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Flüchtlinge beschweren sich über Unterkunft

Das Leben in der Erstaufnahme in Rossau sei menschenunwürdig. Der Landkreis hält dagegen.

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© Archiv/Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Rossau. Lange Zeit galt die Sammelunterkunft für Flüchtlinge in Rossau als eine Art Vorzeigeobjekt: Sowohl Landrat Matthias Damm (CDU) als auch der Leiter der Stabsstelle Asyl, Dieter Steinert, hatten wiederholt betont, dass alle Abläufe nahezu reibungslos verlaufen würden und die Bewohner mit den Bedingungen zufrieden seien. Um die dezentrale Unterbringung der Asylsuchenden besser koordinieren zu können, hatte der Landkreis dieses sogenannte „Erstverteilzentrum“ Anfang Januar eingerichtet. Doch dieses steht nun in der Kritik. Die Bewohner haben sich in einem offenen Brief an den Sächsischen Flüchtlingsrat mit Sitz in Dresden gewandt. Die Kernaussage lautet: „Der Landkreis Mittelsachsen versagt bei menschenwürdiger Unterbringung.“ Wie erklären sich die Verantwortlichen diese so gänzlich andere Darstellung durch die Geflüchteten? „Dies können wir uns nicht erklären, da bisher keine solchen Beschwerden an die Mitarbeiter des Landratsamtes, die täglich vor Ort sind, herangetragen wurden“, teilt Kreissprecherin Lisa-Maria Schöne auf DA-Nachfrage mit.

Kleine bunte Zelte, die jeweils fünf Personen Platz bieten, sollen ein wenig Privatsphäre ermöglichen. Schlafgelegenheiten sind, zumindest im Januar und April, nachweislich vorhanden gewesen.
Kleine bunte Zelte, die jeweils fünf Personen Platz bieten, sollen ein wenig Privatsphäre ermöglichen. Schlafgelegenheiten sind, zumindest im Januar und April, nachweislich vorhanden gewesen. © Archiv/Dietmar Thomas

Die Anschuldigungen gegen den Landkreis sowie die Gesellschaft für Strukturentwicklung und Qualifizierung (GSQ) als Betreiber wiegen schwer. Essen, schlafen, waschen – Grundbedürfnisse würden massiv eingeschränkt. In der Pressemitteilung des Flüchtlingsrates heißt es: „Warum der Landkreis Mittelsachsen die Geflüchteten, die mehrheitlich das Asylverfahren durchlaufen haben, überhaupt in einer solchen Gemeinschaftsunterkunft unterbringt und nicht dezentral, ist nicht die einzige offene Frage, die sich hier stellt.“ Landkreissprecherin Lisa-Maria Schöne erklärt dazu: „Die Aussage, dass mehrheitlich das Asylverfahren durchlaufen wurde, ist falsch. Die Menschen befinden sich größtenteils noch im Asylverfahren. Zur Zeit haben nur etwa fünf von 111 Personen eine Aufenthaltserlaubnis.“

Fußboden statt Feldbett

Massive Kritik gibt es an den Schlafgelegenheiten. Angeblich müssten die Flüchtlinge auf Decken auf dem Hallenboden schlafen. Allerdings wurden in der Halle Feldbetten aufgestellt. Davon konnten sich Interessierte bei einem Tag der offenen Tür überzeugen. Den hatte die Kreisverwaltung ermöglicht, bevor die ersten Asylbewerber in die ehemalige Produktionshalle der Firma Baumüller im Rossauer Gewerbegebiet eingezogen sind. Zudem waren bunte Zelte aufgestellt worden, die für mehr Privatsphäre sorgen sollten. Sowohl diese als auch die Schlafgelegenheiten waren im April noch da, als der Kreis Medienvertretern einen Einblick in den Tagesablauf einer Flüchtlingsfamilie gewährte. Wurden die Betten etwa in der Zwischenzeit ausgeräumt? „Die Aussage ist falsch. Für jeden Asylbewerber ist ein Feldbett vorhanden. Zelte wurden zusätzlich als Rückzugsbereiche aufgestellt“, antwortet Lisa-Maria Schöne.

Verdreckte Sanitäranlagen

Harte Kritik gibt es an den Sanitäranlagen. Diese würden sich in einem „katastrophalen Zustand“ befinden. „Flüssigkeit bedeckt den Boden, in Toiletten und Duschen sammeln sich Fäkalien, es stinkt.“ Der Reinigungsdienst würde nur sporadisch vorbeischauen, so der Flüchtlingsrat. Auch dieser Kritikpunkt entspreche nicht der Wahrheit. „Die Sanitäranlagen sind für 300 Personen ausgelegt, der Reinigungsdienst kommt täglich“, erklärt die Kreissprecherin. An mehreren Stellen in den Sanitäranlagen seien Schilder mit Verhaltensregeln angebracht – in mehreren Sprachen und mit Symbolen. „Trotz dieser eindeutigen Hinweise zeigt eine ganze Reihe Asylbewerber aber ein Sozialverhalten, das nicht gesteuert werden kann“, so Schöne.

In der Unterkunft in Rossau leben derzeit 111 Personen. Sie stammen laut Kreisverwaltung aus Somalia, Marokko, Irak, Syrien, Palästina, Afghanistan, Türkei, Libanon, Indien, Eritrea, Iran, Georgien, Serbien und der Russischen Föderation. Der Kreis sei bestrebt, dass die Menschen nicht länger als vier Wochen in Rossau wohnen müssen, so Lisa-Maria Schöne

Catering statt Kochplatte

Der Flüchtlingsrat bemängelt weiterhin: „Die Menschen in der Unterkunft können weder ihre Lebensmittel kühlen, noch können sie diese selber zubereiten. Kochgelegenheiten sind keine vorhanden.“ Eine Bereitstellung einzelner Herde sei im Konzept nicht vorgesehen, da die Asylbewerber nur vorübergehend untergebracht sind und auf andere Unterkünfte vorbereitet werden.

Das Urteil des Flüchtlingsrates lautet: „Die Verantwortlichen ignorieren in Rossau jegliche Grundsätze einer menschenwürdigen Unterbringung.“ Im Landratsamt sieht man das anders: Die konzeptionelle Umsetzung habe sich bewährt, man halte daran fest. „Nach Überprüfung vor Ort können wir die Kritik definitiv nicht bestätigen. Wegen seiner unbegründeten Unterstellungen ist der Sächsische Flüchtlingsrat für das Landratsamt Mittelsachsen diesbezüglich kein ernst zu nehmender Gesprächspartner mehr und erhält auch keinen Zugang mehr zum Objekt“, verdeutlicht die Kreissprecherin.