheint. In den Pausen, die immer dann ausgerufen werden, wenn einer das Schmunzeln nicht lassen kann, versichern sie sich gegenseitig, wie schwer es sei, nicht lachen zu dürfen. Und dann lachen sie ungehemmt. Das wirkt befreiend. Ein Haha-Effekt, der endlich auch außerhalb einer verschlossenen Juxbox möglich sein muss. Wie sagte Werner Fink: „Wer lachen kann, dort wo er hätte heulen können, bekommt wieder Lust zum Leben.“