Eine lange Eisenleiter führt hinab zu den beiden Kommissaren. Viola Delbrück und Burkhard „Butsch“ Schulz stehen in einem riesigen Kessel einer alten Hefefabrik. Der ist leer, jetzt. Zuvor lag dort im Kessel eine Leiche. In dem Moment, in dem sie entscheiden, wieder nach oben zu klettern, schließt jemand die Luke. „Kein Entkommen“, so heißt der siebte Teil der Krimiserie „Wolfsland“, die in Görlitz gedreht wird. Am heutigen Donnerstag wird der Film ausgestrahlt im Ersten.
Alles echt: Görlitz als dritter Hauptdarsteller
Der Kessel im Film war früher wirklich ein Kessel und die ehemalige Hefefabrik wirklich eine Hefefabrik – das heutige Rabryka-Gelände in der Innenstadt West. Einige, die sich bei der Rabryka engagieren, haben sogar schon bei „Wolfsland“ als Komparsen mitgespielt, erzählt Vereinschef Christian Thomas.

Nicht nur für Görlitzer Komparsen bedeutet „Wolfsland“ viel. 2015 fiel zum ersten Mal die Klappe für die damals neue Krimiserie mit Yvonne Catterfeld und Götz Schubert. Was für Weimar und Dresden der „Tatort“ ist, ist seither für Görlitz „Wolfsland“. Nicht nur in der Stadt, auch im Umland fanden sich schon eine Menge Drehorte – in den Königshainer Bergen, im Kloster St. Marienthal, am Berzdorfer See.
Auch wirtschaftlich hilft „Wolfsland“ der Stadt. Schließlich ist das Filmteam jedes Jahr über mehrere Monate da: Es hat sich inzwischen so eingepegelt, dass jährlich zwei Folgen gedreht werden. Viele Mitglieder der Crew wohnen währenddessen zum Beispiel im Parkhotel Görlitz. Laut SZ-Informationen sind die Drehs auch schon für nächstes Jahr vereinbart. Dieses Jahr ist nun bereits Jubiläum: Kürzlich fiel die letzte Klappe für Teil zehn. Und trotzdem ist das Interesse geblieben. Was man zum Beispiel an den Schnappschüssen von Görlitzern vom Drehgeschehen in den sozialen Netzwerken sieht – wenn etwa gerade vor der Haustür eine Szene spielt. Diese Fotos sind regelrecht Trophäen der Görlitzer.
Yvonne Catterfeld dreht gerne in Görlitz
Auch Yvonne Catterfeld kommt nach wie vor gerne nach Görlitz, erzählte sie jetzt der dpa. Seit ihr Sohn, heute sechs Jahre alt, laufen kann, drehe sie in Görlitz. „Er war in der Vorschulzeit immer mit, wir haben viel erkundet.“ Inzwischen fahre sie nach der Arbeit bald wieder nach Hause, Görlitz bleibe dennoch ein Wohlfühlort, der sie mit seiner Gemütlichkeit und Architektur an ihre Heimat Erfurt erinnere.
An ihrer Arbeit bei „Wolfsland“ schätze sie vor allem die Vielschichtigkeit der Charaktere. Die „Wolfsland“-Autoren sind Sönke Lars Neuwöhner und Sven Poser. „Wir dürfen oft in Violas Abgründe hineinschauen oder erahnen sie nur hinter ihrer Fassade, die sie als toughe Ermittlerin erscheinen lässt“, so Catterfeld. Ihr gefalle auch, dass die Fälle immer häufiger in Richtung Psychothriller gehen. Andererseits überlege sie manchmal: „Wie lange machst Du das noch?“ Ein Gedanke, der aber spätestens am Set verfliege: „Ich merke jedes Mal, wenn ich zum Dreh komme, wie schön es ist, die anderen vom Team zu treffen. Ich mag es, wenn man so ein Gefühl vom Sich-fallenlassen hat und man alle kennt.“
Aber dieses Jahr waren die Drehs auch eine Herausforderung. Die Film- und Fernsehbranche gehört zu denen, die die Coronakrise am meisten betrifft – nicht nur vor der Kamera, sondern auch am Set, bei der Drehort- und Komparsensuche zum Beispiel. Ob es dieses Jahr mit den geplanten Drehs klappen würde, war lange nicht klar. Aber im Sommer wurde der neunte Teil unter dem Arbeitstitel „Böses Blut“ gedreht, die letzte Klappe fiel Ende September. Kurz darauf begannen die Arbeiten für den zehnten Teil, „Die traurigen Schwestern“.

Die Dreharbeiten seien gut verlaufen, erzählt Gitta Deutz von der gleichnamigen Presseagentur, „wir sind zufrieden und es war wieder schön, in Görlitz und Umgebung zu sein und zu drehen“, sagt sie. „Wir haben uns auch dieses Mal strikt an die Hygienevorschriften gehalten, die für Dreharbeiten unter Covid-19-Bedingungen vorliegen.“ Das bedeutet insgesamt mehr Aufwand, erklärt Gitta Deutz, „insofern war jeder Drehtag eine Herausforderung, aber alle Crewmitglieder hielten sich konsequent daran, weil die Auflagen sinnvoll sind und um die Dreharbeiten und alle Beteiligten nicht zu gefährden.“
Diesmal keine Vorab-Premiere
Am heutigen und dem kommenden Donnerstag geht es erst mal zurück in die Zeit vor der Coronakrise: Folge sieben, „Kein Entkommen“, entstand voriges Jahr: Eine junge Frau, Sandra, hat einst Kommissar „Butsch“ geholfen, dessen Erzfeind Goran Tonka festzunehmen. Seither fühlt er sich für die ehemalige Prostituierte verantwortlich. Nun wird deren Mitbewohnerin, bekleidet mit Sandras Jacke, tot aufgefunden – in der alten Hefefabrik.

Vor der Kamera standen wieder Yvonne Catterfeld und Götz Schubert als die beiden Kommissare, Jan Dose als Spurensicherer Jakob Böhme, Stephan Grossmann als Dienststellenleiter Tobias Grimm, Tijan Marei als Sandra, weiter Hermann Beyer, Katrin Wichmann oder auch Monika Lennartz, die schon für zahlreiche Filme, darunter mehrere „Tatorte“, vor der Kamera stand. Regie führte Till Franzen, Produzentin ist Jutta Müller von Molina-Film. Folge acht, „Das Kind vom Finstertor“, ebenfalls 2019 gedreht, läuft nächsten Donnerstag.

„Und wir freuen uns, wenn auch dieses Mal viele Görlitzer einschalten“, sagt Gitta Deutz, „denn Görlitz bleibt schließlich der dritte Hauptdarsteller.“ Tatsächlich ist wieder viel von Görlitz zu sehen. So zeigt „Kein Entkommen“ neben der ehemaligen Hefefabrik zum Beispiel Wohnungen in nur noch halb bewohnten Häusern in der Innenstadt West, Szenen in der Altstadt, alte Villen wie das Forellhaus in Biesnitz. Groß war da auch immer das Interesse an den Vorpremieren für die Görlitzer mit vielen der Darsteller. „Wir bedauern es sehr, dass in diesem Jahr keine Vorabpremiere im Kino mit Publikum stattfinden konnte“, sagt Gitta Deutz. „So hoffen wir auf nächstes Jahr.“

- "Wolfsland - Kein Entkommen" läuft am 3. Dezember um 20.15 Uhr in der ARD
- "Wolfsland - Kein Entkommen in der ARD-Mediathek
- "Wolfsland – Das Kind vom Finstertor" läuft am 10. Dezember um 20.15 Uhr in der ARD