Ist die Feuerwehr fit für Katastrophen, Herr Schöning?

Frank Schöning ist als Bürgermeister von Kreischa nicht nur Mitglied der Freien Bürgervertretung des Ortes, sondern gehört auch der sächsischen Arbeitsgruppe "Freiwillige Feuerwehren 2020" an. In dieser Funktion war er dabei, als dem sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU) der jüngste zusammenfassende Bericht der Gruppe übergeben wurde. Darin geht es um Erreichtes und Empfehlungen für die künftige Arbeit. Wie Schöning, der selbst seit vielen Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr ist, die Situation vor allem seiner Wehren einschätzt, hat er im Gespräch mit der SZ gesagt.
Herr Schöning, sind die Freiwilligen Wehren bei Ihnen gerüstet, um in Katastrophenfällen wie dem jüngsten Hochwasser in der Sächsischen Schweiz ausreichend einsatzbereit zu sein und Hilfe zu leisten?
Katastropheneinsätze gehören wie Brände und Unfälle zu den Aufgaben der Feuerwehr. Ergänzt werden sie durch eine Wasserwehr mit entsprechender Ausrüstung, die bei uns die Freiwilligen Feuerwehren mit übernehmen. Damit kann vor Ort bei Katastrophenfällen schneller reagiert und auch in Nachbarorten Hilfe geleistet werden.
Wie sah es mit dem Unwetter letzte Woche aus?
Im konkreten Fall waren die Kreischaer vergangene Woche in der Nacht vom Sonnabend zu Sonntag mit elf Einsatzkräften, vier Fahrzeugen und dem Hochwasseranhänger in der Sächsischen Schweiz im Einsatz. Ausgestattet unter anderem mit Notstromaggregaten, Schläuchen und Pumpen. Es ist schon immer so, dass sich die Wehren auch über die Ortsgrenzen hinaus gegenseitig unterstützen. Bei Katastrophen gilt das umso mehr. Bei aller Einsatzbereitschaft müssen wir aber gerade im Hochwasserschutz auch präventiv mehr tun und beachten.
Wie meinen Sie das?
Wir müssen den Bächen und Flüssen Platz schaffen, Flussauen offen halten. Nachdem uns die Hochwasser von 2002 und 2013 einiges gelehrt haben, scheint manches schon wieder vergessen, werden Ufer zugestellt oder zugebaut. Dort aber, wo das Wasser mehr Möglichkeiten hat, sich auszubreiten, hat es weniger Kraft, kommt es bei Hochwasser zu weniger verheerenden Folgen.
Bei aller Vorsorge retten die Feuerwehren nicht selten auch Leben. Dafür müssen sie einsatzbereit sein. Ist das immer sicherzustellen?
Das ist Pflichtaufgabe jeder Kommune. Dazu gehören auch 70 Stunden Grund- und weitere Stunden Spezialausbildung für jedes neue Mitglied. Die Corona-Pandemie hat uns da allerdings ausgebremst. Andererseits ist zumindest für die theoretische Ausbildung der Umgang mit Online-Kursen besser geworden, wovon wir durchaus künftig profitieren und sich Wehrmitglieder einiges selbst erarbeiten können. Bei der praktischen Ausbildung musste vieles ausfallen. Zum Glück ist jetzt einiges wieder angelaufen.
Wie wird das finanziert?
Die finanzielle Unterstützung für die Einsatzbereitschaft ist geregelt. Fördermittel vom Freistaat für Anschaffungen wie Fahrzeuge, Gerätehäuser, Atemschutztechnik oder Zisternen werden jährlich angepasst. Laufende Ausgaben trägt die Kommune. Unsere Gemeinde gibt jedes Jahr zwischen 150.000 und knapp 200.000 Euro für die vier Ortsfeuerwehren aus. In der Ausrüstung hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, sodass die meisten Wehren modern ausgestattet sind.
Gibt es aber auch genug Mitglieder in den Wehren, die das absichern können?
Genau das ist oft das Problem. Die Feuerwehren brauchen mehr engagierte Mitstreiter. Wenn es beispielsweise nach der Anzahl der vier Ortswehren in Kreischa geht, so sind wir mit 75 Mitgliedern noch einigermaßen gut aufgestellt. Aber viele sind beruflich eingebunden, arbeiten auch außerhalb und sind gar nicht verfügbar.
Das heißt, Katastrophen möglichst bitte nach Feierabend?
Tagsüber ist es tatsächlich oft schwierig, mindestens 22 Feuerwehrleute, die für einen Einsatz mindestens nötig sind, zusammenzubekommen. Wir könnten deshalb gut und gern noch 15 bis 20 Leute in den Kreischaer Wehren gebrauchen. Anderen wird es ebenso gehen. Inzwischen gibt es aber Absprachen, dass Mitglieder anderer Wehren einspringen, wenn sie in Kreischa arbeiten. Die Arbeitgeber unterstützen die Einsätze und stellen ihre Mitarbeiter frei.
Was ist zu tun, damit die Wehren im Ernstfall immer genug Personal haben?
In erster Linie müssen wir ausreichend für die Feuerwehr werben, deren Arbeit bekannt machen und Unsicherheiten nehmen. Schon Kindern können wir das alles nahe bringen, wenn wir in die Schulen kommen, mit ihnen löschen üben und die Ausstattung der Fahrzeuge erklären. Wir haben zudem zwei Jugendfeuerwehren - eine wichtige Quelle für die Ortswehren.
Gibt es noch Aktivitäten darüber hinaus?
Alle Wehren stellen sich bei Tagen der offenen Tür oder bei Festen vor. Zur jährlichen Willkommensveranstaltung der Gemeinde für Neugeborene und ihre Eltern sind auch Vertreter der Feuerwehr eingeladen. Wir versuchen aber auch Menschen zu gewinnen, die nach Kreischa ziehen, hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben und vielleicht nach einem neuen Hobby suchen. Die Feuerwehr selbst hat eine eigene Arbeitsgruppe Mitgliedergewinnung. Die möchte - so ist das Ziel - künftig Neu-Kreischaern schon bei der Anmeldung im Amt Informationen über die Freiwillige Feuerwehr mitgeben.
Wie sieht es mit finanziellen Anreizen aus?
Das ist zumindest bei uns in Kreischa kein Thema. Dort, wo in Kommunen Aufwandsentschädigungen für Einsätze gezahlt werden, sieht es mit dem Personal in der Regel nicht besser aus. Funktionsträger, also Mitglieder, die mehr Verantwortung tragen, erhalten aber auch bei uns eine Aufwandsentschädigung, so wie es in der Feuerwehrentschädigungssatzung festgelegt ist. Es ist doch aber viel wichtiger, bewusst zu machen, dass jeder, der aktiv bei der Feuerwehr ist, etwas für andere tun kann. Ein Dankeschön nach einer Rettung oder Brandbekämpfung, die Schlimmeres verhindert hat, ist ein unersetzbarer Lohn.