Weißeritztal-Klinik: Wechsel in der Chirurgie-Chefetage

Den Arztkittel hat er abgelegt, das Büro ausgeräumt, nur ein dünner Aktenordner steht noch im Regel. Dr. Matthias Becker sitzt ganz entspannt an seinem ehemaligen Schreibtisch. Ein Ventilator dreht sich und knarzt dabei, es klingt ein bisschen wie bei einer Kaffeemaschine.
Die Büroatmosphäre wird ihm kaum fehlen. Vor wenigen Tagen hat Becker, bisher Chefarzt der sogenannten Viszeralchirurgie, das ist die Bauchchirurgie an den Helios Weißeritztal-Kliniken in Freital und Dippoldiswalde, den Staffelstab übergeben.
Nach 37 Jahren ärztlicher Tätigkeit am Freitaler Krankenhaus, davon 19 bis zuletzt als Chefarzt, geht Matthias Becker in den Ruhestand. Sein Nachfolger ist Michael Kindler, bisher Leitender Oberarzt.
37 Jahre am Freitaler Krankenhaus
Es ist mehr als eine Randnotiz. Tausende Patienten aus Freital und Umgebung hat Matthias Becker seit seinem Dienstantritt 1985 in Freital behandelt. Es war eine Zeit permanenter Umbrüche. Als Becker begann, war das Freitaler Krankenhaus viel kleiner als heute, teils auf mehrere Standorte verteilt.
Auch medizinisch liegen zwischen damals und heute Lichtjahre. Besonders rasant sei die Entwicklung ab Ende der Neunzigerjahre verlaufen, erzählt Becker. "Ich wurde noch als kompletter Chirurg ausgebildet, damals haben wir alles gemacht: Schädel aufbohren, Blinddärme operieren, Gallensteine entfernen, Oberschenkel genagelt." Inzwischen ist die Chirurgie zumindest in der westlichen Welt derart spezialisiert, das es im Freitaler Krankenhaus drei chirurgische Fachabteilungen gibt, so auch die Unfallchirurgie und die Gefäßchirurgie.
Beckers Fachgebiet wurde alles, was sich im Bauch und am Verdauungstrakt abspielt, also Eingriffe an Magen, Darm, Gallenblase, Leisten- und Bauchwandbrüche, Adipositas-Chirurgie.
Neue OP-Methoden eingeführt
Verändert hat sich dabei auch die Art und Weise der operativen Eingriffe. Schlüsselloch-Chirurgie ist das Schlagwort dazu, Ärzte sprechen von Laparoskopie. Filigrane Kamera- und Lichttechnik sowie feinste Instrumente machen in vielen Fällen heute einen großen Schnitt in die Bauchdecke überflüssig.
Vielmehr operieren die Chirurgen durch kleine Schnitte. "Das hat für die Patienten viele Vorteile. Es ist weniger strapaziös, die Leute sind schneller wieder beweglich, die Wundheilung ist unkomplizierter", schildert Becker.
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Die Laparoskopie wurde in seiner Abteilung in großem Stil in den 2000er Jahren eingeführt. Maßgeblich daran beteiligt war Dr. Michael Kindler, der als Spezialist für Darmchirurgie gilt. Er kam 2002 an das Freitaler Haus, arbeitete viele Jahre unter Becker und wird nun dessen Nachfolger.
Matthias Becker ist zufrieden mit dieser Regelung. "Mein Kollege hat hier bisher einen hervorragenden Job geleistet." Kindler ist 57 Jahre alt und ähnlich standorttreu wie Becker: "Dass Ärzte, zumal Chefärzte, so lange in ein und demselben Haus beschäftigt sind, ist schon ungewöhnlich." Normal sei in der Branche eher, dass man hin und wieder mal seinen Arbeitgeber wechsle.
Kritik an langen Dienstzeiten
Als Matthias Becker 1985 in Freital anfing, war es noch normal, am Freitagmorgen mit der Reisetasche in die Klinik zu marschieren und am Montagvormittag endlich nach Hause fahren zu dürfen. Auch Kindler kennt diese Zeiten der langen Wochenenddienste noch.
Jüngere Kollegen halten dies für wenig attraktiv, weshalb es in der Arbeitswelt der Ärzte gerade einen Wandel gibt. Der Trend geht zu kürzeren Schichten und Bereitschaftszeiten. Es sei ja auch strapaziös, gibt Becker zu. "Ein langer Arbeitstag, dann noch Bereitschaftsdienst bis in den Abend mit akuten Fällen und eventuell wird man mitten in der Nacht an den OP-Tisch gerufen - schön ist das nicht."
Michael Kindler sieht das ähnlich. 36 Betten stehen in seiner Abteilung, für die Kindler nun die alleinige Verantwortung trägt. Der größte Unterschied zu vorher? "Mein Telefon klingelt nun noch häufiger als bisher schon." Lange habe man sich vorher gemeinsam auf die Übergabe vorbereitet. "Ich trete die Position trotzdem mit großer Demut an." Mit links sei so eine Abteilung eben nicht geleitet.
Viel Aufwand für Qualitätskontrolle
Zu den Aufgaben eines Chefarztes gehört nicht nur, in kritischen Fällen die Entscheidung zu treffen und zu verantworten. Auch administrative Tätigkeiten gehören zum Arbeitsalltag, mehr als bisher schon. Vor allem das Thema Qualitätskontrolle und Dokumentation ist mit den Jahren immer wichtiger geworden.
Kindler: "Das ist viel Aufwand, aber damit haben wir auch ständig im Blick, wie gut wir unsere Arbeit machen oder welche Punkte wir verändern müssen."
Auf Unterstützung von Matthias Becker kann er dabei zählen. Ganz so konsequent hat er seinen Arztkittel doch nicht an den Nagel gehängt. An zwei Tagen in der Woche steht er weiter zur Verfügung, führt Sprechstunden und auch Operationen durch. "Ich genieße jetzt die freien Tage, habe viel Zeit für meine Hobbys. Aber einfach so komplett aufhören, dass kann ich mir doch nicht vorstellen."