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Sorbische "Astronauten" auf TV-Kurs

Die Band Skupina Astronawt will mit einem Fernsehauftritt zum Botschafter der sorbischen Minderheit werden.

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Sorbische Musik ist viel mehr als Folklore: Die Mitglieder der Band Skupina Astronawt.
Sorbische Musik ist viel mehr als Folklore: Die Mitglieder der Band Skupina Astronawt. © Skupina Astronawt/dpa

Dresden/Bautzen. Ein bisschen Lampenfieber läuft mit. Matej Zieschwauk eilt über den Hinterhof zu den Dresdener "Ballroom Studios". An diesem Nachmittag sollen noch die Backgroundstimmen für einen Titel seiner Band Skupina Astronawt (Gruppe Astronaut) aufgenommen werden. Nur ein gutes Jahr nach ihrer Gründung haben die sorbischen Musiker am 25. September einen großen Auftritt. In der ZDF-Show "Das große Deutschland-Quiz" erklingt dann ihr "Hory módre", ein Lied über die "Blauen Berge" der Oberlausitz.

In den "Ballroom Studios" bei Johannes Gerstengarbe herrscht zum Aufnahmetag Hochbetrieb. Die sorbische Band Holaski verabschiedet sich. Die Musiker kennen sich, tauschen sich kurz aus. Mit dem Gruß "Bo?emje" ziehen sie ihrer Wege.

Nun singen sich Thea Zschorlich und Sophie Heiduschka warm. Ihren Stimmen werden gebraucht. Auch die zwei anderen "Astronauten" Jurij Hantusch und Oliver Wilhelm Böhm sind da. Das Lied soll pünktlich zur Show auf den Streaming-Plattformen sein.

Beispiele wie Skupina Astronawt und Holaski zeigen: Sorbische Musik ist mehr als Folklore. "Es gibt vom Rap über Pop, Rock, Liedermacher, Folk, Blues - alles auf Sorbisch", sagt Jan Budar, Direktor der Stiftung für das sorbische Volk. In deren Etat befindet sich ein wenig Geld für Band-Videoproduktionen. "Unsere Erfahrung aber ist, dass die jungen Musiker inzwischen einfach losmachen. Die Möglichkeiten der Produktion von Liedern und Videos ist in den letzten Jahren so viel einfacher geworden." So erklärt er sich unter anderem den neuen Schwung auf dem sorbischen Musikmarkt.

Die Sorben sind in Deutschland eine anerkannte nationale Minderheit und leben überwiegend im Osten Sachsens und im Süden Brandenburgs. Die gut 60.000 Sorben/Wenden in Deutschland kämpfen wie viele andere kleine Völker um den Erhalt ihrer bedrohten Muttersprache.

Wer sorbische Musik hören will, muss nach Brankatschki, Nimo, Sorbian Art Trio, SerBeat oder Lil Handrij suchen. Letzterer gehört zu einem sorbischen Kollektiv, das über das Leben sorbischer Jugendlicher rappt.

Außerdem gibt es Kolektiw Klanki. Dahinter stehen fünf junge Frauen mit sorbischen Wurzeln. Ihre provokanten Texte hinterfragen traditionell-konservative Werte und sorbische Traditionen, wie das männlich dominierte Osterreiten. Ihre erste Single sorgte im vergangenen Jahr in der überwiegend sorbisch-katholischen Gemeinschaft für Gesprächsstoff.

Im Dresdner Tonstudio geben unterdessen an diesen Aufnahmetag die Sängerinnen den Ton an. Zschorlich, frisch gebackene Mutter und Lehramtsstudentin für die Fächer Sorbisch und Sport an der Uni Leipzig, steht als Erste hinter dem Mikrofon bei Wohnzimmeratmosphäre. Gerstengarbe hat Kerzen angezündet. Seit 20 Jahren produziert der Vollblut-Musiker hier lokale wie überregionale Künstler. Der Produzent schiebt die Regler: "Aufnahme läuft", sagt er.

Blick in die Dresdner Ballroom Studios: Sophie Heiduschka beim Einsingen der Backgrounds für den Titel "Hory modre" der Band Skupina Astronawt.
Blick in die Dresdner Ballroom Studios: Sophie Heiduschka beim Einsingen der Backgrounds für den Titel "Hory modre" der Band Skupina Astronawt. © dpa/Miriam Schönbach

Für den zweiten Versuch bekommt die Sängerin einen Tipp. "Mach mal eher Rockstar als Kirchenchor", rät der Profi. Nach 30 Minuten sind die ersten Vocals im Kasten. Heiduschka hält sich für den zweiten Chorus bereit. "Sei nicht so lieb beim Singen", fordert Gerstengarbe.

Nach einer weiteren halben Stunde sind alle glücklich. Jetzt soll nur noch das Video entstehen. Nebenbei müssen allerdings Arbeit und Studium weitergehen. "Ein schönes Nebenprodukt an unserem Projekt ist vor allem der Spaß", sind sich die Musiker einig.

Die jüngsten Entwicklungen der modernen sorbischen Musik verfolgt Mercin Weclich. Seit 50 Jahren ist der Panschwitzer als Sänger, Musiker, Komponist und Entwickler junger Talente für die Bühne unterwegs. Über 600 eigene Produktionen stehen in seiner Hitliste - vom Kinderlied bis zum Oratorium.

Beim Sorbischen Rundfunk vom MDR gehören seine Titel zu den meistgespielten Songs. "Ich freue mich unheimlich über diesen Nachwuchs. Er ist die Ernte der guten Chorarbeit, wie dem Sorbischen Schulzentrum in Bautzen, und an den Musikschulen", sagt der 63-Jährige.

Weclich ist kein Unbekannter bei "Ballroom Studios". Schon oft hat er mit Gerstengarbe an neuen Projekten getüftelt. Aktuell hat er einen Termin mit seinem sorbischen Oktett in Dresden, um drei Titel mit der Banda Communale aufzunehmen. "Ich wünsche, dass unser Nachwuchs nun mehr Aufmerksamkeit bekommt. Viele der jungen Musiker begeistern wieder andere, die Sprache entwickelt sich. Ich bin froh, über alle, die für ihre Musik brennen" - eben so wie die "Astronauten".

Die sorbischen "Astronauten" wollen mit ihrem Auftritt im ZDF für Aufmerksamkeit auch außerhalb der Lausitz sorgen. Nach ihrem Song wollen sie eine Frage stellen: "Die Band Skupina Astronawt stammt aus der Oberlausitz und singt in ihrer Muttersprache...?" Dazu gibt es drei Antwortmöglichkeiten für Wigald Boning, Oliver Wnuk, Christian Tramitz und Henning Baum. Produziert wurde die Sendung Anfang August.

Und wie geht es mit den Pop-Botschaftern für die sorbische Lausitz weiter? "Wir planen keine Livekonzerte, wollen als digitales Bandprojekt aber weitere Lieder produzieren und sie in den Sozialen Medien über Ländergrenzen hinweg pushen", sagt Zieschwauck.

Für die ersten produzierten "Astronawt"-Titel gab es auf Youtube inzwischen Tausende Klicks, darunter viele aus Tschechien und Polen. Ein Nutzer aus Russland schrieb unter eine Veröffentlichung. "Ich werde jetzt Sorbisch lernen." Produzent Gerstengarbe ist sich sicher: "Der Song "Hory módre" hat Hit-Potenzial." (dpa)