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Muslime protestieren gegen Frankreich

Mit der Verteidigung von Mohammed-Karikaturen hat Emmanuel Macron viele Gläubige verärgert. Nun entbrennt ein Konflikt mit vielen muslimischen Ländern.

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Anhänger der Muslimischen Studentenorganisation verbrennen während eines Protestes in Karachi gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed eine Darstellung von Macron.
Anhänger der Muslimischen Studentenorganisation verbrennen während eines Protestes in Karachi gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed eine Darstellung von Macron. © Fareed Khan/AP/dpa

Kairo/Ankara/Paris/Teheran/Dhaka. Aufrufe zum Boykott und verbale Angriffe auf Frankreichs Staatschef: Im Streit um Karikaturen des Propheten Mohammed hat der französische Präsident Emmanuel Macron Zorn aus Teilen der muslimischen Welt auf sich gezogen. Er sah die Zeichnungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt. 

Nun zieht Frankreich Konsequenzen und hat Sicherheitshinweise  für mehrere mehrheitlich muslimische Länder veröffentlicht. Unter anderem in der Türkei, in Indonesien, im Iran und in Bangladesch seien Französinnen und Franzosen aufgerufen, sich von Protesten fernzuhalten, hieß es am Dienstag vonseiten des Außenministeriums. Auch öffentliche Versammlungen sollten gemieden werden. „Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang empfohlen, die größte Wachsamkeit zu wahren, insbesondere auf Reisen und an Orten, die von Touristen und Auswanderergemeinschaften besucht werden“, hieß in den Sicherheitshinweisen.

Demonstrationen in Bangladesch

Tausende Muslime hatten zuvor unter anderem in Bangladesch gegen den Politiker protestiert. Nach Angaben der Polizei demonstrierten knapp dort 3.000 Menschen vor einer Moschee in der Hauptstadt Dhaka am Dienstag und liefen anschließend in Richtung französischer Botschaft. Die Veranstalter sprachen von mehr als 50.000 Demonstrationsteilnehmern. Beobachter dokumentierten, wie Demonstranten die französische Flagge und Bilder von Macron verbrannten.

Aktivisten der islamistischen Partei Islami Andolan Bangladesh halten bei einem Protest gegen Frankreich ein Schild mit einer durchgestrichenen Abbildung des französischen Präsidenten Macron hoch.
Aktivisten der islamistischen Partei Islami Andolan Bangladesh halten bei einem Protest gegen Frankreich ein Schild mit einer durchgestrichenen Abbildung des französischen Präsidenten Macron hoch. © Suvra Kanti Das/dpa

Auch in  Afghanistan sind Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Allein in der Hauptstadt Kabul seien es 2000 Demonstranten gewesen, berichteten Beobachter. Auch in der westlichen Provinz Herat protestierten Tausende. Aus Protest gegen Äußerungen von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zu religionskritischen Karikaturen sind in Afghanistan Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Allein in der Hauptstadt Kabul seien es 2000 Demonstranten gewesen, berichteten Beobachter. Auch in der westlichen Provinz Herat protestierten Tausende. Die afghanische Regierung hat sich noch nicht offiziell zu dem Thema geäußert.

Auch Politiker muslimisch geprägter Staaten reagierten auf die Aussagen des französischen Präsidenten. Der Chef der Partei Islami Shahsantantra Andolon, die den Protest in Dhaka organisiert hat, forderte einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen Bangladeschs zu Frankreich. Die Veranstalter riefen auch zu einem Boykott französischer Produkte auf.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan übte ebenfalls bereits heftige Kritik an Macron. Das  iranische Außenministerium hat außerdem den Geschäftsführer der französischen Botschaft in Teheran einbestellt. "Wir haben in dem Treffen jegliche Beleidigung des Propheten und dementsprechend auch die Aussagen der französischen Offiziellen aufs Schärfste verurteilt", erklärte das Außenministerium laut Nachrichtenagentur Isna am Dienstag.  

Macron: Karikaturen durch Meinungsfreiheit gedeckt

Hintergrund sind Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die Veröffentlichung auch religionskritischer Karikaturen von der Meinungsfreiheit gedeckt sieht. Macron hatte dies bei einer Gedenkfeier zu Ehren des Geschichtslehrers Samuel Paty bekräftigt, der von einem Islamisten enthauptet worden war, weil er im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit als Beispiel Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Macrons Äußerungen führten bereits zu Protesten muslimischer Länder wie der Türkei, Kuwait oder Pakistan.

Es sei bedauerlich, dass im Namen der Meinungsfreiheit die Heiligtümer von Millionen Muslimen ignoriert würden, erklärte das iranische Außenministerium. Außerdem führe diese Art von Islamophobie nur zu weiteren radikalen Reaktionen islamistischer Gruppen. Medienangaben zufolge sei am Dienstag eine Protestdemonstration vor der französischen Botschaft in Teheran geplant.  

Bereits am Montagabend hatte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif den Westen im Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen kritisiert. "Muslime sind die Hauptopfer der 'Hasskultur', die von Kolonialmächten gestärkt und von ihrer eigenen Klientel exportiert wird", twitterte der Minister. 

Die Beleidigung von 1,9 Milliarden Muslimen und dem, was ihnen heilig sei, wegen der abscheulichen Verbrechen von Extremisten sei ein "opportunistischer Missbrauch der Meinungsfreiheit", erklärte Sarif. "Das befeuert nur den Extremismus."

Frankreich und Türkei: Streit eskaliert

Ein junger Mann in Istanbul hält ein mit einem Schuhabdruck versehenes Foto von Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, in die Kamera. Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, griff Macron ein zweites Mal verbal an und warf ihm Islamfeindlichkeit vo
Ein junger Mann in Istanbul hält ein mit einem Schuhabdruck versehenes Foto von Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, in die Kamera. Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, griff Macron ein zweites Mal verbal an und warf ihm Islamfeindlichkeit vo © Emrah Gurel/AP/dpa

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach zuvor von einer Lynchkampagne gegen Muslime in Europa und rief zum Boykott französischer Waren auf. Pakistan und mehrere arabische Regierungen kritisierten Macrons Verteidigung von Karikaturen im Rahmen der Meinungsfreiheit.

Deutschland steht zu Frankreich

Erdogan hatte bereits Zweifel an Macrons geistiger Gesundheit angemeldet und ihm empfohlen, sich psychisch untersuchen zu lassen. In einem beispiellosen Schritt rief Paris aus Protest seinen Botschafter aus Ankara zurück. Bundesaußenminister Heiko Maas sprach nach den Kommentaren Erdogans von einem "neuen Tiefpunkt". Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte erklärte sich auf Twitter voll solidarisch mit Macron und erklärte, Erdogans Beschimpfungen würden eine positive Agenda der EU mit der Türkei erschweren.

Regierungen der muslimisch geprägten Länder Jordanien, Marokko, Katar, Kuwait und Pakistan, wo mehr als 220 Millionen Muslime leben, kritisierten Macrons Äußerungen. Der Hohe Staatsrat in Libyen, der unter anderem die international anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis berät, sprach von einer "Beleidigung von 1,5 Milliarden Muslimen" weltweit durch Macron. Die im Gazastreifen herrschende Hamas erklärte, die Beleidigung von Religionen und Propheten sei "keine Sache der Meinungsfreiheit, sondern fördert eine Kultur des Hasses".

Aufruf zum Boykott französischer Waren

Am Montag verbreiteten Nutzer im Internet weiter die Namen bekannter französischer Marken - darunter Hersteller von Autos, Mode und Milchprodukten - und riefen mit entsprechenden Hashtags zum Boykott auf. Zuvor hatten bereits einige Händler in Jordanien, Kuwait und Katar französische Waren aus ihren Filialen entfernt. Berichten zufolge strichen auch mehrere Reisebüros in Kuwait Flüge nach Frankreich aus ihren Angeboten.

Der größte französische Wirtschaftsverband Medef stellte sich angesichts der Boykottaufrufen hinter die Regierung in Paris. Man werde der Erpressung nicht nachgeben, sagte Medef-Chef Geoffroy Roux de Bézieux dem Fernsehsender BFMTV. "Es gibt Zeiten, in welchen wir Prinzipien vor die Möglichkeit, unser Geschäft auszubauen, stellen müssen." Medef sei "völlig solidarisch mit der französischen Regierung". Die Unternehmen müssten den Boykott "vorerst ertragen".

Macron hatte nach der Ermordung des Lehrers Paty auch angekündigt, stärker gegen den radikalen Islamismus vorzugehen. Er sprach sich für einen Islam aus, der "mit den Werten der Republik" vereinbar sei. Die strikte Trennung von Staat und Kirche ist ein Grundprinzip der französischen Verfassung. Bundesaußenminister Maas betonte am Montag in Berlin, Deutschland stehe im Kampf gegen islamistische Extremisten "solidarisch an der Seite Frankreichs".

Erdogan kritisiert Macron schon seit langem und ist der Ansicht, dass es keine Differenzierung im Islam gebe und man beispielsweise nicht von einem europäischen oder französischen Islam sprechen könne. Europäische Politiker nutzten die Ausrede des radikalen Islamismus, um eigene Fehler zu vertuschen, so die Kritik. (dpa)