Dresden
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Flucht aus dem offenen Vollzug

Nach einer Nacht in Freiheit stellte sich der Gefangene – doch es bleiben Fragen offen.

Von Alexander Schneider
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© dpa (Symbolbild)

Am Sonntag vor einer Woche ist ein Gefangener aus dem offenen Vollzug entwichen. Nach Angaben der Dresdner Justizvollzugsanstalt (JVA) ist der Mann vor 21 Uhr im Außenbereich der Anlage über einen Zaun geklettert und weggelaufen – im Dresdner Norden verschwunden.

Irgendwann nach 21 Uhr wurde die Polizei informiert, die noch in der Dunkelheit nach dem Mann fahndete – vier Funkstreifenwagen-Besatzungen und zwei Beamte mit Fährtenhunden hatten sich auf die Suche nach dem Ausreißer gemacht. Um 2.30 Uhr wurden die „aktiven Maßnahmen“ abgebrochen, teilte die Polizei nun mit. Von dem Flüchtigen fehlte bis dahin noch jede Spur.

Das änderte sich am nächsten Vormittag gegen 10.30 Uhr. Da sprach der säumige Gefangene im Polizeirevier Dresden Süd vor und stellte sich. Die Beamten lieferten den Mann mittags wieder in der Dresdner Justizvollzugsanstalt ab. Nun nicht mehr im offenen Vollzug, sondern hinter den Gefängnismauern. Die sogenannten Lockerungen haben sich nun erst einmal erledigt, heißt es in der JVA.

Nach SZ-Informationen handelt es sich bei dem Entwichenen um einen 37-jährigen Dresdner. Der Mann ist vielfach vorbestraft, vor allem wegen Betruges. 2015 erhielt er etwa drei Jahre und neun Monate am Amtsgericht Dresden, hinzu kam damals eine frühere offene Strafe von einem Jahr und acht Monaten. Es könnte also gut sein, dass der Mann inzwischen im offenen Vollzug auf seine Entlassung vorbereitet wurde, als er am Sonntag Ausgang hatte.

Am vergangenen Wochenende berichtet die SZ erstmals über die Flucht aus dem offenen Vollzug. Irrtümlich wurde die sogenannte Entweichung auch „Ausbruch“ genannt. Befeuert wurde der Fall dadurch, dass die Dresdner Polizei zunächst einen solchen Sucheinsatz im Zusammenhang mit der Entweichung eines Gefangenen aus der JVA bestritten hatte. Erst nach der Veröffentlichung des Artikels korrigierte ein Pressesprecher der Polizei die falsche Auskunft. 

Tatsächlich habe es Suchmaßnahmen gegeben. Das Lagezentrum sei um 21.15 Uhr informiert worden. Nach der Selbststellung des Mannes sei der Einsatz beendet worden. Nach Angaben der JVA sei das Lagezentrum der Dresdner Polizei bereits um 21.01 Uhr alarmiert worden, unmittelbar nachdem der Gefangene aus dem „Freibereich des Freigängerhauses“ neben der JVA am Hammerweg über einen Zaun geklettert und weggelaufen sei.

Besonders geärgert hat der SZ-Artikel Ulfrid Kleinert, Mitbegründer des Vereins „Hammerweg e.V.“, in dem sich Menschen seit vielen Jahren ehrenamtlich um Gefangene in Dresden kümmern. Es sei nichts Illegales passiert und es habe auch keinen „Ausbruch“ gegeben, sagt er. Der offene Vollzug sei ein wichtiger Baustein der Resozialisierung. Nur Gefangene kämen in der letzten Phase ihrer Haftzeit dorthin – mit einer guten Prognose für ihr Verhalten im offenen Vollzug. Allerdings sei das Risiko einer Entweichung nie ganz auszuschließen.

Der 37-Jährige hatte nach JVA-Angaben bereits mehrere Ausgänge „beanstandungsfrei absolviert“. An jenem 24. März jedoch sei bei einer Routine-Atemalkoholkontrolle festgestellt worden, dass er alkoholisiert war. Die Zentrale der Anstalt sei informiert und ein Fahrzeug angefordert worden, um den Gefangenen in den geschlossenen Vollzug zurückzuverlegen. Er habe sich noch auf dem Freigelände des offenen Vollzuges aufgehalten und sei unvermittelt „entwichen“.

Dem Gefangenen muss diese Sanktion klar gewesen sein. Geriet er angesichts der Verlegung in das Gefängnis in Panik?

Solche Entweichungen passieren nicht oft, aber immer wieder. In diesem Jahr sei bislang nur Ende Februar einmal ein weiterer Gefangener nicht rechtzeitig von seinem Ausgang zurückgekehrt. Er sei wenige Stunden später „wiederergriffen“ worden. Auch er sei als Sanktion vom offenen in den geschlossenen Vollzug rückverlegt worden. „Es kommt selten vor, dass bei der Rückkehr aus Lockerungsmaßnahmen Gefangene einen Atemalkoholwert aufweisen. Eine statistische Erhebung dazu liegt in der Anstalt nicht vor “, sagte JVA-Sprecherin Anja Kirsten.