Feuilleton
Merken

Ein perfider Pharma-Mord

Der neue Tatort aus Franken glänzt mit brillantem Spiel - und fällt minutenlang in Schockstarre.

Von Rainer Kasselt
 2 Min.
Teilen
Folgen
Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) befragen die Empfangschefin im Hotel. Die ist eine harte Nuss.
Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) befragen die Empfangschefin im Hotel. Die ist eine harte Nuss. © Hagen Keller/BR/Hager Moss Film/ARD/dpa

Kommissar Felix Voss ist fassungslos. Abscheulich genug, dass der Mörder seinem Opfer die Kehle durchgeschnitten hat. Aber warum tritt er dem Toten bestialisch ins Gesicht? Der sonst so ironische und besonnene Kommissar rastet aus, beleidigt Kollegen, bedrängt Zeugen, drängt zur Eile. Als Voss endlich dem vermeintlichen Täter, einem Obdachlosen, gegenübersitzt, stößt er ihm im Verhör den rechten Zeigefinger fast ins Gesicht. Am liebsten würde er ihm wohl den Hals umdrehen.

In ihrem zehnten Franken-Tatort „Warum“ kommen Voss und Kommissarin Paula Ringelhahn lange nicht voran. Der junge IT-Spezialist Lukas Keller wurde ermordet. Kellers Eltern und seine alleinerziehende Freundin schweigen, stehen unter Schockstarre. Die Eltern, seit vielen Jahren getrennt, kommen sich wieder näher und ermitteln auf eigene Faust. Ihre Verzweiflung über den Tod des geliebten Sohnes prägt den Krimi, macht ihn zum bewegenden Drama. Unfassbar gut das sensible, beinahe gelähmte Spiel von Valentina Sauca und Karl Markovics. Lukas Keller hatte herausgefunden, dass ein bulgarischer Pharmakonzern und eine abgebrühte Nürnberger Firma gefälschte Medikamente mit Riesengewinn in Afrika verkaufen. Deshalb musste er sterben.

Als Kommissar Voss begreift, dass der Obdachlose zwar einen anderen Menschen, aber nicht den jungen Mann ermordet hat und im Gefängnis Freitod begeht, wirft er sich totales Versagen vor und will hinschmeißen. Doch Paula Ringelhahn reißt ihn aus seiner Depression, umarmt ihn, bittet ihn weiterzumachen. Eine wunderbare Szene. Dieses Duo, leidenschaftlich, feinsinnig und hinreißend gespielt von Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs, ist ein Glücksfall für den Tatort.

Gleiches gilt für den vielfach preisgekrönten Autorenfilmer Max Färberböck. Er legt mit „Warum“ einen kammerspielartigen und ästhetisch anspruchsvollen Film vor. Mit psychologischer Tiefe, pointierten Dialogen, faszinierender Kamera, raschen Schnitten, einem furiosen Finale. Bei aller Schwere der Geschichte geht dem Regisseur die Leichtigkeit nicht verloren. Lachen öffnet die Köpfe, sagt Dario Fo. Daran hält sich Färberböck, von dem die Idee für die Besetzung der Ermittler mit Manzel und Hinrichs stammt. Er inszenierte 2015 deren ersten Tatort „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“. Klar, dass er bei der zehnten Episode nicht fehlen wollte. Dieser Jubiläumskrimi ist ein heißer Favorit für den begehrten Grimme-Preis.