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Wie Dichter Kleist unsere schöne Heimat preist

Heinrich von Kleist (1777–1811) war einst unterwegs im Plauenschen Grund und in Tharandt und sichtlich beeindruckt.

Von Heinz Fiedler
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Mitten im einst wildromantischen Grund: Blick vom Canapé. Im Hintergrund zeichnen sich die Konturen des Windbergs ab.
Mitten im einst wildromantischen Grund: Blick vom Canapé. Im Hintergrund zeichnen sich die Konturen des Windbergs ab. © Archiv: SZ

Auf Postkutschen hat man anno dazumal nicht nur Lobeshymnen angestimmt. Leute, die sich aus eigener Erfahrung ein Urteil erlauben konnten, stellten dem Beförderungs- und Reisefahrzeug verflossener Zeiten oft genug ein miserables Zeugnis aus. Dichterfürst Goethe, der sich gern in der Fremde umschaute, gab gegenüber Johann Peter Eckermann zu Protokoll: „Noch mehr zu reisen, verbieten mir die Kutschen, nach längstens zwei Stunden Fahrt fühlt man sich geradezu gefoltert.“

Als Heinrich von Kleist am 2. September 1800 gegen 22 Uhr aus Leipzig kommend in Dresden der Kutsche entsteigt, atmet er erleichtert auf: „Endlich fühlt man sich wieder als Mensch. Eine Kutschfahrt wäre vielleicht das Reizendste von der Welt, würden einem nicht alle Glieder schmerzen.“

Kleist, der junge geniale Dichter zwischen Klassik und Romantik, muss es wissen. Hinter ihm liegt eine Tour von 34 Stunden. Im offenen Postwagen hat der Poet aus Frankfurt/Oder in Begleitung von Freund Ludwig von Bockes den Weg über Grimma, Waldheim, Nossen und Wilsdruff genommen. Im Muldetal hinter Grimma sieht er zum ersten Mal ein bunt bewegtes Gebirge.

Kleists Dresden-Programm kennt kaum Atempausen. An der Spitze steht ein Abstecher in den Plauenschen Grund, von dessen wildromantischer Schönheit er schon wiederholt gehört hatte. Nun will er das alles selbst sehen. Und damit nicht genug. Tharandt, eine Stadt im Kranz der Berge und Höhen, ist ihm ein weiteres wichtiges Ziel. In aller Früh klettern der Dichter und sein Begleiter in eine Kutsche, um Kurs Weißeritztal zu nehmen. Kleist lässt sich vom Zauber der Landschaft ganz und gar gefangen nehmen. Am Abend formuliert er einen Brief an seine Braut Wilhelmine von Zenge im heimatlichen Frankfurt: Der Weg nach Tharandt führt durch den Plauenschen Grund. Man fährt an der Weißeritz entlang, die dem Reisenden entgegenrauscht. Mehr Abwechslung wird man selten in einem Tal finden. Die Schlucht ist bald weit und steil, bald flach und felsig, bald auf das Fruchtbarste bebaut. So hat man das Ende der Fahrt erreicht, ehe es man sich wünscht.“ Tharandt wird für den Dichter, wie er an Wilhelmine schreibt, zu einem „Naturerlebnis“: „Über einen Felsen steigt man nach der Ruine einer alten Ritterburg. Wald bietet eine Fülle von Schönheit. Mitten im engen Gebirge hat man die Aussicht auf drei reizende Täler. Von der Ruine aus übersieht man das Ganze. Wie an den Fels geklebt, hängen zerstreut die Häuser der Stadt …“ Kleist beschließt seine Zeilen an die ferne Braut: „In dem idyllischen Tal war ich unendlich bewegt. Ich wünschte recht mit Innigkeit, dich bei mir zu sehen. Solche Täler, eng und freundlich, sind das wahre Vaterland der Liebe.“

Ein Dichterwort, das eigentlich Veranlassung genug sein sollte, einer der Straßen Tharandts Kleists Namen zu verleihen.

Zeitgenîssische Darstellung von Heinrich von Kleist.
Zeitgenîssische Darstellung von Heinrich von Kleist. © Archiv: SZ

Fast ein literarisches Denkmal

Es darf angenommen werden, dass der erste von insgesamt vier Dresden-Besuchen mit Aufenthalt im Plauenschen Grund und Tharandt, in die wenigen glücklichen Jahre Heinrich von Kleist fällt. Die längsten Zeitabschnitte seines kurzen Lebens glichen Tragödien. Nur zwei seiner Bühnenwerke wurden noch zu Lebzeiten des Dichters aufgeführt – „Käthchen von Heilbronn“ und „Der zerbrochene Krug“, eines der besten deutschen Lustspiele überhaupt.

Erst die Nachwelt sieht in ihm den eigentlichen Begründer der deutschen Novellistik, belegt durch literarische Arbeiten wie „Michael Kohlhaas“ und „Die Verlobung in St. Domingo“.

Als der Poet verzweifelt Anerkennung gebraucht hätte, blieb ihm menschliche Zuneigung versagt. Am 21. November 1811 wählte er am Berliner Wannsee den Freitod. Mit seinem vor über 200 Jahren geschriebenen Brief an Wilhelmine von Zenge hat der geniale Dichter unsere Heimat eine Art literarisches Denkmal gesetzt.

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