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Frau Weihnachtsmann hat wieder Durchblick

Hiltraud Dietrich bekam eine neue Brille. Die hat ihr angeblich der Osterhase geschenkt.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Klaus-Dieter Brühl

Großenhain. „Ja, ist denn jetzt schon Weihnachten?“ Die Kunden und Passanten in der Großenhainer Poststraße staunten nicht schlecht, bereits in dieser Woche den guten Alten zu sehen. Und zwar im Geschäft von Optikerin Carmen Naumann. Denn dorthin musste sich der Weihnachtsmann begeben, um sich seine neue Brille – die er angeblich vom Osterhasen geschenkt bekommen hatte – anpassen zu lassen. Was er öffentlichkeitswirksam in seiner bekannten Dienstkleidung tat, sogar eine Rute hatte er mitgebracht.

Dabei ist dieser Weihnachtsmann eigentlich eine Frau und heißt Hiltraud Dietrich. Doch sie kann ihre Stimme so verstellen, dass sie – zumindest bei den Kindern – gut als Knecht Ruprecht durchgeht. Und die ehemalige Rostigerin, die bereits seit 1980 in Boxdorf lebt, ist Weihnachtsmann mit Leib und Seele. Begonnen hat es 1982, als sie den Weihnachtsmann für ihren frechen Neffen spielen sollte. Also nahm sie einen ihrer Mäntel und ein Paar alte Stiefel vom Boden und schlüpfte in die gewünschte Rolle.

Was gerade noch mal gut ging, denn zwar hatte der freche Knabe durchaus Respekt, aber „der Weihnachtsmann hatte Deinen Mantel an“, sagte er hinterher zu seiner Tante. Also wurde im nächsten Jahr roter Stoff gekauft – es war Fahnenstoff. In der Radebeuler Schuhfabrik besorgte sich Hiltraud Dietrich Futterstoff als Pelzbesatz für das selbstgenähte Kleidungsstück, das sie stolz noch heute – nach immerhin 35 Jahren – trägt. Auch der Bart ist noch derselbe. „Der müsste eigentlich mal gewechselt werden, aber es gibt keine passenden, die heutigen Rauschebärte für den Weihnachtsmann sehen alle so künstlich und grellweiß aus, das geht gar nicht“, ist sie überzeugt.

Wenn dann die Saison beginnt, ist sie voll im Stress. Los geht´s immer am 1. Advent auf dem Rostiger Weihnachtsmarkt, dann folgt der Markt bei ihr zuhause in Boxdorf an der Mühle und am 3. Advent in Wahnsdorf. Dazu kommen zahlreiche Kinderweihnachtsfeiern in Kitas und Schulen, aber auch Weihnachtsfeiern für Erwachsene. Doch der Höhepunkt ist stets die Bescherung am Heiligabend. Zehn bis zwölf Familien besucht Frau Dietrich an diesem Tag in der Zeit von 13 bis zum Abend gegen 21 Uhr. Dank dem großen „Weihnachtsmannbuch“, das sie immer mit dabei hat, weiß sie über die Mädchen und Jungen, die sie beschenkt, genau Bescheid.

Da zahlt sich eben eine solide Vorfeld-Recherche aus. Auch die kleinen Begebenheiten am Rande ihrer Tour sind Hiltrud Dietrich wichtig. Da bekommen schon auch mal die Straßenbahnfahrerin oder der Müllmann ein kleines Geschenk. Und immer werden auch die Haustiere mit bedacht, „denn Hund und Katze gehören ja schließlich auch zur Familie“. Ein bleibendes Erlebnis war auch die Begegnung mit Semino Rossi bei einem Studiokonzert im Funkhaus kurz vor Weihnachten, wofür sie Karten gewonnen hatte und zu dem sie auch als Weihnachtsmann ging. „Der Semino hat sich so darüber gefreut“, schwärmt die 62-Jährige noch heute.

Das Schönste am Weihnachtsfest sind aber natürlich die strahlenden Kinderaugen, wenn das sehnlichst Gewünschte aus dem großen Sack geholt wird. Und damit er auch wieder gut im großen Weihnachtsmannbuch lesen kann, hat der gute Alte ja nun seine neue Brille.