Merken

Filmen gegen Fremdenfeindlichkeit

Welche Erfahrungen machen Geflüchtete bei uns? Darüber dreht die Gruppe Effata zusammen mit ihnen Filme.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Johanna Braun

Dreieinhalb Jahre hat Behnam Javanmard im Iran Regie studiert. „Für meinen Professor an der Uni habe ich Kurzfilme gedreht. Einmal sind wir in die Berge gereist, um das Leben von Hirten zu dokumentieren“, erzählt er. Bei seinem neuen Projekt geht es um etwas ganz anderes. Der 26-Jährige will dabei helfen, Geschichten wie seine eigene zu erzählen. Er engagiert sich beim Filmprojekt Effata, in dem es um das Leben Geflüchteter in Deutschland geht.

Als Christ drohte ihm in seiner Heimat der Tod, deshalb floh er nach Deutschland und wohnt seit neun Monaten in Pirna. Hier bekam er kein Asyl, sondern nur eine Duldung. Das heißt, er hat keinen richtigen Aufenthaltsstatus und sehr viel weniger Rechte. Zum Beispiel darf er keinen staatlich finanzierten Deutschkurs besuchen. Um sich zu verständigen, hat er ein altes Wörterbuch, das er immer bei sich trägt.

Das Filmprojekt Effata gibt Geflüchteten die Möglichkeit, von ihren Erfahrungen und Problemen zu berichten. „Flüchtlinge sind zwar ein Dauerthema, aber in der Öffentlichkeit kommt immer nur unsere Sichtweise vor“, erklärt die Medizinstudentin Lucia Hämmerl, die von Anfang an mit dabei war. Passend dazu bedeutet der Name der Gruppe auf Aramäisch „öffne dich“. Er ist gleichzeitig auch als Aufforderung an die Zuschauer zu verstehen, sich auf die menschliche Seite der Flucht einzulassen. Denn diese fehlt den Mitgliedern von Effata in der aktuellen Debatte. „Es wird über Leute gesprochen, als seien sie nur eine Zahl. Das krasseste Beispiel dafür ist die Obergrenze“, sagt Effata-Mitglied Alina Gündel. Der Filmemacher Frank Beitlich sieht das ähnlich. „Ich verstehe nicht, warum wir Menschen behandeln wie Stückgut“, sagt der 34-Jährige. Zusammen mit seiner Kollegin Susanne Hörenz betreibt er die 3. Etage Filmproduktion GbR in der Neustadt. Die beiden haben schon mehrere ähnliche Projekte umgesetzt.

Ende 2014 lernten sich die vier von Effata beim Sächsischen Flüchtlingsrat kennen, seitdem arbeiten sie an ihrer Idee. Inzwischen stehen der Ablauf der Dreharbeiten und der Aufbau der Filme fest. Sie sollen aus Interviews und erklärenden Teilen bestehen und je etwa fünf Minuten dauern. „Das ist die Zeit, in der man Inhalte gut erfassen kann, um danach etwa mit Schulklassen darüber zu diskutieren“, erklärt Beitlich. Zwölf Interviews sind bereits gedreht, weitere sollen folgen.

Als erste Themen hat sich die Gruppe Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarktsituation, Residenzpflicht, alltäglichen Rassismus und Sprache ausgesucht. Wichtig ist ihnen dabei, dass Geflüchtete nicht nur gefilmt werden, sondern – wie der iranische Regisseur Behnam Javanmard – auch selbst aktiv mitmachen können.

Bereits jetzt gibt es Menschen, die ihre Filme gern zeigen würden. „Mehrere Lehrer und die Uni haben sich schon bei uns gemeldet“, erzählt Beitlich. Vor allem in Schulen sollen die Filme vorgeführt werden. „Für solche Projekte gibt es in Sachsen eindeutig Bedarf“, sagt Hörenz. Außerdem können sie als Kinovorspann laufen und sollen im Internet frei zugänglich sein.

Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, der viel Geld kosten wird. „Wir wollen zwar viel selbst machen, aber Übersetzer, professionelle Tontechniker oder Material müssen wir natürlich trotzdem bezahlen“, sagt Frank Beitlich. Deshalb startete die Gruppe auf der Internetplattform Startnext einen Spendenaufruf, der sehr erfolgreich war. In siebeneinhalb Wochen konnten sie fast 6 000 Euro sammeln.

www.startnext.com/effata