Merken

Freistaat verkauft Wohnheim

Die letzten Studenten im Görlitzer Hirschwinkel-Wohnheim sind Ende voriger Woche ausgezogen. Deren Vermieter aber hat jetzt ganz neuen Ärger.

Teilen
Folgen
© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Zwei Sofas vor dem Haus sind alles, was noch an die Mieter erinnert. „Ja, die letzten Studenten sind Ende voriger Woche aus dem Hirschwinkel-Wohnheim ausgezogen“, sagt Martin Richter, Geschäftsführer beim Studentenwerk Dresden. Einen Monat später als ursprünglich geplant ist das Gebäude damit leer. Nachdem der Freistaat am 12. Juni entschieden hatte, dass aus dem Haus kein Erstaufnahmelager für Flüchtlinge wird, durften die Studenten bis Ende Juli wohnen bleiben – und damit bis nach der Prüfungszeit.

Nun steht das Haus vor einer ungewissen Zukunft. „Wir geben es zurück an den Freistaat und der wird es schnellstmöglich zum Verkauf anbieten“, erklärt Richter. Er hoffe, dass der Verkauf noch dieses Jahr über die Bühne geht. Bisher ist alles offen, es gibt keine Interessenten: „Es wurde ja noch nirgendwo angeboten.“ Das Studentenwerk übernimmt vorerst die Sicherung und weitere Betreuung: „Der Hausmeister ist da, bis das Gebäude verkauft ist.“

Nach Aussage des Studentenwerkes ist der Auszug der Mieter relativ problemlos verlaufen. Von 32 Bewohnern sind 22 bereits im Juni ausgezogen, erklärt Thomas Neumann, der die Außenstelle Zittau/Görlitz leitet. Die anderen zehn sind im Juli ausgezogen. Insgesamt hätten sich 16 Studenten für einen Umzug ins größere Vogtshof-Wohnheim entschieden und acht für eine Wohnung oder WG auf dem freien Markt. „Bei den anderen acht Bewohnern endete der Mietvertrag sowieso“, sagt Neumann. Wer in den Vogtshof gewechselt ist, darf bis Ende September zu den alten Konditionen wohnen. Länger nicht, denn das wäre laut Richter „ungerecht gegenüber den anderen Vogtshof-Bewohnern.“

Die Hochschulleitung freut sich, dass die Studenten letztlich doch nicht in der Prüfungszeit ausziehen mussten. Diese endete nach Aussage von Kanzlerin Karin Hollstein am 17. Juli, sodass danach noch zwei Wochen für den Auszug blieben. „Mir ist nichts zu Ohren gekommen, dass es Probleme gegeben hat oder jemand durch den Umzug in seinen Prüfungen behindert wurde“, sagt Karin Hollstein. Mit dem bevorstehenden Verkauf des Gebäudes hat sie kein Problem: „Im Vogtshof gibt es ja genug Plätze, sodass die Unterbringung der Studenten, die gern im Wohnheim leben möchten, gesichert ist.“ Zudem sei der freie Wohnungsmarkt entspannt.

Die Stadtverwaltung gibt sich zu dem Thema sehr einsilbig. „Uns ist bekannt, dass auf die Prüfungszeit Rücksicht genommen wurde“, so Sprecherin Anett Böttger. Mehr will sie nicht sagen: „Alles Weitere liegt ja in der Hand des Studentenwerkes.“

Das hat jetzt ganz neuen Ärger auf dem Tisch. Zwar sind die Studenten ausgezogen, aber vorher sind mehrere von ihnen Mitglied im Mieterverein geworden, um sich rechtliche Hilfe zu holen. „Schon beim ersten Durchsehen des Mietvertrages standen mir die Haare zu Berge“, schildert Geschäftsführer Stephan Brünn. Sofort seien ihm Vertragsklauseln aufgefallen, die ganz offensichtlich gegen geltende Gesetze verstoßen. Darunter ist zum Beispiel die Regelung, dass das Studentenwerk den Umzug in ein anderes Wohnheim verlangen kann, wenn das zur Sicherung berechtigter Interessen des Studentenwerkes erforderlich ist – wie jetzt in Görlitz geschehen.

„Deshalb haben wir das Studentenwerk aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu neun Klauseln des Mietvertrages abzugeben“, sagt Brünn. Das Studentenwerk habe daraufhin mitgeteilt, dass es eine solche Erklärung nicht abgeben werde. „Wir haben nun Klage beim zuständigen Landgericht Leipzig auf Unterlassung dieser Klauseln erhoben“, so Brünn. Dem Studentenwerk werde für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis 250 000 Euro angedroht. „Das wird jetzt teuer für das Studentenwerk“, sagt Brünn. Dass die letzten Studenten vom Hirschwinkel trotzdem ausgezogen sind, bedauert Brünn. Die Klage will er trotzdem durchboxen: „Das ist eine generelle Frage, auch für die Zukunft, denn das Studentenwerk Dresden bleibt ja weiter am Markt.“