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Freie Schule wirbt um Kinder

Die Werkschule in Naundorf existiert weiter. Die kleinen Klassen erlauben intensivere Betreuung.

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Von Benjamin Schuke

Ein Lied auf der Gitarre erklang in der Evangelischen Werkschule in Naundorf, als Eltern und Kinder die auferstandene Privateinrichtung besuchten. Bevor es in die Weihnachtsferien geht, wurde es im Inneren der Speisebaracke der staatlich anerkannten Oberschule noch einmal spannend. Der neunjährige Sven-Eric Wodtke wollte gemeinsam mit seinen Eltern herausfinden, ob es ihm hier gefallen wird. In zwei Jahren verlässt er die Grundschule und möchte dann weiter lernen.

„Bei uns werden die individuellen Stärken gefördert“, sagte Schulleiterin Angelika Gollmer. Mit einem Kennenlernspiel eröffnete die 61-Jährige die Runde, um besser mit den Gästen ins Gespräch zu kommen.

Neun Erwachsene und sechs Kinder waren gekommen. Während in der Mitte des Stuhlkreises eine Kerze brannte, durfte jeder mit dem Wurf eines Balles eine Frage verbinden. „Was gefällt Ihnen an Geografie?“, fragte Sven-Erics Bruder Ivo einen Lehrer. „Dass man es im täglichen Leben erleben kann“, gab Jan Griewald zur Antwort. Nach Vorstellung aller Gäste luden die Vereinsvorsitzende Uta Riese und die neue stellvertretende Schulleiterin Heike Bollmann die Eltern zu einem lockeren Gedankenaustausch bei Kaffee und Keksen ein. Die Kinder gingen ins Klassenzimmer und bastelten aus Papier einen Globus.

In der Werkschule stehen die Entdeckungsfreude der Kinder, der Umgang miteinander und ein breites Spektrum an praktischen Erfahrungen im Vordergrund. Dominik Fischer aus der neunten Klasse lernt gern. Nach der Straffung der Lehrmethoden ab diesem Schuljahr macht es ihm wieder mehr Spaß. „Vorher hatten die zwischen zwei Klassenzimmern eine Wand herausgenommen, sodass wir 40 Schüler waren. Es war sehr laut und eine Lehrerin verdrehte immer schon die Augen, wenn sie kam.“ Nun hat die Klasse nur noch zehn Kinder. Seine Praktika beim Berufsförderungswerk hätten ihm schon viel Einblick in die Arbeitswelt gegeben, sagt Dominik.

Schalungen bauen, Fliesen legen, Bücher binden und Fahrräder reparieren hat er schon gelernt. „Am besten hat es mir in der Mercedes-Werkstatt gefallen.“ Er überlegt, ob er Automobilkaufmann werden soll.

„Aber auch jetzt herrscht hier kein klassischer Frontalunterricht“, sagt Sven Fischer, der als Öffentlichkeitsbeauftragter nach seiner regulären Arbeit bis tief in die Nacht Videos der Schüler auf der Internetseite hochlädt. „Es ist nicht wie in den staatlichen Schulen, sondern die Lehrerin spricht mit den Schülern individuell“, so der 41-Jährige. Die Lehrmethoden werden den Wünschen der Schüler angepasst. „Die haben Mitspracherecht. Wir hatten eine Diskussion über Rauchen und Handys. Das geht nicht. Das mussten wir erklären, damit sie den Sinn der Regel selbst erkennen. Doch bei anderen Sachen wie dem Wunsch nach Frontalunterricht oder Verlassen des Geländes in der großen Pause konnten wir ihre Wünsche umsetzen.“ Letzteres gilt als Privileg der neunten und zehnten Klassen.

Gerolf Wodtke zieht für seinen zweiten Sohn hier eine positive Bilanz. „Wir können noch nicht einschätzen, ob das alles so ist, wie sie sagen“, sagte er. „Doch die Neugier und das natürliche Interesse zu wecken, erscheint mir sinnvoll.“ Dass Dominik Fischer seiner Schwester manchmal Zusammenhänge erfolgreich erklären könne, obwohl die auf das Gymnasium geht und er hierher, sei ein gutes Beispiel für den Erfolg in den Lehrmethoden. Weil es aber keinen Schulbus gibt und unklar ist, ob Gebühren fällig werden, hat sich Familie Wodtke noch nicht entschieden. „Es sind ja noch fast zwei Jahre Zeit“, sagte Vater Gerolf.

Finanzierung gesichert

Mit etwa 120 Spendern und vielen Ideen kann die Schule bald ihr Konzept der Förderung des individuellen Lebensweges mit praktischer Ausrichtung auf einer soliden Basis aufbauen. „Wir hatten 45 000 Euro Schulden“, sagte Uta Riese. „Die haben wir nun ausgeglichen.“ Ansonsten hätte die Schule keine Lehrer einstellen können. Die Finanzbeauftragte des Trägervereins Elisabeth Däbritz kann über das neue Gesetz zur besseren Ausstattung freier Schulen durch Staatsgelder noch keine Einschätzung geben. Weil es erst 2015 umgesetzt werde, wisse bisher keiner, was am Ende herauskommt. „Die Gleichbehandlung der Lehrer würde theoretisch eine bessere Bezahlung bedeuten“, sagte sie.