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Franziska Schubert tritt an

Bürger für Görlitz, Bündnisgrüne und Motor Görlitz nominieren sie als OB-Kandidatin für 2019. Vor allem einer Partei wollen sie damit Paroli bieten.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

Ein Sitzungsmarathon liegt hinter der grünen Landtagsabgeordneten Franziska Schubert. Innerhalb einer Woche wurde sie von drei Organisationen als OB-Kandidatin für Görlitz aufgestellt. Es war ein Heimspiel für die 36-Jährige aus Ebersbach-Neugersdorf, die im nächsten Jahr die Nachfolge von Siegfried Deinege antreten will. Die Chronik ihrer Nominierung.

Montag

Im Restaurant „Jakobs Söhne“ sind rund 30 Bürger versammelt. Sie kennen sich alle sehr gut, die meisten arbeiten seit ein paar Monaten in der Initiative „Motor Görlitz“ mit. Aber auch Vertreter der Bündnisgrünen und der „Bürger für Görlitz“ sind gekommen, nur die Presse ist nicht eingeladen – es ist der einzige nicht-öffentliche Akt der Woche. Was man darüber weiß, weiß man allein aus den Berichten der Anwesenden. Es geht an diesem Abend nicht um eine förmliche Nominierung, „Motor Görlitz“ ist kein Verein – noch nicht, auch wenn die Gründung in Vorbereitung ist, wie Mitinitiator Mike Altmann ein paar Tage darauf Journalisten berichtet. Es ist vielmehr ein Akt der Zustimmung zur Kandidatur von Franziska Schubert. Sie ist in diesem Kreis bestens bekannt. „Anfang des Jahres haben wir uns zusammengesetzt“, berichtet Altmann, „und uns gefragt, wer denn ein geeigneter Kandidat ist, wenn Siegfried Deinege nicht mehr zur Verfügung steht.“ Schnell sei man auf Franziska Schubert gekommen, die Kühlhaus-Initiator Danilo Kuscher, aber auch Mike Altmann und der Kommunikationsberater Axel Krüger aus gemeinsamen Projekten kannten. Ihre erfrischende Art, ihre Expertise, ihre Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen, so listet Altmann vor Journalisten die Vorzüge von ihr auf. Bei einem Mittagessen am 21. März habe man auch die grundsätzliche Bereitschaft von ihr erhalten – doch verband das Franziska Schubert mit der Aufforderung nach einem breiten Unterstützerkreis. Was unter „Motor Görlitz“ mittlerweile bekannt ist, war anfangs eine lose Gruppe, die sich nach dem AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl fragte, wie ein Durchmarsch der Rechtsaußen-Partei bei den Kommunalwahlen verhindert werden könnte. Zu Beginn trafen sich mehr als 100 Görlitzer, jetzt sind noch 30 aktiv. 80 würden durch das Netzwerk erreicht. Sie wollen das Bürgerengagement fördern, eigene Bewerber bei der Stadtratswahl auf Listen anderer Wählervereinigungen und Parteien aufstellen und damit Lösungskompetenz in den Stadtrat bringen. Nach der Vorstellung und einer regen Diskussion, so wird berichtet, hätten die Anwesenden Franziska Schuberts Kandidatur mit stehend dargebrachtem Beifall unterstützt. Es sei in Richtung Ovationen gegangen, berichtet Grünen-Sprecher Joachim Schulze.

Donnerstag

Vier Tage später. Büro der Bündnisgrünen auf der Berliner Straße. 13 von 20 Mitgliedern des Stadtverbandes sind gekommen, es ist eng in dem Büro, warm, die Tür zur Berliner Straße steht auf. Franziska Schuberts zweites Heimspiel, es ist ihre politische Heimat. Joachim Schulze beschreibt, wie die Gespräche mit der CDU über einen gemeinsamen Kandidaten für den OB-Posten in Görlitz scheiterten, weil die CDU auf der Kandidatur ihres Stadt- und Kreisverbandsvorsitzenden Octavian Ursu bestand, den Grünen aber die Überparteilichkeit einer Kandidatur wie bei Siegfried Deinege wichtig war. „Wir sind nicht die Hilfstruppen der CDU“, sagt Schulze. Zumal deren Führungsanspruch auch nicht gerechtfertig sei angesichts der Aussicht, dass die CDU bei den Wahlen im nächsten Jahr „stark schrumpfen wird“. So kam die grüne Landtagsabgeordnete ins Spiel. Bei einem Gespräch zwischen Schulze und Frau Schubert in einem Görlitzer Café wurde aus der Idee eine Möglichkeit. Weitere Gespräche mit den „Bürgern für Görlitz“ folgten, dann war es klar. Sie soll nun verhindern, dass die Stadt „unter AfD-Herrschaft“ gerät. Schulze geht davon aus, dass die AfD alles daran setzen wird, „Görlitz zu knacken“. Das aber wäre eine Katastrophe. Mit Frau Schubert setzen die Grünen auf „Sieg, nicht auf Platz“, auch wenn ihnen bewusst ist, dass die Kandidatur „kein Selbstläufer“ ist, die Entscheidung vermutlich nicht im ersten Wahlgang fallen wird. „Danach haben alle viel zu beraten, wenn es spitz auf Knopf steht“, sagte Schulze. Franziska Schubert macht deutlich, dass sie sich für Görlitz entschieden hat: Die Stadträtin von Ebersbach-Neugersdorf wird sich nicht wieder um ein Mandat in ihrer Heimatstadt bewerben. Sie wird bei der Landtagswahl nicht in einem Wahlkreis kandidieren, auch nicht als grüne Spitzenfrau. Die grünen Mitglieder freuen sich über die Kandidatur, aber Oliver Tettenborn, der am IHI in Zittau die Öffentlichkeitsarbeit macht, äußert auch seine Sorgen, ob es angesichts der politischen Lage nicht besser gewesen wäre, wenn sich das demokratische Lager in Görlitz auf einen OB-Kandidaten geeinigt hätte. Am Ende erhält Frau Schubert alle 13 Stimmen der grünen Parteibasis für ihre Kandidatur.

Freitag

Der wichtigste Abend der Woche. Mitgliederversammlung bei den „Bürgern für Görlitz“ im Hotel „Insel der Sinne“. Hier ist Franziska Schubert noch am unbekanntesten, trotz einer internen Mitgliederversammlung zwei Wochen zuvor. Das Votum der zweitstärksten kommunalen Kraft soll ihrer Kandidatur aber besonderen Schwung verleihen. Tatsächlich sind 36 Mitglieder erschienen, sie haben die Voten von 27 weiteren Mitgliedern in der Tasche. So erhält sie am Ende 63 Stimmen – Wahlleiter Andreas Teichert ist das fast ein bisschen peinlich. Auch Bürger-Chef Michael Wieler lässt die vergangenen Wochen und Monate Revue passieren, ehe sich Frau Schubert zu ihren Beweggründen äußert. Aus ihrer Sicht ergibt sich die Kandidatur folgerichtig aus ihrer bisherigen Ausbildung und Arbeit: Wirtschafts- und Sozialgeografin ist sie, hat sich immer für europäische Grenzregionen interessiert, an der ungarisch-rumänischen Grenze geforscht. Dann übernahm sie das Haus ihrer Großmutter in Neugersdorf, engagierte sich zu Hause, als sie an der TU Dresden zu lehren begann. Bienenwiesen, Brachflächen, Förderverein des Schulverbundes „Šchkola“. Sie stamme aus einer Generation, für die Europa wichtig sei. Sie wolle einen freundlichen und offenen Wahlkampf führen, der auf die Menschen zugeht. Und sie habe keine Angst vor unbequemen Gesprächen. Sie prognostiziert einen Wahlkampf der neuen Art. Auf der einen Seite erwartet sie, dass mit Angst Politik gemacht werde. Sie, auf der anderen Seite, wolle dagegen einen Gegenpol bilden: wertschätzend, gesprächsoffen, freundlich. Als der langjährige Sport-Ausschussvorsitzende Günter Friedrich sie nach ihren sportlichen Ansichten befragt, fragt sie zurück, was er für Sport treibe. Als sie vom Tischtennis-Faible Friedrichs erfährt, sagte sie spontan: „Ich würde gern mit ihnen eine Runde spielen.“ Auch zur Sicherheitslage äußert sie sich an diesem Abend. Sie kenne die Lage. Wer sagt, das sei kein Thema, irre sich. Am Abend vorher spricht sie von einem „Sicherheitsproblem, das wir haben“. Sie wolle Veranstaltungen dazu organisieren und mit den Sicherheitsbehörden beraten, wie es behoben werden könne. Auch an diesem Abend gibt es Unterstützung. Carsten Liebig, langjähriger Bombardier-Manager, und der Ludwigsdorfer Ortsvorsteher Karsten Günther-Töpert offenbaren sich an diesem Abend als Anhänger von „Bürger für Görlitz“ und von Franziska Schubert. Der Chef der Freien Wähler, Roland Maiwald, wünscht nur das Beste, auch wenn er nicht verhehlt, dass im Landkreis nicht alle von der Kandidatur angetan sind, schließlich hätten Grüne und Freie Wähler im Kreistag nicht viele Projekte gemeinsam initiiert.

Sonnabend

15 Stunden später sitzen die Unterstützer ganz entspannt im Garten von „Jakobs Söhnen“. Wo die Woche begann, da klingt sie aus. Die Abstimmungen waren eindeutig, alle drei Organisationen stehen hinter Franziska Schubert, vielleicht kommen auch noch die Linken dazu, mit denen nun Themengespräche geführt werden. Die OB-Kandidatin rechnet aber nicht mit einem Ergebnis noch in diesem Jahr. Im Grunde, so fasst Joachim Schulze zusammen, gehe es ja in der Kommunalpolitik weniger um ideologische Fragen. „Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu suchen“, gibt er seiner Kandidatin mit auf den Weg. In neun Monaten werden sie sehen, ob auch die Wähler den Aufbruch spüren, den sie mit Franziska Schubert verbinden.