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Pflegeschnitt für die Pesterwitzer Pesteiche

Das Exemplar ist fast 400 Jahre alt. Damit der Baum noch lange steht, wird die Krone zusätzlich über ein spezielles Gurtsystem gesichert.

Von Annett Heyse
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Die Pesteiche von Pesterwitz ist einer von 16 besonders geschützten Bäumen in Freital.
Die Pesteiche von Pesterwitz ist einer von 16 besonders geschützten Bäumen in Freital. © Foto: Karl-Ludwig Oberthür

Die Säge heult auf, dann fällt der nächste Ast auf die Straße. Mit einem lauten Ritsch-Ratsch verschwindet das Holz im Schredder. Auf dem dahinter stehenden Transporter häuft sich bereits das gehäckselte Material. Und es dürfte noch einiges im Verlaufe des Tages dazukommen. Denn die Männer der Baumpflege Fleischer aus Dresden haben es mit einem besonders ausladenden und wuchtigen Baum zu tun.

Die sogenannte Pesteiche, die in Freital-Pesterwitz an der Straße "An der Winzerei" unweit der Töpferei wächst, ist groß und alt. Sie geht auf die 400 Lebensjahre zu. Ortschronist Eberhard Kammer weiß zu berichten, dass der Baum zusammen mit weiteren Vertretern seiner Art im Jahr 1681 auf damaliges Kirchenland gepflanzt wurde - als späterer Holzlieferanten.

In jener Zeit wütete in der Region Dresden die Pest, auch in Pesterwitz starben Menschen an der furchtbaren Seuche. Im Jahr 1682 führt die Ortschronik 42 Pesttote auf. Für die jungen Bäume setzt sich im Volksmund daher schnell der Begriff von den "Pesteichen" durch.

Eiche wäre beinahe zur Panzersperre geworden

Dabei handelt es sich wohl um Stieleichen, die damals gepflanzt wurden. Zumindest ist das einzig noch stehende Exemplar von dieser Art. Die anderen Pesteichen wurden im Laufe der Jahrhunderte gefällt. "Die Eichen wuchsen zu stattlichen Bäumen heran und wurden von der Kirche als Nutzholz verkauft, zu Brettern verarbeitet oder für die Gerberei in Dippoldiswalde verwendet. Während und nach Kriegsjahren diente manche Eiche als Brennmaterial", schrieb Ortschronist Kammer in einem Aufsatz 2004.

Die letzte verbliebene Pesteiche wäre beinahe 1945 gefällt worden. Laut Eberhard Kammer sollte sie als Panzersperre dienen. Es kam anders. Die Eiche konnte weiter wachsen, ihre Höhe beträgt inzwischen deutlich über 20 Meter, der Stammumfang hat die Fünf-Meter-Marke längst gerissen.

Das nun die Baumpfleger anrücken, hängt mit der Sicherheit zusammen, aber auch mit dem Willen, die Pesteiche - mittlerweile als Naturdenkmal eingestuft - so lange wie möglich zu erhalten.

Eiche ist inzwischen Naturdenkmal

Auf dem Gehweg vor der Eiche steht Michael Weidner. Er ist Bereichsleiter bei der Baumpflege Fleischer. "Bäume, die Naturdenkmale sind, haben wir immer mal wieder als Pflegeauftrag. Aber es ist dennoch etwas Besonderes für unsere Mitarbeiter." Beeindruckend seien solche mächtigen Bäume. "Da verspürt man schon mal Ehrfurcht", sagt Weidner.

Die abgeschnittenen Äste wurden gleich vor Ort gehäckselt.
Die abgeschnittenen Äste wurden gleich vor Ort gehäckselt. © Foto: Karl-Ludwig Oberthür

Die Pesteiche gehört zwar der Stadt Freital, jedoch ist das Landratsamt Auftraggeber für den Pflegeschnitt. Dessen Naturschutzbehörde kontrolliert alle Naturdenkmale jährlich und legt fest, wo und wann eingegriffen werden muss.

Zuletzt hatte sich in der Krone der Pesterwitzer Pesteiche viel Totholz gebildet. Das wird nun herausgeschnitten. Zudem werden Äste, die als bruchanfällig eingeschätzt werden, gekappt - insbesondere auf der Seite, wo die Eiche über die Straße ragt. So ein Pflegeschnitt werde aller paar Jahre fällig, erklärt Michael Weidner. "Wie häufig, ist abhängig vom Gesamtzustand und der Vitalität des jeweiligen Baumes."

Pesteiche ist einer der ältesten Bäume von Freital

In der Liste von Freitals Naturdenkmalen sind insgesamt 16 alte und besonders schützenswerte Bäume aufgeführt. Nur fünf dieser Bäume stehen auf kommunalem Grund und Boden, die anderen Bäume sind in Privatbesitz oder stehen auf Kirchenland. Dazu gehört zum Beispiel eine mächtige Eibe im Pfarrgarten von Somsdorf.

Ebenfalls als Naturdenkmal gelten unter anderem eine Blutbuche am Clemens-Hanusch-Weg im Stadtteil Niederhäslich und vier Edelkastanien - das sind die mit den Maronen - an der Straße nach Rabenau. Ähnlich alt wie die Pesterwitzer Pesteiche sind die "Grenzeiche" im Grünen Tälchen am Hammerbach in Oberpesterwitz und die Sommerlinde an der Zöllmener Straße in Wurgwitz.

Doch all diese Baumschönheiten eint ein Problem: Sie werden nicht jünger. Wie der Mensch werden sie im Alter von allerlei Zipperlein und Krankheiten geplagt. Auch vor der Pesterwitzer Pesteiche macht der Zerfallsprozess nicht halt. Etliche dicke Äste mussten bereits entfernt werden.

Sicherungsgurte für besseren Halt

Damit die mächtigen Äste der Krone Stürmen widerstehen, wurden schon vor Jahren zwölf Sicherungsseile verspannt. Diese werden nun ausgetauscht, wie Baumexperte Weidner erläutert. "Wir nutzen dafür Hohltaue. Diese sind dynamisch, lassen also dem Baum eine gewisse Bewegungsfreiheit zu." Damit können die Äste heftigen Böen ausweichen, sind jedoch gleichzeitig gesichert.

Ein Mitarbeiter der Baumpflege Fleischer aus Dresden schneidet Totholz aus der Krone. Hier sieht man auch die Hohltaue, die gespannt wurden, um die Krone zu stabilisieren.
Ein Mitarbeiter der Baumpflege Fleischer aus Dresden schneidet Totholz aus der Krone. Hier sieht man auch die Hohltaue, die gespannt wurden, um die Krone zu stabilisieren. © Foto: Karl-Ludwig Oberthür

Außerdem erhält der Baum demnächst auch eine statische Gurtsicherung. Diese wird um den Kronenansatz gelegt. Das ist der Bereich, wo der Stamm an Stelle der ersten Gabelungen in die Krone übergeht. Diese statischen Gurte werden auf Maß angefertigt, Wartezeiten inklusive.

Einige Wochen nach dem Pflegeschnitt müssen die Männer der Baumpflege Fleischer also nochmal zur Pesteiche kommen, um diese Sicherungsgurte anzubringen. Derart präpariert, soll die Pesterwitzer Pesteiche noch lange gedeihen.