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Das ist der neue Freital-Reporter

Andreas Roth wagt ein Experiment: Er berichtet im Internet über Freital und will einen neuen Journalismus anbieten. Was ihn antreibt und wie er das finanziert.

Von Beate Erler
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Neuer Journalismus mit altem Handwerkszeug: Andreas Roth, der Freital-Reporter, mit Notizblock und Stift auf dem Neumarkt, über den er schon berichtet hat.
Neuer Journalismus mit altem Handwerkszeug: Andreas Roth, der Freital-Reporter, mit Notizblock und Stift auf dem Neumarkt, über den er schon berichtet hat. © Egbert Kamprath

Ungefähr ein Jahr Zeit will er sich und seinem „kleinen Projekt“, wie er es nennt, geben. Dabei dachte Andreas Roth schon nach einer Woche kurzzeitig: „Ich hau hin!“. Das lag vor allem an den ersten Kommentaren bei Facebook. Auf der Social-Media-Plattform machte er sein neues Online-Angebot „Freital-Reporter“ zuerst publik. In den Freitaler Facebook-Gruppen postete er seine ersten selbst-recherchierten Artikel. „Und wenn dann nur abfällige Kommentare kommen, fragt man sich schon, ob man sich das wirklich antun will“, sagt Andreas Roth.

Er will. Denn der 47-Jährige ist Journalist mit Herzblut, wie er sagt. Den Strukturumbruch in der Medienwelt beobachtet er mit Sorge. „Der Journalismus verliert sein Geschäftsmodell“, sagt er. Das spürt er auch bei seinem Hauptauftraggeber, dem MDR, denn auch dort gibt es große Kürzungen. Außerdem will er sich nicht damit abfinden, dass sich Menschen von den etablierten Medien abwenden.

Andreas Roth lebt am Stadtrand von Dresden. Als selbst ernannter Freital-Reporter muss er viel in Freital unterwegs sein. Über den Freitaler Neumarkt hat er Anfang August geschrieben. Da hatte sich eine Leserin an ihn gewandt, die sich mehr Hitzeschutz an der Pergola wünscht.

„Momentan verdiene ich damit gar nichts“

Als Kind und Jugendlicher kannte Roth Freital, weil er hier Familie hatte. Seitdem findet er die Stadt spannend. „Es sind die Gegensätze, die mich an Freital schon immer faszinieren“, sagt Andreas Roth. "Zum einen die Natur und das Romantische und auf der anderen Seite die Arbeiterstadt." Als Zwölfjähriger in der Wendezeit liest er das Freitaler Tageblatt und weiß schon damals, dass er Journalist werden will. „Ich habe heute noch einige Ausgaben“, sagt der 47-Jährige.

Am 21. Juli erschien sein erster Beitrag auf der Seite „Freital-Reporter“. Seitdem sind elf weitere dazugekommen. Es soll um die Themen der Stadt gehen: Dem Kinder- und Jugendtreff Hafenkante fehlt Geld, die Dresdner Straße als hartes Pflaster für Händler oder Ruhestörungen im Generationenpark. Gleich ist Andreas Roth mit einem Freitaler DJ zum Interview verabredet. Und die Klicks, Likes und Abos?

Da ist er realistisch genug, um nicht zu viel zu erwarten. „Der Newsletter wird schon von 50 Leuten gelesen und manche Beiträge hatten schon 500 Leser“, sagt er. Für einen Monat sei das gar nicht mal schlecht. Ein Experiment ist es vor allem auch, was die Einnahmen betrifft. „Momentan verdiene ich damit gar nichts“, sagt Andreas Roth. Seit 2021 arbeitet er als freier Journalist für den MDR und berichtet als studierter Theologe vor allem über Kirchen- und Religionsthemen. Das Projekt „Freital-Reporter“ läuft nebenbei.

Finanzierung über Mitgliedschaft geplant

Seine Idee, die gar nicht so neu ist: Alle Inhalte auf seiner Seite bleiben kostenfrei. „Ich möchte ja, dass die Beiträge für alle frei zugänglich sind und jeder mitlesen kann, der sich informieren will“, sagt er. Die Beiträge erscheinen auf der deutschen Internetplattform steadyhq.com. Dahinter steckt die Steady Media GmbH mit Sitz in Berlin. Die Gründer sind Journalisten von Krautreporter. Ihr Projekt wurde von einem Google-Förderprogramm unterstützt.

Mittlerweile nutzen die Plattform etwa 2.800 Medienmacher in den Bereichen Podcast, Video, Text und Kunst. Zum Beispiel auch Stefan Niggemeier von „Übermedien“ mit 7.800 monatlich zahlenden Mitgliedern. Für die Medienmacher ist die Verwendung von Steady kostenlos - bis sie damit selbst Geld verdienen. Dann gehen zehn Prozent Provision an Steady. Für eine Mitgliedschaft bei Freital-Reporter verlangt Andreas Roth fünf oder neun Euro im Monat. „Damit sich die Arbeit finanziell etwas lohnt, brauche ich schon mindestens 200 Mitglieder“, sagt er. Bisher hat noch niemand eine Mitgliedschaft abgeschlossen.

Auf Freital-Reporter wirbt er mit „fairem, unabhängigem, kritischem Journalismus“. Auch, dass viele Menschen das Vertrauen in den Journalismus verloren haben, steht dort geschrieben. Diese Menschen will er zurückgewinnen. „Der Vertrauensverlust ist empirisch“, sagt er. "Wir Journalisten müssen wieder mehr Graswurzelarbeit machen und die Probleme der Menschen ernst nehmen."

Er meint, dass viele Journalisten ihre eigene Haltung den Lesern nahelegen wollen. „An manchen Stellen werden die eigenen Wertvorstellungen an die Leser herangetragen“, sagt Andreas Roth, „und es gibt zu wenig Vertrauen in die Urteilsfähigkeit der Menschen, die schlau und mündig genug sind, um die Dinge einzuordnen.“