Es muss nicht immer Rundfunkgebühr sein

Von André Anwar, Annette Birschel, Julia Naue, Dominik Straub, Steffen Trumpf und Jochen Wittmann
Großbritannien: Die BBC vor dem radikalen Umbau
„Tantchen“ wird sie liebevoll von den Briten genannt: die gute alte BBC. Sie darf sich zu Recht rühmen, die angesehenste Rundfunkanstalt des Planeten zu sein, ist doch das 1922 gegründete Unternehmen der älteste und größte öffentliche Sender, der weltweit zum Vorbild für öffentlich-rechtliche Anstalten wurde. Jetzt sieht sich die „Beeb“, wie sie auch genannt wird, der größten Herausforderung ihrer Geschichte gegenüber. Denn Boris Johnson will die BBC umbauen.
„Wenn wir die Beeb nicht ändern können“, schrieb der Premierminister schon 2012, „dann können wir das Land nicht ändern.“ Tatsächlich betrachten die meisten Politiker der Konservativen Partei die BBC als eine Bastion des liberalen Establishments. Manche reden gar von „Kulturmarxismus“. Vor einem Jahr sickerten Details über die amtlichen Pläne an die Sunday Times durch.
Zunächst soll das Bezahlmodell geändert werden. Bisher kann die BBC über ein Jahresbudget von umgerechnet 5,75 Milliarden Euro verfügen. Finanziert wird das über eine Rundfunkgebühr von umgerechnet rund 180 Euro im Jahr. Das wird in der Bevölkerung allgemein akzeptiert. Die Regierung will sie durch ein Abonnementmodell ersetzen. Das würde, wie die BBC befürchtet, zu einem beträchtlichen Einkommensverlust führen.
Die radikalsten Änderungen beträfen die Reichweite. Laut Studien nutzen 96 Prozent der Briten pro Woche mindestens ein Angebot des Senders, ob Radio, TV oder Online. Die Anstalt betreibt 61 Radiostationen, viele davon regional, zehn nationale Fernsehkanäle und eine umfangreiche, weltweit genutzte Webseite. „All das“, so die Quelle der Sunday Times, müsse „massiv beschnitten werden“.

Italien: RAI-Gebühr per Stromrechnung
Unter den vielen unbeliebten Steuern in Italien ist der „Canone RAI“, die Gebühr für den Staatssender, mit Sicherheit die verhassteste. Und das, obwohl der Beitrag im internationalen Vergleich eher gering ist: Er liegt bei 90 Euro pro Jahr. Früher hatte etwa jeder dritte Italiener die Gebühr schon gar nicht bezahlt – bis der damalige Regierungschef Matteo Renzi im Jahr 2015 eine List ersann: Seither wird der „Canone RAI“ in Raten auf die Stromrechnungen draufgeschlagen. Nun kann sich niemand mehr drücken.
Im Jahr 2019 versuchte die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die ungeliebte Gebühr mit einem neuen Gesetz abzuschaffen. Im Gegenzug sollten die Beschränkungen der Werbezeit, denen der Staatssender unterliegt, gelockert und den weniger strengen der Privatsender angeglichen werden. Die RAI-Führung protestierte, der „Service Public“ wäre auf diese Weise nicht mehr finanzierbar. So blieb das Gesetz bis heute in der Schublade.
In der öffentlichen Diskussion geht es aber vor allem um politische Interessenkonflikte: 1994 trat der Privat-TV-Tycoon Silvio Berlusconi in die Politik ein, und Italien erhielt einen Regierungschef, dem alle drei damaligen Privatsender gehörten. Berlusconis Mediaset-Sender waren jahrzehntelang eine hocheffiziente Propaganda-Plattform gewesen. Letztlich waren alle Versuche gescheitert, die Medienmacht Berlusconis zu beschneiden oder zu regulieren.
Mehr noch: Weil die Regierungsparteien auch die Konzernleitung und die Chefredakteure des Staatssenders RAI bestimmen können, wurden während einiger Jahre auch praktisch alle TV-Sender Italiens gleichgeschaltet. Das einzige Reservat, das Berlusconi der linken Opposition überließ, war der kleinste Staatssender, RAI 3. Aber selbst der dritte Kanal wurde von Berlusconi und seinen parlamentarischen Handlangern schikaniert und als „TV Kabul“ verspottet.

Dänemark und Schweden: Rundfunk jetzt aus Steuermitteln
Schwedens öffentlich-rechtliche Sender genießen einen guten Ruf quer durch das Parteienspektrum. Anders ist es in Dänemark, wo eine Rechtsregierung versuchte, die Öffentlich-Rechtlichen kaputtzusparen, weil deren Berichterstattung als „linkslastig“ gilt. Das schwedische Abgabensystem wurde 2019 von einer Linksregierung reformiert. Bis dahin musste jeder Haushalt mit TV- oder Radiogerät umgerechnet 240 Euro im Jahr zahlen. Viele taten so, als ob sie keine Geräte hätten. Das Amt schickte Kontrolleure. Dennoch stieg die Zahl der Nichtbezahler so bedenklich, dass Steuermittel das Minus der Sender ausgleichen mussten. Ab 2019 wurde eine sozial ausgewogenere, für alle Schweden geltende einkommensabhängige Steuer mit maximal 130 Euro pro Jahr eingeführt. Wer unter 1.350 Euro im Monat verdient, zahlt nichts.
Auch Dänemark hat in den letzten Jahren schrittweise umgestellt, von Beiträgen hin zu einer Finanzierung aus der Staatskasse: Ab 2022 soll der öffentliche Rundfunk dann komplett steuerfinanziert sein.
Niederlande: Sender als Vereine
In den Niederlanden gibt es keine Rundfunkbeiträge. Das Ministerium für Medien finanziert alle öffentlichen Sender. Die Sender sind wie Vereine organisiert und repräsentieren jeweils eine bestimmte ideologische, religiöse oder gesellschaftliche Strömung. Die meisten von ihnen haben noch zusätzliche Einnahmen aus Reklame oder Mitgliedsbeiträgen. Diese freiwilligen Beiträge liegen meist unter zehn Euro im Jahr. Dieses Jahr tritt ein neues Mediengesetz in Kraft, danach wird die Reklame in Radio und TV um die Hälfte reduziert.
Frankreich: Gebühren und Gelbwesten
Rundfunkgebühren fallen in Frankreich für Fernsehgeräte an. Das Ganze wird einmal im Jahr zusammen mit der Wohnsteuer berechnet. Aktuell sind es 138 Euro pro Steuerhaushalt. Die Gebühr, Haupteinnahmequelle für France Télévisions und Radio France, wird immer wieder in Frage gestellt. Zuletzt schlug der für Finanzen zuständige Minister ihre Abschaffung im Zuge der Proteste der „Gelbwesten“-Bewegung vor – ohne Erfolg. Da die Wohnsteuer demnächst in Frankreich abgeschafft werden soll, wird auch eine Reform der Rundfunkgebühr notwendig. (mit dpa)