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Freital: Glück und Sucht im Doppelstockbus

Eine mobile Ausstellung soll Kinder und Jugendliche in Sachen Suchtprävention anregen und informieren.

Von Bettina Klemm
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Mobile Ausstellung zur Suchtprävention auf dem Neumarkt in Freital: Julia Schlecht und Dietlind Junghanß sind die Projektkoordinatorinnen.
Mobile Ausstellung zur Suchtprävention auf dem Neumarkt in Freital: Julia Schlecht und Dietlind Junghanß sind die Projektkoordinatorinnen. © Karl-Ludwig Oberthür

Der bunte Doppelstockbus am Freitaler Neumarkt fällt selbst im Vorbeifahren auf. „Glück sucht dich“ steht über der Frontscheibe. Es geht um Glück und positive Psychologie, aber vielmehr noch um Suchtprävention. Das Interesse an der entsprechenden Ausstellung im Bus ist groß. So kommt an diesem Dienstagmorgen bereits um 7.30 Uhr die erste Freitaler Schulklasse. Drei weitere folgen bis zum Nachmittag. Lehrer von vier Freitaler Oberschulen und einem Gymnasium haben auch die anderen Termine bis zum Freitag für ihre Klassen gebucht. Neben den Führungen für Schüler zwischen 10 und 18 Jahren gibt es am Donnerstag eine Veranstaltung der offenen Kinder- und Jugendarbeit Freital.

Vorbeugen sei immer gut, findet Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg. Es sei wichtig, dass sich gerade Kinder und Jugendliche mit dem Thema Sucht spielerisch auseinandersetzen, um nicht erst in die Gefahr von Drogenkonsum und Abhängigkeit zu geraten. So sei er schnell bereit gewesen, das Projekt zu unterstützen, als kurzfristig Termine frei geworden sind.

Innerhalb weniger Wochen habe es sein Team ermöglicht, dass der Bus in Freital Station machen kann. „Suchtprävention gehört zwar nicht zu den ureigensten Pflichtaufgaben der Kommune, aber das Thema ist uns wichtig“, sagt Rumberg. Die Stadt Freital unterstützt den Halt der mobilen Ausstellung auch finanziell. Der Oberbürgermeister weiß, das Thema trifft auf Resonanz in der Stadt, das haben auch die Erfahrungen mit dem Anti-Drogenzug „Revolution Train“ gezeigt, den er im Juni 2018 nach Freital geholt hatte.

Interaktive Stationen

Als Alternative zu diesem Anti-Drogenzug hat die Fach- und Koordinierungsstelle Suchtprävention das mobile Präventionsprojekt im Auftrag des sächsischen Sozialministeriums konzipiert. Ziel sei es, die Risiko- und Lebenskompetenz von Jugendlichen zu fördern und Impulse für die Suchtprävention zu setzen. Für diesen Zweck ließen die Vertreter der Suchtprävention einen Doppelstockbus zur mobilen Ausstellungsfläche umbauen.

Seit Januar 2020 ist der Bus sachsenweit im Einsatz. „Unser Konzept beinhaltet acht interaktive Stationen. Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, sich in Teams mit den Themen Glück und Sucht spielerisch auseinanderzusetzen und ihrer Sichtweisen auf Glück, Identität, Konsumrisiken und Rauschmittel zu reflektieren“, erläutert Koordinatorin Dietlind Junghanß.

Über eine VR-Brille wird beispielsweise die Auswirkung von Alkohol auf verschiedene Tätigkeiten und Wahrnehmungen erlebbar gemacht. Auf einer Riesenzigarette präsentieren die Veranstaltungsmacher schädliche Inhaltsstoffe des Glimmstängels und vermitteln zugleich Faktenwissen zu neuen Konsumformen wie E-Zigaretten und Shishas.

Rocco Geißdorf vom Hanno e.V. an einer der acht Stationen im Bus.
Rocco Geißdorf vom Hanno e.V. an einer der acht Stationen im Bus. © Karl-Ludwig Oberthür

Auf einer anderen Station regen Off-Stimmen über Kopfhörer die auf Schaukeln sitzenden Teilnehmer zum Träumen und Nachdenken an. Was verursacht einen Flow, einen Moment des größten Glücks? Dahinter steht das Kalkül der Initiatoren: Wer weiß, was er selbst tun kann, um glücklich zu sein, wird wahrscheinlich nicht so schnell zu Suchtmitteln greifen.

Alkohol weiter größtes Suchtproblem

Beim Halt in Freital arbeitet die Stadt mit dem Hanno e.V., der Fachstelle des Kinder- und Jugendschutzes im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, zusammen. Nach dem 90-minütigen Aufenthalt im Bus vertieft Rocco Geißdorf vom Hanno-Verein das Thema. "Glück sucht dich" solle Kinder und Jugendliche spielerisch zum verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln und süchtig machenden Verhaltensweisen anregen. Dabei gehe es um das Reflektieren der eigenen Stärken und das Treffen von Entscheidungen. „Höre ich auf mein Bauchgefühl oder lasse ich mich von anderen drängen?“, fragt Geißdorf die Schüler.

Dreiviertel aller Suchtprobleme, so geht es auch dem gerade veröffentlichten Suchtbericht des Freistaats hervor, stehen im Zusammenhang mit Alkohol. Danach sind 2019 in Sachsen 1.046 Menschen durch übermäßigen Alkoholgenuss gestorben, die Rate lag deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Nach einer Untersuchung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen haben zwei Drittel der 12- bis 17-Jährigen schon einmal Alkohol getrunken, mit durchschnittlich 13,8 Jahren das erste Mal. Rocco Geißdorf spricht vom „Probierkonsum“. Er hält absolute Verbote diesbezüglich für wenig erfolgversprechend, es müsse jedoch um einen risikoarmen Konsum gehen.

Das Thema Prävention und die Frage, "Wie erkenne ich, wenn etwas schiefläuft?" bewegen auch viele Eltern. „Wir wollen deshalb im Mai gemeinsam mit Partnern einen Elternabend organisieren“, kündigt Freitals Pressesprecher Matthias Weigel an. Er wolle darüber rechtzeitig informieren. Der Ausstellungsbus wird vom 19. bis 25. Mai erneut in Freital Station machen.