Herr Heinze, so mancher hätte vermutet, dass Sie wegen des Banners vor der Lutherkirche gegen Unbekannt Anzeige erstatten. Sie haben es nicht getan. Warum?
Wir widersprechen energisch der Gleichsetzung von Flüchtlingen mit Kriminellen. Wir haben aber auch gesehen, die Urheber des Banners haben keine Gewalt angewendet, sie haben den Gottesdienst nicht gestört, sie haben die Kirche nicht beschädigt und uns auch nicht direkt beleidigt. Das Transparent hing zum größten Teil außerhalb von unserem Gelände, so dass wir mehr daran interessiert sind, uns mit den Urhebern zu unterhalten, statt gegen sie vorzugehen.
Sie hatten bereits vor Wochen ein über Nacht aufgehängtes Plakat vor der Kirche. „Jesus hat keine Frauen begrapscht“ stand darauf. Auch hier haben Sie besonnen reagiert. Was passierte anschließend?
Die erste Aktion mit einem Transparent ist auf Webseiten veröffentlicht worden, die offenbar im ganzen deutschen Sprachraum genutzt werden. Da gab es sehr viele Einträge, die uns gegenüber auch beleidigend waren. Dort bestärken sich die Nutzer wohl eher wenigstens gegenseitig in ihren Ansichten. Wir hatten E-Mails und auch beleidigende Anrufe. Das war vier Tage lang so und dann war es auch vorbei. Gelassen haben wir auch deshalb reagiert, weil die Reaktionen von Menschen kamen, die offenbar weit weg wohnen. Die uns nicht kennen und wohl nicht wissen, wie wir hier arbeiten.
Welche Beleidigungen kamen da?
Also, als Christenverräter lasse ich mich nun wirklich nicht bezeichnen. Vorgehen will ich dagegen aber auch nicht. Mein Name wurde auch mehrmals falsch geschrieben - die kennen uns wirklich nicht.
Sie wünschen sich, dass sich jemand aus der Gruppe, die sich „Radebeul 350“ nennt, bekennt und laden ihn zum Gespräch ein. Was würden Sie denjenigen fragen und sagen?
Ich möchte erst einmal zuhören. Fragen würde ich, wie er sich unser Land vorstellt, wie das aussehen sollte - unsere Seele, unser Herzschlag und unser Verhalten angesichts der Not in der Welt, seiner Meinung nach. Und auch da würde ich gerne zuerst zuhören.
Ich würde auch versuchen ihm zu vermitteln, was uns bewegt. Und dann noch mal hören, was darauf gesagt wird. Denn es gibt ja in der Gruppe offenbar eine Beziehung zur Kirche, eine Enttäuschung darüber, dass wir bestimmte Positionen, die die Urheber der Transparente offenbar haben, nicht beziehen können. Und wir teilen mit ihnen die Trauer über die Opfer von Morden und Übergriffen. Auf dem Fußweg vor der Lutherkirche haben sie die Umrisse eines Mordopfers gemalt, so habe ich es verstanden. Da ist ihnen etwas nicht egal, was uns auch nicht egal ist. Das ist auch eine Gemeinsamkeit, über die man reden kann.
Warum glauben Sie, dass es sinnvoller ist, zuerst das Gespräch den Kritikern anzubieten?
Unser Transparent – und das der Friedenskirche auch – ist ja an sich ein Gesprächsangebot an unsere Mitmenschen. Deshalb finde ich es auch gut, wenn darauf reagiert wird. Ich finde es wichtig, dass man einander in die Augen schaut, wichtiger denn je in dieser Zeit. Dass man die Stimme des anderen hört und wahrnimmt, was ihn bewegt. Das ist generell mein Interesse. In diesem Fall auch.
Sind die Radebeuler doch noch anders als Freital oder Heidenau?
Für mich wäre genau das auch ein Gesprächsinhalt. Ich wehre mich dagegen, Menschen immer in einen Topf zu schmeißen: d i e Heidenauer, d i e Freitaler, nur weil sich dort beschämende Dinge zugetragen haben. Ebensowenig kann ich kann ich den, der in Reutlingen mit einer Axt auf Reisende losgeht, zum Zerrbild einer ganzen Menschengruppe machen.
Zu dem, was in unserem Lande geschieht, höre ich in Radebeul die gleiche Vielfalt von Meinungen wie anderswo. Alle in einen Topf zu hauen, ist falsch und einfallslos. Ich fand es in Heidenau übrigens vorbildlich, wie die Bürger und die Kirchen - katholische wie evangelische - nach den Ausschreitungen reagiert haben.
An welchem Punkt wäre für Sie Schluss mit reden?
Vielleicht wird es Punkte geben, wo man feststellt, dass man wirklich nicht übereinkommt. Nächstenliebe ist für uns nicht verhandelbar. Auch nicht unsere Überzeugung, dass für uns jeder Mensch das Bild des Schöpfers trägt. Dass er von daher seine Würde hat, die die Verantwortung für seine Worte und Taten einschließt. Und dass er das Recht hat, nicht haftbar gemacht zu werden für Taten, die andere Menschen begangen haben.
In einem Video zu dem Banner-Aufhängen vor der Kirche mit dem Spruch „Jesus folgen heißt nicht, praktizierende Mörder aufzunehmen!!! Nizza Paris Würzburg Brüssel???“gibt es eine Aufforderung. Sie sollen das eigene Banner über dem Lutherkirchenportal abhängen. Werden Sie darauf eingehen?
Das werden wir nicht tun. Dieses Wort Christi hat für uns eine bleibende Bedeutung. Stefan Zweig hat unterschieden zwischen Überzeugungen und Meinungen. Meinungen sind vom Tagesgeschehen abhängig. Überzeugungen gründen sehr tief und bestimmen dann das Verhalten. Wir werden das Transparent nicht weghängen. Es ist eine Selbstverpflichtung und ein Gesprächsangebot, und so soll es bleiben.
Wenn jemand Kontakt aufnehmen will, wie am besten?
Über unsere E-Mail-Adresse der Lutherkirche am besten.
Die Fragen stellte Peter Redlich.
Wer zu dem Thema mit Christof Heinze in Kontakt kommen möchte, findet hier die Adresse: