Feuilleton
Merken

So schrill kann öffentlich-rechtliche Kultur sein

Die neue Online-Plattform "ARD Kultur" ist vor allem für jüngeres Publikum gemacht. Bei dem ambitionierten Projekt ist der MDR federführend.

Von Bernd Klempnow & Marcus Thielking
 3 Min.
Teilen
Folgen
Interessiert laut MDR-Verantwortlichen die 30- bis 50-Jährigen: Model und Sängerin Tanya Chudnovskaia (25) während eines Studiodrehs fürs Magazin „Offline“.
Interessiert laut MDR-Verantwortlichen die 30- bis 50-Jährigen: Model und Sängerin Tanya Chudnovskaia (25) während eines Studiodrehs fürs Magazin „Offline“. © MDR

Bunt, lebendig, jung, dynamisch, schrill – so kommt die neue Online-Plattform „ARD Kultur“ daher, die am Mittwoch an den Start gegangen ist. Zu den ersten Themen, die hier präsentiert werden, gehören eine Doku-Reihe über Techno-Musik in Deutschland, die MDR-Serie „Straight Outta Crostwitz“, in der eine junge Sorbin Karriere als Gangster-Rapperin machen will, sowie die Mode-Reihe „Beyond Fashion“. In der ersten Folge geht es um „genderfluide Mode“, in der Geschlechterunterschiede aufgelöst werden.

Die Webseite ist garniert mit vielen englischen Begriffen – „Highlights“, „Hotspots“, „Community“, „True-Crime-Podcast“, die Moderatoren werden „Hosts“ genannt. Anmutung und Themenauswahl richten sich also zunächst gezielt an jüngeres Publikum, auch wenn MDR-Intendantin Karola Wille gerade im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betont hat, das Angebot von "ARD Kultur" richte sich an alle Altersgruppen, generationsübergreifend.

Wer hier jedoch etwa so etwas wie eine kompakte Übersicht über die besten Konzert-Aufnahmen oder andere klassische Kultur-Formate erwartet, wird schwer fündig werden. Im Vergleich dazu wirken die Mediatheken von Arte und 3sat, auf denen schon seit langem öffentlich-rechtliche Kultursendungen dargeboten werden, anspruchsvoller und gewichtiger. Die meisten Angebote von "ARD Kultur" fand man bislang auch schon in der ARD-Mediathek, allerdings nicht so gebündelt und nach Themen gegliedert.

Kultur für alle aus Weimar

Die Redaktion, die das neue digitale Kulturportal verantwortet, sitzt in Weimar. Ursprünglich sollte das zwölfköpfige Team in Halle arbeiten, von wo aus der MDR seit diesem Jahr das ARD-Kulturangebot koordiniert. Doch nach der Ablehnung der Erhöhung der Rundfunkbeiträge durch den Landtag von Sachsen-Anhalt kürten die ARD-Intendanten demonstrativ die Stadt in Thüringen.

Die Federführung des Projekts liegt beim MDR. Knapp fünf Millionen Euro plant die ARD für Mitarbeitergehälter, Raummieten und eigene Produktionen ein. MDR-Intendantin Wille sagt, man nutze das Programmvermögen aller neun Landesrundfunkanstalten. Neben den wenigen Neuproduktionen werden vorhandene Inhalte im Portal gebündelt und auch die Angebote aus der Audiothek und Mediathek genutzt.

Kooperation von ARD und ZDF?

Die neuen digitalen Angebote sollen nicht zu einer Verringerung der linearen Kulturberichterstattung führen, heißt es. Für "ARD Kultur" sind 25 Neuproduktionen und Koproduktionen pro Jahr geplant. Freilich sollen diese auf Menschen zwischen 30 bis 50 ausgerichtet sein – die bislang zu wenig erreicht worden seien, betont Karola Wille. Der Medienstaatsvertrag definiert die Inhalte: Berichtet wird über Bühnenstücke, Musik, Fernsehspiele, Fernsehfilme, Hörspiele, bildende Kunst, Architektur, Philosophie, Religion, Literatur und Kino.

Drei Jahre nach dem ZDF beginnt nun die ARD diese digitale Arbeit. Der ursprünglichen Idee eines gemeinsamen Kulturportals hatte der ZDF-Fernsehrat eine Absage erteilt. Dennoch, so ist Wille zuversichtlich, benötige man eine „leistungsstarke gemeinsame technologische Infrastruktur, auf deren Basis sich unterschiedliche Zugänge für die Nutzer ergeben“. Daraus könne irgendwann ein gemeinsames Kulturportal des Ersten mit dem Zweiten werden.