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Freispruch nach tödlichem Schulwegunfall bei Hochkirch

Der Autofahrer wurde vom Gericht entlastet. Er hatte laut Gutachten keine Chance, den Zusammenstoß mit einer 13-Jährigen zu verhindern.

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Von Christoph Scharf

Der Unfallhergang dauerte nur Sekunden: Im Lichtschein des Scheinwerfers taucht plötzlich ein dunkel gekleidetes Kind auf der Fahrbahn auf. Der Fahrer des Nissan tritt noch auf die Bremse – da kracht es auch schon. Das Ergebnis: Das 13-jährige Mädchen wird auf der B 6 bei Hochkirch auf die Motorhaube geschleudert, prallt mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, fliegt danach durch die Luft und landet auf der Straße. Durch seine schweren Schädelverletzungen stirbt die Schülerin noch an der Unfallstelle.

Mit dem Bewusstsein, im Februar 2009 ein Kind totgefahren zu haben, muss ein 38-Jähriger nun sein Leben lang klarkommen. Juristisch hat ihm das Bautzener Gericht gestern allerdings eine weiße Weste ausgestellt. Denn nach Ansicht eines Gutachters hätte der Maurer den Zusammenstoß kaum verhindern können. An jenem Wintermorgen war er an der Stelle, wo Tempo 100 zulässig ist, etwa 80 gefahren – und konnte dennoch nicht mehr rechtzeitig bremsen.

Nach Aussagen mehrerer Zeugen war das Unfallopfer direkt hinter einem Bus zügig auf die Straße gelaufen, ohne vorher nach rechts zu schauen. Für den Autofahrer war das Kind im letzten Augenblick zu sehen, da es um 6.35 Uhr noch stockfinster war. Sein Anwalt plädierte deshalb auf Freispruch: „Mein Mandant hatte keine Chance, den Unfall zu vermeiden.“

Staatsanwältin fordert Strafe

Die Staatsanwältin hatte dagegen eine Geldstrafe von 2 400 Euro gefordert. „Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung ist erfüllt, weil der Fahrer gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat.“ Demnach darf jeder Verkehrsteilnehmer nur genau so schnell fahren, dass er innerhalb seines einsehbaren Bereichs noch rechtzeitig anhalten kann.

Laut Gutachten hätte der Fahrer unter den Sichtbedingungen den Unfall allerdings nur verhindern können, wenn er auf der Bundesstraße maximal Tempo 45 gefahren wäre. „Demnach müsste man also nachts auf der Landstraße also ständig nur 45 fahren“, sagte der Verteidiger. Das Gericht schloss sich der Ansicht des Anwalts an und sprach den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. „Er konnte nicht wissen, dass jemand zügig und unvermittelt mitten in den Lichtkegel auf die Straße läuft“, sagte der Richter. „Jeder Verkehrsteilnehmer könnte in dieselbe Situation kommen.“

Nach dem Unfall war diskutiert worden, an der Stelle ein Tempolimit zu verhängen. Allerdings lehnten die zuständigen Behörden das ab. Die Kreuzung sei kein Unfallschwerpunkt. Laut Gutachter wäre der Zusammenstoß auch in einer 70-Zone unvermeidbar gewesen.