Die Herren Leitmayr und Batic von der Münchner "Tatort"-Mordkommission durften in ihrer langen Dienstzeit schon einiges in teils verwegen gestrickten Plots ausprobieren, selbst ein Ausflug ins Kloster war für sie bereits drin. Im 88. Fall müssen sie nun mit ihrer Arbeit 35 Jahre zurückgehen, um einen scheinbar längst gesühnten Mord doch noch aufzuklären.
So wie der Zuschauer wird dabei auch der angesehene Neuropsychologe Professor Ralph Vonderheiden (André Jung) an der Nase herumgeführt. Den spannen die Ermittler für ein Experiment in historischer Umgebung ein, um dem dementen Therapeuten Norbert Prinz Erinnerungen an seinen Ex-Patienten Alois Meininger zu entlocken. Der hatte einst seine Wahnvorstellungen so bildhaft beschrieben, dass er letztlich für einen Mord nach genau diesem Muster zu 30 Jahren Haft plus Sicherheitsverwahrung verurteilt worden war. Kaum kommt er frei, geschieht ein weiterer Mord und Meininger ist plötzlich unauffindbar. Tatsächlich? Gab es überhaupt einen neuerlichen Mord?
Fakt ist: Drei Männer mit grundverschiedenen psychischen Problemen beschäftigen Leitmayr und Batic, die diesmal nahezu allein agieren. Aus diesem irren Mix aus Wahn, Demenz und einer sehr speziellen Amnesie zieht der Film seine Spannung, die eher untergründig an den Nerven zieht, als dass sie durch plakative Szenen aufgebaut würde.
Fähige Schauspieler und originelle Twists
Einmal mehr zeigt sich gerade bei einem "Tatort", wie zielführend Reduktion sein kann. Eine überschaubare Anzahl von Charakteren, alle mit fähigen Schauspielern besetzt, sind mehr als die halbe Miete. Vor allem dann, wenn die Story zudem ein paar originelle Twists bietet. Ein gestandener Experte wie Andreas Kleinert, Ende der 80er-Jahre an der Babelsberger Filmhochschule ausgebildet und inzwischen dort Filmregie-Professor, braucht keinen zusätzlichen Schnickschnack. Ohne jede Profilierungsabsicht vertraut er Figuren und Handlung. Eine Wohltat.
Ein Extra-Bienchen hat sich unbedingt Martin Leutgeb verdient. Der Mann aus Tirol lässt den vermeintlich zweifachen Frauenmörder Alois Meininger sowohl sinistren Psychopathen als auch armes Würstchen sein, so abstoßend wie bedauernswert und verwirrend normal. Um ihn am Ende ganz still in ein völlig neues Leben gehen zu lassen. Große Schauspielkunst!