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Umstrittener Nachrücker in Freitals Stadtrat

Matthias Koch wurde ohne viel Aufhebens verpflichtet. Doch damit ist die Debatte um seine Person nicht beendet, sondern könnte erst richtig losgehen.

Von Annett Heyse
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Matthias Koch hat in Freital-Weißig ein Ingenieurbüro, seine Wohnung gab er aber angeblich auf.
Matthias Koch hat in Freital-Weißig ein Ingenieurbüro, seine Wohnung gab er aber angeblich auf. © Egbert Kamprath

Es lief alles ganz harmonisch ab. Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg rief in der Stadtratssitzung am Mittwochabend den Tagesordnungspunkt Nummer drei auf - Verpflichtung eines Stadtrates. Matthias Koch trat vor, sprach die Formel und war damit bestätigt und Mitglied des Kommunalparlaments.

Koch rückt für Martin Rülke nach, der aus beruflichen Gründen sein Mandat niedergelegt hatte - er wechselte kürzlich auf einen Posten in der Stadtverwaltung. Doch nur wenige klatschten bei Kochs Ernennung, vornehmlich die Abgeordneten von Freitals Konservativen Mitte (FKM) und der AfD. Bei den Konservativen nahm der neue Stadtrat dann auch Platz und ergänzt nun deren Fraktion.

Ansonsten herrschte eisige Stille. Das dürfte vor allem mit den Gerüchten um Kochs Person zu tun haben, die dieser bisher nicht ausräumen konnte. Matthias Koch, so wird kolportiert, wohne eigentlich gar nicht mehr in Freital.

Büroadresse als Wohnung angegeben?

"Er hat sein Haus schon vor längerem verkauft und ist weggezogen", erzählt jemand, der das bei einer Ortschaftsratssitzung im Stadtteil Weißig im vergangenen Jahr mitbekam. Dort ist Koch Ortsvorsteher. Damals, so der Zeuge weiter, habe Koch selbst erzählt, dass er das Haus aus familiären Gründen verkaufen wolle. Das sei inzwischen geschehen. Unabhängig voneinander bestätigt eine weitere Person diese Version. "Das wissen hier einige. Weißig ist wie ein Dorf, hier kennt fast jeder jeden."

Tatsächlich steht Kochs Adresse in der Freital-Weißiger Schulstraße weiter auf der Internetseite der Stadt Freital als Anlaufpunkt. Doch dort wohnt er offensichtlich nicht mehr - auf dem Klingelschild steht ein anderer Name. Jedoch befindet sich Kochs Ingenieurbüro im Nachbarhaus. Hat er dort eine Wohnung oder hat er seine Büroadresse als Wohnort angegeben?

Koch reagiert nicht auf Nachfragen

Fragt man im Rathaus nach, heißt es dort, es sei alles in Ordnung. "Herr Koch ist mit Wohnsitz in Freital gemeldet und hat dies auch so bestätigt", sagt Pressesprecher Matthias Weigel.

Ja, was denn nun? Er selbst war telefonisch nicht zu erreichen. Auf eine schriftliche Anfrage dazu, vor mehreren Wochen schon gestellt, hat er bisher nicht reagiert. Zuletzt sprach er gegenüber der SZ von "unseriösen Fragen, auf die ich nicht antworte".

Aufsichtsbehörde über derartige Vorgänge in Stadt- oder Gemeinderäten ist das Kommunalamt des Landkreises. Dort hieß es am Tag nach Kochs Verpflichtung, man werde Hinweisen zu der Sache nachgehen. "Mehr können wir zu dem Fall erst einmal nicht sagen", sagte Pressesprecherin Karin Kerber.

Ähnlicher Fall in Pirna bereits eskaliert

Die Situation hat Parallelen zu einem anderen Fall, der sich in Pirna abspielt. Dort trat bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren Thomas Mache für die Wählervereinigung "Pirna kann mehr" an und gewann einen Sitz. Hinterher wurde er mit Vorwürfen konfrontiert, er habe zum Zeitpunkt der Wahl gar keinen Hauptwohnsitz in Pirna, sondern im benachbarten Dohma gehabt.

Die Stadtverwaltung wurde daraufhin tätig und überprüfte den Fall genauer. Inzwischen hat sie das Melderegister bereinigt und Thomas Mache aus dem Verzeichnis gestrichen. Als Nächstes beschloss der Pirnaer Stadtrat, den Mann auch aus dem Kommunalparlament auszuschließen. Doch der ging in Widerspruch und legte Rechtsmittel ein.

Die Sache liegt nun beim Verwaltungsgericht Dresden und ist bis heute nicht entschieden. Weil die Klage aufschiebende Wirkung bis zu einem Rechtsspruch hat, darf Mache in Pirna sein Mandat weiterhin ausüben.

Stadträte fordern klare Aussage

Der Fall Koch in Freital fällt nun erst einmal der CDU auf die Füße. Matthias Koch war ihr Kandidat bei der Kommunalwahl 2019. Doch kein Jahr später war die Fraktion geschwächt, weil drei ihrer Mitglieder - Martin Rülke, Jörg Müller und Sven Heisig - die Christdemokraten verließen und die Konservative Mitte gründeten. Ihr schloss sich Uwe Jonas, vormals Freie Wähler, an. Als Heisig ausschied, weil er Stadtwehrleiter wurde, rückte Thomas Käfer von der CDU-Liste nach. Er ging zur FKM. Und nun also Koch.

CDU-Fraktionsvorsitzende Jutta Ebert nimmt das erst einmal zur Kenntnis. Sie sagt aber auch ganz klar, dass sie die Gerüchte um Matthias Koch betreffend ein ungutes Gefühl habe. "Als Stadträte müssen wir aufeinander vertrauen, egal, welcher Partei oder Wählervereinigung wir angehören." Dieses Vertrauen fehle ihr bei Koch.

Das geht auch Lars Tschirner so. Der Fraktionsvorsitzende der Bürger für Freital war am Mittwochabend der einzige Stadtrat, der kurz vor Sitzungsschluss das Wort in der Angelegenheit ergriff und sich direkt an Matthias Koch wandte: "Ich fordere sie auf, die Zweifel und Unklarheiten bis zur nächsten Ratssitzung im September auszuräumen."