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Erinnerungen an Freitals Industrie

Sein halbes Berufsleben verbrachte Klaus Dimter in den Produktionsbetrieben der Stadt. Er war glücklich dabei. Jetzt recherchiert er zur Geschichte.

Von Annett Heyse
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Klaus Dimter steht vor den Öfen des ehemaligen Schmelztiegelwerkes Freital, einer von vielen Industriebetrieben an der Weißeritz.
Klaus Dimter steht vor den Öfen des ehemaligen Schmelztiegelwerkes Freital, einer von vielen Industriebetrieben an der Weißeritz. © Egbert Kamprath

Freital vor 30, 40 oder 50 Jahren - das war eine graue Stadt, durch die regelmäßig eine rote Staubwolke waberte. Die Abgase aus dem Edelstahlwerk, zu denen noch die Ausdünstungen und Abwässer vieler anderer Industriebetriebe kamen, brachten Freital in der Region den Ruf des Aschenputtels ein.

So mancher Bewohner umliegender Dörfer oder Städtchen fragte sich, wie man da wohl leben könne. Ja, wie eigentlich? Für Klaus Dimter stellte sich die Frage nie. "Freital und seine Industrie waren ein großer Teil meines Lebens."

Nun arbeitet Dimter an einer "Hommage an die Freitaler Industriegeschichte". Darin nimmt er die Betriebe entlang der Weißeritz unter die Lupe, angefangen bei der Hainsberger Spinnerei bis hin zum Eisenhammer am anderen Ende der Stadt.

Bereits als Schüler in der Industrie gearbeitet

Dimter sammelt dazu Fotos, Dokumente, teilweise auch Produkte. Diese will er in zwei Ausstellungen im November und Januar zeigen und dazu auch Vorträge halten. Das Interesse, so schätzt er, dürfte groß sein. Denn Tausende Freitaler arbeiteten in den Betrieben der Stadt. "Ich habe dort gute, aufgeschlossene Leute kennengelernt, die wirklich etwas drauf hatten. Das muss einmal gewürdigt werden."

Klaus Dimter bezeichnet sich selbst als Freitaler Junge, auch wenn die Familie aus Schlesien stammt. Über Umwege verschlug es die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nach Leipzig und dann Anfang der 50er-Jahre nach Freital-Hainsberg. Damals war Dimter neun Jahre alt.

Schon als Schüler verdiente er sich etwas Taschengeld in der Hainsberger Spinnerei, später auch in anderen Produktionsbetrieben. Schließlich wurde er Werkzeugmacher im IFA-KFZ-Zubehörwerk, wechselte für kurze Zeit ins Kupplungswerk und nach dem Dienst bei der Nationalen Volksarmee ins Prüfgerätewerk. Dort blieb er 25 Jahre, im Abendstudium brachte er es zum Ingenieur. "Die Jahre im Prüfgerätewerk waren meine schönste Zeit", sagt er rückblickend.

Ein Blick auf das Prüfgerätewerk Freital 1993. In dem Werk verbrachte Klaus Dimter 25 Jahre seines Berufslebens. Der Komplex am Goetheplatz wurde später abgerissen.
Ein Blick auf das Prüfgerätewerk Freital 1993. In dem Werk verbrachte Klaus Dimter 25 Jahre seines Berufslebens. Der Komplex am Goetheplatz wurde später abgerissen. © Repro: Annett Heyse

Betriebe verschwanden aus der Stadt

Nach der Wende machte er sich in der Umwelttechnik selbstständig, war zeitweise Geschäftsführer eines Forschungsunternehmens und arbeitete gleichzeitig auch im Garten- und Landschaftsbau.

Doch Klaus Dimter musste zusehen, wie viele Betriebe schlossen, die Produktionshallen aus dem Stadtbild verschwanden, darunter auch das Prüfgerätewerk.

Aber er kann das nicht so einfach abhaken und vergessen. Als er Ostern 2020 bei einer Wanderung vom Backofenfelsen auf Freital blickte und sich an viele große und kleine Begebenheiten aus seinem Berufsleben erinnerte, fasste er einen Entschluss: "Das muss man mal alles zusammentragen."

Er sei kein Wissenschaftler und Historiker aber jemand, der viel erlebt habe und viele Leute kenne. "Ich möchte die Geschichte aus Sicht derjenigen erzählen, die dort gearbeitet haben." Dabei nennt er die Kameraindustrie und den Maschinenbau - zum Beispiel. Tritt er aus seinem Büro heraus, sieht er noch die Öfen und Schlote des längst abgerissenen Schmelztiegelwerks.

Grüße aus der Schattenwirtschaft

Klaus Dimter würde man nach modernen Maßstäben als Workaholic bezeichnen, als jemanden, dessen Leben vor allem aus Arbeit besteht. Noch heute betreibt der inzwischen 76-Jährige einen Kommunal- und Hausmeisterdienst. Viele Jahre saß er zudem für die CDU im Freitaler Stadtrat.

Wenn er die Geschichte der Freitaler Industrie recherchiert und mit Menschen von damals in Gespräch kommt, fällt ihm heute vor allem auf, was lange unerwähnt blieb: Schattenwirtschaft. Hinter dem Begriff verbirgt sich, dass in den Betrieben viele Angestellte auf eigene Faust Dinge produzierten, die Mangelware waren.

Dimter hat in seinem Büro und in seiner Werkstatt eine kleine Sammlung mit Gegenständen aus der Schattenwirtschaft. Da wurden Benzinhahnverlängerungen für den Trabbi gebaut, Baumschutzgitter oder Bügelsägen. Oft während der Arbeitszeit und mit Material aus den Betrieben. Das war clever, schlitzohrig - und wurde geduldet. Irgendwie musste der Rubel ja auch in der Planwirtschaft rollen.

Speziell zur Schattenwirtschaft bereitet Klaus Dimter nun auch eine Ausstellung vor. Sie soll voraussichtlich im Spätherbst im Gründer- und Technologiezentrum zu sehen sein. Genau dort, wo vor fast 30 Jahren alte Industrie und Arbeiterhäuser abgerissen wurden, um Platz für Neues zu schaffen.

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