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Fiel im Film

Vom ersten Pokal bis zum emotionalen Abschied bei Dynamo – ein persönliches Stück Fußballgeschichte.

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Von Sven Geisler

Er hat kein Länderspiel bestritten, keinen großen Titel gewonnen – und trotzdem die Fans begeistert. Bei den Kickers in Stuttgart, bei Union in Berlin, in Aachen und in Dresden sowieso, wo sie ihn „Fußballgott“ rufen. Vor einem Vierteljahr hat Cristian Fiel mit seinem letzten Spiel für Dynamo seine Karriere als Profi beendet; eine Karriere, wie er sie sich erst erträumt und dann erarbeitet hat: mit viel Talent und noch mehr Willen.

Seine Eltern ahnten zwar früh, dass ihr Sohn außergewöhnlich geschickt mit dem Ball umgehen kann, aber sie hätten es doch lieber gehabt, wenn er sich mehr Zeit für die Hausaufgaben genommen hätte. „Sehr schlecht, sehr schlecht, sehr schlecht“, sei er nämlich in der Schule gewesen, verrät seine Mutter Josefa, und Cristian erwidert halblaut: „Sooooo schlimm war ich auch nicht. Ein paar Fünfen waren dabei, und eine Sechs auch mal“, räumt er ein – und knurrt: „Ein Sehr hätte sie ruhig weglassen können.“

Das ist eine der Geschichten in der 77-minütigen Dokumentation „Es war Liebe“ über Dynamos Ex-Capitano, die am 25. August auf DVD erscheint. Der Film zeigt sozusagen die Bilder zu Fiels emotionaler Abschiedsrede. Er ist eine Zeitreise durch seine Stationen: vom Steppke beim VfB Stuttgart bis zum Aufstiegshelden von Dynamo. Stolz zeigt er seinen ersten Pokal: bester Spieler beim E-Jugend-Turnier. Amateuraufnahmen lassen seine technischen Fertigkeiten erahnen, die er sich auf dem Bolzplatz um die Ecke angeeignet hat, wo er einfach drauflos dribbeln konnte. „Irgendwann geht das nicht mehr, weil der Trainer ruft: Hey, spiel‘ mal einfach!“

Nachts an die Schwester gekuschelt

Jetzt trickst sein Sohn im heimischen Garten mit Hund Nelson, und Dynamos Talentspäher sollten schon mal auf ihn gucken. Fiel gewährt in dem Film sehr private Einblicke. Seine Eltern kamen einst als Gastarbeiter nach Esslingen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Als Friseur verdiente der Vater nicht genug, also schulte er mit Mitte 30 noch mal um, weil die Arbeit an der Maschine in der Fabrik besser bezahlt wurde. Die Mutter ging putzen. „So haben sie uns ein normales Leben ermöglicht.“

Seine ältere Schwester Monica verrät, dass er sich als kleiner Junge nachts oft an sie gekuschelt und sich im Schlaf ziemlich breit gemacht hat. „Wenn er früh aus dem Bett gekrabbelt ist, hat er mich zugedeckt und mir sanft auf die Schulter geklopft.“

Zudem kommen Weggefährten zu Wort, die mit Anekdoten den Fußballer und vor allem den Menschen charakterisieren. Dieter Hecking, den Fiel als seinen besten Trainer bezeichnet, war ziemlich genervt. Alemannia Aachen spielte im Uefa-Cup beim FC Sevilla, für den Spanier Fiel nicht ein, sondern das Traumlos. „In jedem Training kam er an: ,Trainer, ich muss spielen.‘ Halt jetzt die Klappe, Fiel! Du gehst mir so was von… ,Aber ich muss spielen!‘ Dann bring Leistung!“, erinnert sich der heutige Chefcoach des VfL Wolfsburg.

Fiel hat 78 Minuten gespielt, Aachen 0:2 verloren. In der Saison danach gelang der finanziell sanierten Alemannia der Aufstieg in die Bundesliga, und wieder war Fiel mit von der Partie. Ins Schwitzen kam er im Auto auf dem Weg zur Aufstiegsfeier, was seine Frau Diana mit der Videokamera festgehalten hat. Ihre Liebe auf den ersten Blick begann in der Berliner Szenekneipe „Annabell’s“, als er gerade in einer handfesten Auseinandersetzung steckte. Sie wollte schlichten.

Filmemacher Steffen Kuttner hat allein 39 Stunden Rohmaterial gesichtet, um die passenden Szenen auszusuchen. Mit den Autoren Henry Buschmann und Jan Franke ist es ihm gelungen, Fiels Anspannung vor seinem Abschiedsspiel einzufangen und als Spannungsbogen zu nutzen. Statt Vorfreude spürt er Aufregung, dabei möchte er es doch noch mal genießen: „Die Emotionen der Leute sind das Geilste, das es gibt.“

Dieses vom Dynamo-Presseteam produzierte Porträt zeigt Cristian Fiel offen, herzlich, emotional – authentisch. Es ist ein ganz persönliches Stück Fußballgeschichte. Sehenswert nicht nur für Dynamo-Fans.