Freital
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Als Freital mit Dresden kokettierte

Vor 90 Jahren gab es Gerüchte, Geheimdiplomatie der Rathauschefs und jede Menge Streitgespräche. Doch eine Heirat gab es nicht.

Von Heinz Fiedler
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Am Einnehmerhaus beginnt Freital, aus der Tharandter wird die Dresdner Straße.
Am Einnehmerhaus beginnt Freital, aus der Tharandter wird die Dresdner Straße. © Siegfried Huth

Die Stadt spielt verrückt. Als im Frühsommer 1931 eigentlich die Weichen für die Festlichkeiten zum 10. Jahrestag der Gründung der Stadt Freital gestellt werden müssten, da brodelt rund um den Windberg die Gerüchteküche. Man weiß es aus ganz sicherer Quelle: Dresden will sich Freital einverleiben.

Nicht eben ein neues Lied. Schon Anfang der 20er-Jahre meldeten sich zwischen Deuben und Potschappel Leute zu Wort, die den Anschluss an die Elbmetropole forderten. Nur an Dresdner Seite, so argumentierten sie, könne unsere Gegend zu Glanz und Ansehen gelangen.

Ein Witz macht die Runde: Man möge in Höhe der Heidenschanze eine Sprengung auslösen, dass auf diese Art angestaute Wasser der Weißeritz würde die unscheinbaren Gemeinden des Grundes unter Wassersetzen. Damit sei gewissermaßen das Thema ein für alle Mal erledigt.

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Es sieht 1931 in der jungen Stadt nicht rosig aus. Freital genießt den traurigen Ruhm, steuerschwächste Stadt Sachsens zu sein. Im Wechsel mit Pirna hat Freital die höchste Erwerbslosenquote. Die finanzielle Lage ist ruinös, man hat mit einem Schuldberg von sieben Millionen Mark zu leben. Verzweifelt hält man im Rathaus Ausschau nach einem Weg aus dem Dilemma. Im linksorientierten Stadtparlament mehren sich die Stimmen, die sich von einem Anschluss an Dresden eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erhoffen.

Wochen der Geheimdiplomatie brechen an. Freitals Oberbürgermeister Klimpel und sein Dresdner Kollegen Dr. Külz nehmen hinter verschlossenen Türen erste Sondierungsgespräche auf. Während einer Pressekonferenz wird Külz unter anderem erklären, dass er ausdrücklich das Wort „Vereinigung“ nicht gebrauche, von einer Eingemeindung könne keine Rede sein. Es gibt Verhandlungen, doch bis jetzt keinerlei konkrete Ergebnisse – das letzte Wort haben ohnehin die Einwohner, so Dr. Külz.

Jeder sieht die Sache anders

Immerhin konstituiert sich ein Vereinigungskomitee, führende Vertreter kommunaler Bereich beraten mögliche Maßnahmen. Zu den wenigen Trumpfkarten Freitals zählt die Trinkwasserfrage. Hier besitzt die Stadt Freital gegenüber Dresden eine Art Schlüsselposition. Freital hat sich ein 15-jähriges Vorverkaufsrecht für die Talsperren im Weißeritzgebiet gesichert und kann überdies 300 Sekundenliter Trinkwasser aus der im Bau befindlichen Lehnmühlentalsperre in Anspruch nehmen.

Nach Presseberichten zeigt sich Freital bereit, diese Vorrechte für 1,5 Millionen Reichsmark an Dresden zu verkaufen. Ein Vorvertrag sei bereits in Arbeit. Klimpel muss sich in diesem Zusammenhang den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit dem Millionenbetrag keine Schulden tilgen wolle. Ihm gehe es vielmehr darum, den seit Längerem geplanten Bau eines Krematoriums und eines Freibades an den Windberghängen zu finanzieren.

Die öffentliche Meinung zum Thema Freital/Dresden ist gespalten. Parteipolitische Interessen sind im Spiel, führen zu einer Reihe von Unsachlichkeiten. Freitals Arbeiterschaft steht zum Teil im Lager der Befürworter und man hat Argumente. Man brauche bloß die Vorortzüge früh und abends zu betrachten, um zu sehen, dass schon heute viele Einwohner aus dem Plauenschen Grund in Dresden Lohn und Brot fänden, das würde sich mit einem Anschluss noch intensivieren.

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Ganz anders die Haltung der Industrie, der Gewerbetreibenden und Hausbesitzer. Für sie ist eine Zugehörigkeit zu Dresden gleichbedeutend mit noch höheren Steuern und einer, was die Handelsbranche anbetrifft, übermächtigen Konkurrenz.

Heftige Debatten und schrille Töne begleiten die Beratungen der Stadtverordneten. Rechte Kreise lehnen eine Vereinigung rundweg ab. Sie würde keinerlei Vorteile mit sich bringen, der Verwaltungsapparat bliebe aufgebläht. Ganz abgesehen davon würden Begriffe wie Heimatverbundenheit und Bodenständigkeit verwässert. Man wolle offensichtlich mit Freitals Unterstützung die Mehrheitsverhältnisse im Dresdner Parlament in Richtung Links bekräftigen.

In Dresden selbst kühlt sich die Begeisterung ab, man hat es satt, ständig mit neuen Schwierigkeiten konfrontiert zu werden. Überdies sei die Finanzlage der Metropole zum Zerreißen gespannt, da könne man Freitals Schuldenlast nicht auch noch mit tragen helfen.

Geburtstag mit wenig Aufwand

Freitals 10. Geburtstag geht im Oktober 1931 ohne großen Aufwand über die Bühne. Noch ist das Thema Dresden und Freital Bestandteil der Tagesordnung, aber man befindet sich auf dem Rückzug.

Zwei Städte hatten miteinander kokettiert – doch die Hochzeit fand nicht statt. Das große Dresden wäre ganz gern noch ein bisschen größer geworden, freilich nicht um jeden Preis. Dem ungleich kleineren und ärmeren Freital blieb die Souveränität, was wohl dem Willen der meisten Einwohner entsprach.