Kreischa: Landratsamt genehmigt umstrittenen Kuhstall

Eine Wiese nahe Kreischa, der Sturm fegt den nächsten Graupelschauer über die karge Fläche am Rande des Ortsteils Kleincarsdorf. Doch nicht etwa das Wetter dürfte für etliche Anwohner ein Albtraum sein, sondern ein Vorhaben mit dem Namen "Kuhgarten".
Das umstrittene Projekt wurde vom Landratsamt genehmigt. Das teilte Beigeordneter Heiko Weigel, der den Bereich Bau und Umwelt leitet, mit. "Wir und alle zuständigen Fachbehörden haben uns zweieinhalb Jahre mit dem Bauvorhaben intensiv befasst und alle Details der Pläne geprüft. Aus unserer Sicht stehen der Milchviehanlage keinerlei öffentliche Belange entgegen." Gemeinde und Investor seien bereits darüber informiert.
Damit kann die Vorgebirgs Agrar AG bauen. Aus Sicht der Kleincarsdorfer ist nun das denkbar schlechteste Szenario eingetroffen.
Unterschriften gegen Stallbau
Es geht um den Bau eines neuen Kuhstalls für bis zu 630 Kühe und 148 Kälber. Er soll auf einer derzeit noch als Grünland genutzten Fläche nahe Kleincarsdorf errichtet werden, nebst Getreidelager und Güllesilo. Das gesamte Gelände einschließlich zukünftiger Weideflächen ist rund elf Hektar groß. Das entspricht gut 15 Fußballfeldern. Etwa 2,4 Hektar davon werden versiegelt, also mit Gebäuden oder Wegen bebaut.
Was nüchtern klingt, ist für den Investor, die Vorgebirgs Agrar AG aus Bannewitz, eine Herzensangelegenheit. Ihre Kühe stehen derzeit in völlig überalterten Ställen in Lübau und Obernaundorf.
Bei Kleincarsdorf soll dagegen ein "Stall der Zukunft" entstehen. Auf Visualisierungen im Internet ist ein lichtdurchflutetes Gebäude zu sehen, im Inneren Pflanzinseln und genügend Auslauf für die Tiere, die auch ins Freie auf die Weide wechseln können. "Wir wollen eine zukunftsfähige, moderne, innovative Milchviehanlage unter Berücksichtigung des Verbraucherwillens nach mehr Transparenz, Tierwohl und Umweltschutz etablieren", schreibt das Unternehmen auf seiner Homepage und nennt das Projekt "Kuhgarten".
Wer von dem Projekt nicht so angetan ist, sind viele Kleincarsdorfer. Kaum wurden die Pläne bekannt, gab es im Dorf einen Aufschrei. Unterschriften wurden gesammelt, eine Bürgerinitiative "Lebenswertes Kleincarsdorf" gegründet, einige Anwohner besorgten sich die Unterlagen für das Projekt und ackerten sich durch Gesetzesvorschriften.
Akribisch geprüfte Baupläne
Und diese seien eindeutig, sagt Beigeordneter Weigel: "Wenn ein Vorhaben gesetzeskonform ist und öffentlichen Belangen nicht widerspricht, dann hat der Antragsteller ein Recht auf die Genehmigung." Im sogenannten immissionsschutzrechtlichen Verfahren seien alle denkbaren Punkte geprüft worden.
Ob Untere Wasserbehörde, Verkehrsämter, das Umweltamt, der Brandschutz, Energieversorger, Archäologen, die Jäger, die Naturschützer und ein gutes Dutzend weitere Stellen mussten über die Pläne schauen. Insbesondere wurden auch die Punkte Lärm-, Geruchs- und Staubentwicklung, die Wetterverhältnisse sowie das Thema Boden- und Grundwasserbelastung unter die Lupe genommen.
Gab es Einwände, wurden in manchen Fällen Gutachten eingeholt und an den Bauplänen gefeilt. Weigel: "Das war ein langer Prozess, jetzt ist alles ausdiskutiert. Darauf können sich die Bürger verlassen."
Gemeinde bummelt bei Bauleitplanung
Bei der Bürgerinitiative ist man davon nicht überzeugt. Schöngerechnet seien manche Werte, sagten zwei Vertreter am Montagabend im Gemeinderat. Kommt der Kuhstall, würde dies zu unzulässigen Umweltbelastungen im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet und zu gesetzeswidrigen Geruchs- und Lärmbelastungen in Kleincarsdorf führen.
Dabei nennt die Bürgerinitiative insbesondere mögliche Nitrateinträge in den Boden, aber auch die zu erwartende typische Kuhstallgeruch aufgrund der für Kleincarsdorf typischen Windverhältnisse. "Das ist vom Landratsamt zwar berechnet worden, aber nicht aufgrund von Messungen vor Ort."
Im Rathaus hatte man so etwas schon 2019 befürchtet. Deshalb wollte die Gemeinde mittels einer Bauleitplanung die Planungshoheit übernehmen. Im Januar 2020 beschloss der Gemeinderat, einen Bebauungsplan aufzustellen und belegte die Wiese bei Kleincarsdorf mit einer Veränderungssperre. Damit durfte vorerst nicht gebaut werden.
Diverse Gutachten wurden in Auftrag gegeben. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, ohne das überhaupt ein Entwurf vorgelegt wurde. das ist ein unüblich langer Zeitraum. "Die Pandemie hat das Verfahren verzögert, die Ingenieurbüros konnten auch nicht so schnell arbeiten, weil ihnen die Leute fehlten", begründet Bürgermeister Frank Schöning. Der Entwurf komme nun voraussichtlich im März. Die Veränderungssperre hat der Gemeinderat vorsorglich um ein weiteres Jahr verlängert - bis März 2023.
Kühe fristen Dasein in Uralt-Ställen
Möglicherweise ist das aber alles Makulatur, um es salopp auszudrücken. Mit der Genehmigung reicht die Behörde auf Antrag der Landwirte auch eine Ausnahme von der Veränderungssperre aus. Damit ist der Weg unabhängig vom Bebauungsplan für den Kuhstall frei.
Eigentlich. Denn die Gemeinde Kreischa kann Widerspruch einlegen und vor dem Verwaltungsgericht klagen. Im Kreischaer Rathaus denkt man bereits darüber nach, deutet Bürgermeister Schöning an. "Im Gegensatz zum Landratsamt sehen wir durchaus Schutzgüter gefährdet, das zeigen auch unsere Gutachten aus der Bebauungsplanung."
Der Streit um den Kuhstall könnte also doch weiter gehen. Und die Kühe? Müssen weiter ihr Dasein in den Uralt-Ställen fristen.