Sein Name ist in jedem Lexikon verewigt: August Friedrich Siemens, geboren am 8. Oktober 1826 in Menzendorf im Fürstentum Ratzeburg, Begründer der modernen Glasfabrikation. Ein berühmter Mann, der von seinem noch berühmteren, in den Adelsstand erhobenen Bruder Werner als der geborene Erfinder bezeichnet wird. Wie urteilte Siemens der Ältere über den jüngeren Bruder: „Wie nur wenige besitzt unser Fritz eine nie erlahmende schöpferische Fantasie, gepaart mit weitsichtigem Realitätssinn.“
Das sollte sich auch bei uns im Weißeritztal zeigen, wo A. F. Siemens Ausgang des 19. Jahrhunderts auf Döhlener Flur Industriegeschichte schreibt. Doch bevor es so weit ist, macht sein Lebensweg einige unerfreuliche Phasen durch. Früh verliert der sensible Junge die Eltern, die fünf Siemensbrüder werden in verschiedene Himmelsrichtungen verschlagen.
Fritz wächst bei den Großeltern auf. Als er mit elf Jahren eine Schule in Lübeck besucht, gibt man ihn zu einem Onkel in Pension, wo er in nicht endende Zwistigkeiten verwickelt wird. Der Onkel kommt mit harter Hand seinen Erziehungspflichten nach und lässt jegliches Verständnis für die Neigungen des Knaben vermissen.
Mit 15 macht Fritz den gespannten Verhältnissen ein Ende. Er verdingt sich als Schiffsjunge auf einer Handelsbrigge, durchkreuzt über zwei Jahre die Weltenmeere. Vermutlich wäre der Junior der Seefahrt treu geblieben. Schon hatte er sich als Seekadett bei der preußischen Kriegsmarine beworben, als ihn der Ruf seines in Berlin lebenden Bruders erreicht. Der Wortlaut des Telegramms: „Komm postwendend in die Hauptstadt – es gibt eine Menge zu tun!“

Berlin bedeutet für Friedrich Siemens die Wende seines Lebens. Die Erfindungen und technischen Leistungen des Bruders, der mit einer Fülle von Neuheiten zur stürmischen Entwicklung der Elektrotechnik beiträgt, fesseln den ehemaligen Schiffsjungen ungemein. Er wird Werners Assistent, fertigt für ihn Zeichnungen, unterstützt seine technischen Arbeiten. Ständig erweitert er sein Blickfeld. Bald gelingen ihm selbst bedeutende Erfindungen. 1856 führt er einen regenerativgefeuerten Flammofen zur Betriebsreife. Ein Modell, mit dem 1864 der französische Hüttenfachmann Pierre Martin (1824–1915) erstmals herdgefrischten Stahl erzeugt.
Der Schmelzofen bewährt sich, tritt unter der Bezeichnung Siemens-Martin-Ofen einen weltweiten Siegeszug an. Die wichtigste Station im Leben August Friedrichs bricht 1866 mit dem plötzlichen Tod seines Bruders Hans an, der in Dresden eine Glashütte mit Siemenschen Öfen eingerichtet hatte. A. F. wird als Nachfolger bestimmt.
Seine beste Zeit in Dresden
In seiner Biografie formuliert der neue Chef: „In der Dresdner Periode sehe ich meine technische Glanzzeit, die Zeit, wo ich mich so recht am Platze fühlte ...“ Tatsächlich ist A. F. in seinem Tatendrang nicht zu bremsen. Fortgesetzt sinnt er über Verbesserungen in seiner Firma nach.
Als kritischer Analytiker wird ihm klar, dass die rheinische Konkurrenz auf dem Feld der Tafelglasfabrikation nicht zu schlagen ist. Folgerichtig stellt Siemens auf Flaschenproduktion um und wird damit der Getränkeindustrie im In- und Ausland unentbehrlich. Der Bedarf nimmt enorme Dimensionen an. In der Dresdner Chefetage sieht man sich nach weiteren Produktionsstätten um. Eine davon, die bereits 1871 gekaufte und seit 1802 bestehende Glasfabrik Döhlen hält sich mühsam mit der Fertigung von Beleuchtungskörpern aus Glas über Wasser.
Siemens ordnet den Neubau von Wannenöfen an, ab 1887 läuft die Flaschenherstellung auf Hochtouren, der Leuchtenbau schrumpft zu einer kleinen Abteilung. Der Fabrikant erwirbt weitere Betriebe für das Siemensche Imperium. Sein Erfindergeist bleibt unverändert hellwach. 1877 wird ihm die Erfindung von Presshartglas patentiert. 1888 produziert er in einem eigens geschaffenen Betrieb Flaschenverschlüsse.
Ein von ihm konstruierter Leichenverbrennungsofen wird von vielen Krematorien übernommen. Am 24. Mai 1904 vollendet sich das Leben des August Friedrich Siemens – eine Persönlichkeit, die auch im Plauenschen Grund ein Stück Heimat hatte. Die Döhlener Firma der Aktiengesellschaft für Glasindustrie, vormals Friedrich Siemens, wird nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Die Glasproduktion bleibt auch unter volkseigenen Vorzeichen aktuell. Um den Kriegsauswirkungen zu begegnen, wird im Glaswerk an der Dresdner Straße zunächst Fensterglas hergestellt. Später kommt die Fabrikation von Getränkeflaschen, Konserven- und Industriegläsern ins Rollen.
Inzwischen wahrt eine Aktiengesellschaft die über 140 Jahre anhaltende Tradition. Die Glashütte Freital GmbH zählt zu den größten Produktionsobjekten unserer Stadt.
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