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Freifrau in der Gersdorff-Schule

Die Großhennersdorfer Grundschule trägt ihren Namen erst seit Kurzem. Nun hatten die Kinder blaublütigen Besuch.

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© Thomas Eichler

Von Gabriel Wandt

Sie geht offen und direkt auf die Kinder zu – und die sind begeistert. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass eine Nachfahrin großer Adelsgeschlechter in die heimische Grundschule kommt. Die Jungen und Mädchen aus der Henriette-Sophie-von-Gersdorff-Grundschule in Großhennersdorf konnten das jetzt erleben. Nicoline Freifrau von Ulmenstein war zu Gast in der großen Aula, und ließ sich von den Kindern ausfragen. Wie sie denn mit der Namensgeberin der Schule verwandt sei, war eine Frage. Die Sophie sei wie eine entfernte Cousine, lautete die Antwort. Es ist auch schwierig zu erklären: Immerhin hat die eine Frau vor 300 Jahren gelebt und die andere lebt im Hier und Jetzt. Trotzdem: Frau von Ulmenstein führte bis zu ihrer Hochzeit auch den Namen von Gersdorff. Und sie ist begeistert davon, dass eine Grundschule den Namen sowohl ihrer Familie als auch ganz speziell ihrer Vorfahrin trägt. Denn das ist noch ziemlich frisch.

Erst im zeitigen Sommer hat die Grundschule eine große Festwoche durchgeführt, an deren Ende die offizielle Namensgebung stand. Schulleiterin Anke Kaczmarek erinnerte an die vielen Aktionen, die die Kinder damals auf die Beine gestellt hatten. Und sie erinnert an die Namenssuche. Der Weg zu Sophie von Gersdorff war gar nicht so direkt. Zunächst kursierten verschiedene andere Vorschläge, bis die einstige Grundherrin von Großhennersdorf in den Blick rückte. Die Idee fand viel Zuspruch im Ort. Die Großhennersdorfer konnten sich mit dem Namen identifizieren, sagt die Schulleiterin, die auch im Herrnhuter Stadtrat engagiert ist. Immerhin hat Henriette Sophie von Gersdorff viel Gutes für den Ort getan. Sie habe das Wohl aller Menschen im Ort im Blick gehabt, sagt ihre Nachfahrin von Ulmenstein. Sie habe die Bildung gefördert, und sie habe sich bereits vor 300 Jahren dafür eingetzt, dass auch Mädchen etwas lernen konnten. Tatsächlich hat Henriette Sophie von Gersdorff 1721 Teile ihres Gutes gestiftet, um darin ein Armen- und Waisenhaus einzurichten. Wichtiges Ziel dieses Hauses war die Bildung, wobei sehr bewusst Kinder aus reichem Hause neben armen Kindern unterrichtet wurden. Das Waisenhaus wurde später zu Ehren von Sophies Mutter Katharinenhof genannt. Dieser Name ist bis heute erhalten. Ein großes Vorbild seien damals die berühmten Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale gewesen, erzählt Frau von Ulmenstein weiter. Da habe es Briefwechsel gegeben, Sophie von Gersdorff habe sich Anregungen geholt, die sie in Großhennersdorf umgesetzt habe.

Dass nun eine Schule diesen Namen trägt, freut die Dame mit dem besonderen Stammbaum. Sie lebt heute in der Lüneburger Heide, kommt inzwischen aber öfter in die Oberlausitz. Als sie aus der Sächsischen Zeitung von der Namensgebung der Grundschule erfahren hatte, nahm sie Kontakt auf. Ihr war schnell klar, dass sie die Schule besuchen wollte. Im Gespräch vor Ort bekannte sie dann, dass sie zunächst sehr vorsichtig angefragt habe – unsicher, ob eine Kontaktaufnahme der Adelsnachfahren denn tatsächlich positiv aufgenommen werden würde. Doch Schüler und Schulleitung freuten sich über den Kontakt, wie Leiterin Kaczmarek bekräftigt. Nun ist ein Briefwechsel entstanden, der auch in Zukunft fortgesetzt werden soll. Und auch die Zeichen für ein Wiedersehen stehen gar nicht schlecht: Nicoline Freifrau von Ulmenstein ist seit einem Jahr für das Archiv des Familienverbands zuständig. In dieser Funktion war sie dieses Jahr schon im Bautzner Archiv, wo sich verschiedene Schriften zu denen von Gersdorff befinden. Sie ist jetzt Mitglied der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften und hat ihren Großhennersdorfbesuch auch mit einem Treffen in dieser Runde verbunden. Es wird nicht das Letzte gewesen sein. Und nächstes Jahr findet das regelmäßige Gersdorffsche Familientreffen in Herrnhut statt. Mehr als 100 Nachfahren könnten dann in die Stadt kommen, die schließlich nur einen Steinwurf von Großhennersdorf entfernt ist. Ein Besuch für interessierte Gersdorffs in der -Grundschule wurde jedenfalls schon mal locker vorbesprochen.

Dass eine Schule einen Gersdorff-Bezug hat, ist unterdessen ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal, sagt Frau von Ulmenstein. So geht zwar der Name Luisenschule in Görlitz auf eine von Gersdorff zurück, ansonsten gebe es so etwas im Bildungsbereich eher nicht. Es sei ein echtes Geschenk, wie Schule und Kinder die Erinnerung an Henriette Sophie aufgreifen, zeigte sich die Freifrau erfreut.

Und auch die Schulleiterin ist froh, bei der Namenswahl offensichtlich ein glückliches Händchen gehabt zu haben. Ihr sei es wichtig gewesen, mit dem Namen etwas Konkretes verbinden zu können. Mit der Projektwoche hat das Kennenlernen der berühmten Großhennersdorferin nun begonnen. Nun sollen weitere Spuren entdeckt werden, unter anderem nächstes Jahr als Fortsetzung mit einem weiteren Projekttag.