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Freital-Prozess auf der Zielgeraden

Die Bundesanwaltschaft will keine weiteren Zeugen hören und das Verfahren abschließen. Die Anwälte der Nebenklage sehen das anders.

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© dpa

Von Karin Schlottmann

Dresden. Im Prozess gegen die mutmaßliche Terrorgruppe Freital sieht die Bundesanwaltschaft keinen weiteren Aufklärungsbedarf. Oberstaatsanwalt Jörg Hauschild sagte am Freitag, er werde keine weiteren Beweisanträge stellen. Ob die Beweisaufnahme nun beendet werden kann, ist jedoch offen. Die Vertreter der Nebenklage forderten den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf, ein gutes Dutzend weiterer Zeugen zu laden. Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk beantragte zur Aufklärung der Anschläge, der inneren Gruppenstruktur sowie der rechtsradikalen Gesinnung die Ladung neuer Zeugen, unter anderem aus dem Umfeld der rechtsextremen Freien Kameradschaft Dresden.

Auch der Freitaler Kommunalpolitiker der Linken, Michael Richter, solle erneut vernommen werden. Er könne bestätigen, dass sein Umzug von Freital nach Bayern eine Reaktion auf den Sprengstoffanschlag auf sein Fahrzeug sei. Pietrzyk zitierte zudem aus Chatprotokollen, die „Tötungsfantasien eines Angeklagten“ belegen könnten – ein wichtiger Punkt bei der Strafzumessung, sagte sie. Wenn er an der Macht sei, so soll ein Angeklagter geschrieben haben, würden alle Asylanten bei lebendigem Leibe verbrannt werden, auch Frauen und Kinder.

Das Gericht muss die Anträge nun prüfen und entscheiden, ob es die Zeugen lädt. Der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann setzte die nächsten beiden Verhandlungstage deshalb ab. Einen der sieben Vorwürfe aus der 161 Seiten umfassenden Anklage gegen die Gruppe Freital hat das Gericht am Freitag eingestellt. Es geht darin um die Vorbereitung weiterer Sprengstoffanschläge. Die Bundesanwaltschaft hatte diesen Anklagepunkt mit dem Fund großer Sprengstoffvorräte in den Wohnungen von fünf Angeklagten begründet. Sogar im Spind des Arbeitgebers hatte ein Angeklagter 88 Stück Pyrotechnik der Marke „Dum Bum“ aufbewahrt. Welche Pläne sie mit den illegalen Böllern konkret verfolgt haben könnten, ließ sich allerdings im Prozess nicht aufklären.

„Austauschbares Rad im Getriebe“

Der Prozess gegen die acht Angeklagten, sieben Männer und eine Frau, hat am 7. März begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Sachsen vor. Sie sollen zudem eine links-alternative Wohngemeinschaft in Dresden mit Sprengstoff und Buttersäure angegriffen sowie ein Parteibüro der Linken zerstört haben.

Einer der Angeklagten war zur Tatzeit 18 Jahre alt. Die Jugendgerichtshilfe sprach sich am Freitag in ihrer Stellungnahme dafür aus, im Fall von Justin S. Jugendstrafrecht anzuwenden. Er sei ein jugendtypischer Mitläufer, der sich selbst als „austauschbares Rad im Getriebe“ der Gruppe sehe. Über seine rechtsextreme Einstellung habe sie jedoch nicht mit ihm gesprochen, gab sie auf Nachfrage der Bundesanwaltschaft zu. S., der wie die anderen Angeklagten auch in Untersuchungshaft sitzt, sei in einer „familienorientierten Wohngruppe“ untergebracht worden und habe einen Teil seiner Ausbildung dort beenden können. Er hatte im Prozess als Erster ausgesagt und sich selbst sowie andere Mitglieder der Gruppe Freital belastet.