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Flutschutz nimmt Form an

Sicher sind Kirchstraße, Klärwerk und das Schloss in Riesa-Gröba. Aber erst, wenn eine andere Baustelle beendet ist.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Die magische Zahl lautet 97,60 Meter über dem Meeresspiel. Diese Höhe muss der Flutschutz in Riesa-Gröba an jeder Stelle erreichen – sonst ist er vor einem Hochwasser, wie es statistisch gesehen einmal in hundert Jahren vorkommt, nicht sicher. Obwohl – genau genommen würde sogar ein Meter weniger reichen, damit das Wasser nicht über den Deich schwappt. Peter Gierth von der Landestalsperrenverwaltung erklärt warum: „Den einen Meter mehr bauen wir, damit die Standsicherheit des Bauwerkes gewährleistet ist.“ Denn es genüge nicht, einen Deich nur genau bis zu dem Wasserstand zu bauen, den Experten für ein Flutszenario errechnen. „Wir müssen auch davon ausgehen, dass Wind und Wellen gegen den Deich drücken.“ Ingenieur Peter Gierth überwacht den Bau, der vor zwei Jahren begonnen hat. Heute nimmt er die SZ mit zu einem Rundgang. Startpunkt ist am nördlichen Ende der aufwendigen Flutschutzanlage.

An der Steinstraße entsteht gerade der neue Deich. Rechts im Bild wird ein sogenannter Deichverteidigungsweg gebaut.
An der Steinstraße entsteht gerade der neue Deich. Rechts im Bild wird ein sogenannter Deichverteidigungsweg gebaut.
An der Stelle zwischen Spundwand und Schlossbrücke mussten die Ingenieure erfinderisch werden. Ursprünglich war eine durchgängige Spundwand geplant.
An der Stelle zwischen Spundwand und Schlossbrücke mussten die Ingenieure erfinderisch werden. Ursprünglich war eine durchgängige Spundwand geplant.
Durch die drei Siele in der Spundwand am Hafen kann Wasser von der Landseite abgelassen werden – als würde man einen Badewannenstöpsel ziehen.
Durch die drei Siele in der Spundwand am Hafen kann Wasser von der Landseite abgelassen werden – als würde man einen Badewannenstöpsel ziehen.
© Grafik/LTV

Schutz vor Jahrhundertfluten

An der Steinstraße endet der neue Deich. Den Blick in Richtung Elbe gerichtet liegt auf der linken Seite die Kleingartenanlage Elbstrand. Im Falle einer Flut wie 2013 oder 2002 würden die Lauben wieder im Wasser versinken. Auf der anderen Seite des Erdwalls liegt die Kläranlage, denkmalgeschützte Bauten wie die Gröbaer Schlosskirche, das Schloss und natürlich die Wohnhäuser in und um die Kirchstraße. Wenn der Flutschutz fertig ist, ist dieses Gebiet zum ersten Mal vor einer Jahrhundertflut geschützt. Der neue Deich verläuft im Großen und Ganzen dort, wo auch schon der alte Deich stand. Auf der wasserabgewandten Seite verläuft der Deichverteidigungsweg – derzeit ein unbefestigter Schotterweg, der später noch gepflastert wird. Dem öffentlichen Verkehr steht der Weg später nicht zur Verfügung – eine Schranke wird die Durchfahrt versperren. „Vom Deichverteidigungsweg aus wird die Anlage während einer Flut auf ihre Standsicherheit hin kontrolliert“, erklärt Peter Gierth. Das macht die Flussmeisterei. Sie ist auch für die Pflege der Deiche zuständig. Im besten Fall findet sich ein Schäfer, der seine Tiere auf den Deichen weiden lässt. „Das ist die beste Deichpflege“, sagt der Experte. Doch so weit ist man in Gröba noch nicht. Noch sind die Deichkronen braune Erdrücken. „Später wird hier eine Spezialsaat aus schnellwachsenden Gräsern und Kräutern ausgesät“, erklärt Gierth.

Verschließbare Durchfahrten

Einige Hundert Meter weiter in Richtung Elbe steht die erste von zwei Deichscharten – eine Art im Deich eingelassene Durchfahrt für die Flurenstraße. Im Flutfall wird diese mit sogenannten Dammbalken verschlossen, damit die Anlage wieder ihre durchgängige Höhe von 97,60 Metern über dem Meeresspiel erreicht. Die Rampen der Deichscharte sind noch nicht fertig. Daher nutzen die Baumaschinen und die Lkws, die zum Klärwerk fahren, noch einen provisorischen Weg durch eine Lücke im Deich. Diese wird geschlossen, sobald die Zufahrt zur Deichscharte fertig ist.

Notlösung an der Hafenbrücke

Etwa in Höhe des Klärwerks am Elbufer endet der Deich. Stattdessen beginnt hier die Spundwand, die sich bis zur Hafenbrücke erstreckt – mit einer Unterbrechung.

Peter Gierth erklärt: „An der Schlossbrücke mussten wir uns anders behelfen. Weil hier der Hauptsammler, durch den das Abwasser zum Klärwerk fließt, das Hafenbecken kreuzt, konnten wir die Spundwand nicht fortsetzen.“ Geplant war das nicht. Aus den Unterlagen seien Zustand und Tiefe des Abwasserdükers nicht genau erkennbar gewesen, so Gierth. „Um die Leitungen nicht zu gefährden, haben wir nun eine Stahlbetonwand als Lückenschluss zwischen der Schlossbrücke und der weiteren Spundwand gebaut. Die Untergrundabdichtung spart den Düker aus. „ Anschließend werde die Betonwand noch mit Spundbohlen verkleidet, damit die Fassade ein einheitliches Bild ergibt – Vorschrift ist Vorschrift.

Wie ein Badewannenstöpsel

Auf der Strecke zwischen Schloss- und Hafenbrücke haben die Ingenieure drei Siele und ein Pumpwerk einbauen lassen. „Diese Bauwerke dienen der Binnenentwässerung“, erklärt Peter Gierth. Im weniger dramatischen Fall kann so das gestiegene Grundwasser abgepumpt werden. Wenn die Flutschutzanlage doch einmal überspült wird, kommen die Siele zum Einsatz – so als würde man in einer Badewanne den Stöpsel ziehen.

Am Hafen geht’s weiter

Kommen nicht noch weitere unvorhergesehene Dinge wie Fels im Boden dazwischen, wird die 1,8 Kilometer lange Anlage im Herbst dieses Jahres fertiggestellt – und die Schlossbrücke samt Elberadweg nach mehr als zwei Jahren wieder freigegeben. Doch Flut-Entwarnung kann die Landestalsperrenverwaltung dann noch immer nicht geben. Denn: Danach geht die Arbeit auf der anderen Seite der Hafenbrücke weiter. „Bald fangen wir an, noch eine 320 Meter lange Stahlbetonmauer zu bauen, damit die Kirchstraße nicht mehr aus Richtung Hafen volllaufen kann“, erklärt Peter Gierth zum Abschluss. Der Baubeginn ist für Juli angepeilt.