Freital: Erinnerung an berühmte Ballonfahrerin

Eine Frau, die in einem Ballon fährt? Eigentlich kein Problem. Heute braucht man nur zum Telefonhörer greifen und dergleichen buchen. Und wenn man selbst steuern möchte, kniet man sich eben in das Hobby rein. Das größte Problem dürften dabei am ehesten die Finanzen sein.
Ganz anders war die Lage im April 1811. Weder war die Technik sonderlich ausgereift, noch ziemte es sich überhaupt für eine Frau, in einen Ballon zu steigen, schon gar nicht alleine. Wilhelmine Reichard hat das trotzdem gemacht und startete damals von Berlin aus zu ihrer ersten Solofahrt. Um die 5.000 Meter hoch soll sie dabei über dem Land gewesen sein. Später stieg sie bis in 7.500 Meter Höhe auf.
Damit war sie nicht nur die erste Ballonfahrerin Deutschlands überhaupt, sondern leistete auch auf wissenschaftlichem Gebiet eine Pioniertat, deren weitere folgten. Daran wird nun an der Ecke Reichardstraße/Burgker Straße erinnert. Unweit ihres Wohnhauses, wo sie bis zu ihrem Tod 1844 lebte, wurde diese Woche eine Erinnerungstafel aufgebaut.
Projekt vom Landesfrauenrat
Initiiert hat die Aktion Landesfrauenrat Sachsen, einem Dachverband, in dem 43 Organisationen, Verbände und Vereine eingeschrieben sind. "Hinter uns stehen sozusagen 170.000 Frauen in Sachsen", sagt Vorsitzende Susanne Köhler.
Damit auch die Leistungen vieler Frauen mehr in den Blickpunkt geraten, hat der Landesfrauenrat das Projekt "Frauenorte Sachsen" entwickelt. Die Idee: Die längst Verstorbenen werden an ihrem Wirkungsort mit einer Tafel geehrt. 25 solche Tafeln, auf denen Wissenwertes über das Leben und das Engagement der Protagonistinnen zu lesen ist, stehen bereits.
Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge allerdings gab es bisher keinen Frauenort. Wilhelmine Reichard macht nun den Anfang.
Ballonfahrten im Dienste der Wissenschaft
Die 1788 in Braunschweig geborene Ballonfahrerin wurde für ihre aufsehenerregenden und nahezu waghalsigen Unternehmungen bekannt. Den Anstoß dafür gab allerdings ein Mann. Gottfried Reichard, ein begeisterter Ballonfahrer, Physikprofessor und mit Wilhelmine verheiratet.
Die Fahrten, beobachtet von Tausenden Menschen, dienten nicht nur einem Selbstzweck. Die Reichards gewannen dabei auch Erkenntnisse über die Luftschichten, meteorologische Gegebenheiten, Temperatur und welche Auswirkungen das Ballonfahren auf den menschlichen Körper hat.
Mehrmals stürzte Wilhelmine Reichard ab. Bei einer Fahrt, die sie von Dresden aus startete, landete sie in einem Gebüsch bei Saupsdorf. Sie habe nur durch ein Wunder überlebt, berichteten damalige Quellen. Ein anderes Mal wurde sie während einer Fahrt ohnmächtig.
Bis 1820 unternahm Wilhelmine Reichard 17 Fahrten, im Oktober 1820 stieg sie in München letztmalig auf. Da lebte die Familie längst im damaligen Döhlen, weil Gottfried Reichard Arbeit in einer hiesigen Fabrik gefunden hatte.
Geschick auch als Unternehmerin
Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Mannes beschäftigte sie sich nun auch mit Chemie. Die Reichards investierten in eine Fabrik zur Herstellung von Schwefelsäure. Künftig widmete sich das Ehepaar, dass acht Kinder hatte, dem Unternehmertum. Als Gottfried Reichard 1844 starb, führte seine Frau die Fabrik bis zu ihrem eigenen Tod 1848 weiter.
Es war eine für damalige Zeiten ungewöhnliche Biografie, Wilhelmine Reichard setzte sich in Abenteuerlust und ihrem Wissensdrang über viele Grenzen hinweg. Was heute für Frauen selbstverständlich ist - damals war es das nicht.
Der "Frauenort" soll daran erinnern. Und vielleicht gab es in Freital und Umgebung noch mehr Frauen, die auf wissenschaftlichen, kulturellen oder sozialen Gebiet Ungewöhnliches leisteten. Der Landesfrauenrat wartet auf Vorschläge für weitere Tafeln.