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Freie Schulen werden immer beliebter

Viele Eltern wollen ihre Kinder auf nichtstaatliche Schulen schicken. Die Waldorfschule Dresden reagiert nun darauf.

Von Nora Domschke
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Viel Bewegung und Sport, wenig Frontalunterricht – das gehört zu vielen Konzepten freier Schulen. Auch an der Dresdner Waldorfschule.
Viel Bewegung und Sport, wenig Frontalunterricht – das gehört zu vielen Konzepten freier Schulen. Auch an der Dresdner Waldorfschule. © dpa

Dresden bekommt einen neuen Schulstandort – und zwar ganz in der Nähe des Kaufparks Nickern. Diese Schule wird allerdings nicht von der Stadt gebaut, sondern vom Verein Neue Waldorfschule Dresden. Er ist einer von 45 freien Trägern, die in der Landeshauptstadt eine allgemeinbildende oder berufliche Schule betreiben. Und mit ihren besonderen Konzepten das Bildungsangebot erweitern. Die sind bei Eltern gefragt: Seit Jahren steigen die Anmeldezahlen an Privatschulen – deutschlandweit, aber insbesondere im Osten. Das zeigt eine Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW).

Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich die Zahl von Kindern und Jugendlichen an Privatschulen verdoppelt. In Ostdeutschland werden dort inzwischen fast zehn Prozent der Schüler unterrichtet. Oft ist die Nachfrage größer als das Angebot an Plätzen. Das ist auch in Dresden so, bestätigt Milena Rentsch, Leiterin der Neuen Waldorfschule Dresden. Sie hat 70 Anmeldungen auf dem Tisch, kann aber nur 24 Schüler pro Jahrgang aufnehmen. „Das Interesse der Familien ist seit Jahren gleichbleibend hoch“, sagt Milena Rentsch. Aus diesem Grund hat sie 2014 gemeinsam mit anderen Eltern und Pädagogen eine zweite Waldorfschule in Dresden eröffnet.

Damals habe es an der Freien Waldorfschule – der ersten in Dresden – 220 Anmeldungen für 64 Plätze gegeben. „Da fragten wir uns: Schickt man die Eltern weg? Oder gründet man eine zweite Schule mit diesem Konzept?“ Eine Schule, an der es keinen Frontalunterricht gibt, an der die künstlerische und handwerkliche Entwicklung des Kindes im Fokus steht. Heute zeigt sich: Immer mehr Dresdner Eltern wünschen sich ein individuelles pädagogisches Konzept für ihren Nachwuchs. Inzwischen reichen die Plätze auch an der Neuen Waldorfschule nicht mehr aus. Deshalb soll sie nun am größeren Standort in Niedersedlitz schnell wachsen. Dort ist später Platz für 650 Schüler.

Hier soll der neue Waldorfschul-Campus enstehen.
Hier soll der neue Waldorfschul-Campus enstehen. © René Meinig

Die Zeit drängt, denn schon von Beginn an war klar, dass der jetzige Standort in der früheren Landesbibliothek an der Marienallee eine Interimslösung ist. Denn die private Melli-Beese-Grundschule, die im selben Gebäude vom TÜV Rheinland betrieben wird, hat ebenfalls Erweiterungspläne.

Gemeinsam mit Geschäftsführerin Kathrin Köhler war Milena Rentsch in den vergangenen Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück, etwa 50 haben sie sich in Dresden angeschaut. In Niedersedlitz sind sie mit der als Sternhäuser-Areal bekannten Fläche fündig geworden. Im Januar wurden die Verträge unterzeichnet, die den Schulkomplex in der Nähe des Kaufparks Nickern möglich machen. Auf dem Campus wird es mehrere Gebäude geben, nicht nur für Schüler, sondern auch für Kindergartenkinder und Senioren, die in einer Tagespflege betreut werden. Passend zur Waldorfpädagogik wird es Werkstätten und eine Spielwiese, einen großen Schulgarten und ein Tiergehege geben.

Während das Lernen an einer kommunalen Schule kostenlos ist, müssen Familien bei freien Trägern Schulgeld zahlen. Trotzdem wächst der Zulauf: In Sachsen besuchen 69 700 Jungen und Mädchen 405 freie Schulen. Das sind rund 1 700 mehr als im vergangenen Schuljahr. Die Zahl der freien Schulen stieg von 399 auf 405. Vor zehn Jahren waren es erst 156 Schulen. In Dresden stieg die Zahl allgemeinbildender und beruflicher Schulen von 211 im Schuljahr 2016/17 auf 235 im aktuellen Schuljahr. Bei den Berufsschulen fallen darunter allerdings auch die einzelnen Bildungsgänge, die jeweils vom Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) genehmigt werden müssen. Wie viele Kinder in Dresden an freien Schulen lernen, wird beim Lasub statistisch nicht erhoben.

Von Interesse ist für die Behörde ohnehin vielmehr, wie die Kinder lernen. „Jedes pädagogische Konzept wird an seiner erfolgreichen Umsetzung gemessen“, sagt Lasub-Sprecherin Petra Nikolov. Es müsse erkennbar sein, dass mit dessen Anwendung der Bildungserfolg der Schüler gewährleistet werden kann. Dass dabei die Meinungen weit auseinandergehen können, zeigt der Fall der Natur- und Umweltschule.

Nach jahrelangem Streit entschied ein Gericht 2018, dass dem Konzept das besondere pädagogische Interesse fehle, weil es nicht sinnvoll umgesetzt werden könne. An der Natur- und Umweltschule wurden die Kinder überwiegend im Freien unterrichtet, ein Konzept, das viele Dresdner Familien begeisterte. Das Lasub verweigerte indes die Genehmigung, und die erst 2011 eröffnete Schule musste Ende des letzten Schuljahres schließen. Daran konnte auch der Protest der betroffenen Familien letztlich nichts ändern.

Die Landtagsfraktion der Grünen will sich des Themas nun erneut annehmen: Auf ihren Antrag hin wurde Ende Januar im Landtag über die Petition zum Erhalt der Schule gesprochen. „Das Schicksal der Natur- und Umweltschule Dresden deckt wie kein anderer Fall Defizite im Genehmigungsprozess von Schulen in freier Trägerschaft auf“, sagt Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion.