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Warum erscheinen einige Ostdeutsche so russlandfreundlich?

Warum scheinen einige Menschen in Ostdeutschland besonders russlandfreundlich zu sein? Die Reportage "Russland, Putin und wir Ostdeutsche" sucht am Montagabend in der ARD nach Erklärungen.

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ARD-Journalistin und Moderatorin Jessy Wellmer (l) im Gespräch mit ihren Eltern für die ARD-Reportage "Russland, Putin und wir Ostdeutsche".
ARD-Journalistin und Moderatorin Jessy Wellmer (l) im Gespräch mit ihren Eltern für die ARD-Reportage "Russland, Putin und wir Ostdeutsche". © Jan Müller/rbb/ARD/dpa

Jessy Wellmer ist aus der "Sportschau" bekannt, aber diesmal hat die Fernsehjournalistin ein anderes Thema. "Was ist los in meiner Heimat?", fragt die 1979 in Güstrow geborene Reporterin. Sie meint die Wahrnehmung, dass viele Ostdeutsche trotz des Ukraine-Kriegs Sympathien für Russland zu haben scheinen, anders als viele Westdeutsche. Aber ist das überhaupt so? Und wenn ja, warum?

"Ich begebe mich in diesem Film auf eine Reise, um zu verstehen, warum viele Menschen im Osten sich Russland offenbar noch immer so nah fühlen", sagt Wellmer in der ARD-Reportage "Russland, Putin und wir Ostdeutsche", die am Montag (20.15 Uhr) im Ersten kommt.

Sie legt das sehr persönlich an, interviewt ihre Eltern und eine Bekannte in Güstrow, aber auch den Linken Gregor Gysi und den Silly-Gitarristen Uwe Hassbecker, eine Historikerin und einen früheren NVA-Offizier. Am Ende steht die Erkenntnis: Ja, da ist oft ein anderer Blick auf die Welt - und er ist erklärbar.

Wer im Westen aufgewachsen ist, als es noch Westen und Osten gab, der wusste: Die Amerikaner und die Nato, das ist unsere Seite, im Guten wie im Schlechten. In der DDR waren es die Sowjetunion und die Russen - als Besatzer, als Förderer, als militärische Schutzmacht, nicht immer gemocht, aber vertraut, manchmal befreundet. Dann kam die Berliner Republik und übernahm die Bonner Sicht, real mit der Mitgliedschaft in Nato und Europäischer Union, aber auch medial. Mit dem geopolitischen Bruch blieben viele Ostdeutsche alleine.

Der Ukraine-Krieg kam für viele als Schock

"Es ist so, dass du das nicht einfach ablegen kannst, wie einen alten Mantel, der dir nicht mehr passt", sagt Irene Odzuck in Wellmers Film, eine Dame über 80 aus ihrem Bekanntenkreis. Sie meint das jahrzehntelang in der DDR vermittelte positive Bild der Sowjetunion. Wellmer versucht, das mit einer Umfrage dingfest zu machen. Eine Frage lautete: Fühlen Sie sich mit Blick auf Kultur, Mentalität und Geschichte eher zu Russland oder zu den USA hingezogen? 25 Prozent im Osten nannten Russland, aber nur 7 Prozent im Westen.

Der Ukraine-Krieg kam für viele als Schock und stellte Sympathien infrage, aber die Welt wurde damit noch verwirrender. "Das war ein richtiger Bruch für mich, ich habe es auch nicht geglaubt", bekennt Gysi im Film. "Du willst doch nicht Unrecht gehabt haben, also suchst du dir immer Erklärungen: Ach, was hat der Westen alles Schlimmes und Falsches gemacht, was den Putin dazu gedrängt hat."

Gysi spricht da eher nicht von sich selbst, aber die Meinung findet Wellmer prompt auf einer der vielen Demonstrationen im Osten. "Wenn die USA sich nicht eingemischt hätten in der Ukraine, dann wäre das so weit gar nicht gekommen, das ist meine Meinung", sagt eine Teilnehmerin. Sie sagt auch, sie habe den Eindruck, "dass unsere Regierung dieses Land an die Amerikaner verkauft. Ich komme mir vor, als wollten die den 51. Staat aus uns machen."

An dieser wie auch an einigen anderen Stellen des Films stößt übrigens auch Wellmer als Medienvertreterin auf Ablehnung. Aber wie sagte sie zu Beginn? "Und um es klar zu sagen: Ich möchte niemanden verurteilen. Ich werde Fragen stellen und zuhören." (dpa)