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Radioaktive Schlacke im BC ausgetauscht

Die Ballsäle Coßmannsdorf sind in Freital eine Institution. Die Stadt lässt das legendenreiche Gebäude sanieren. Dabei gibt es einiges an leidigen Überraschungen.

Von Tilman Günther
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Es bewegt sich was. Die Ballsäle Coßmannsdorf werden derzeit saniert.
Es bewegt sich was. Die Ballsäle Coßmannsdorf werden derzeit saniert. © Egbert Kamprath

Seit einem Jahr laufen die Sanierungsarbeiten an den Ballsälen Coßmannsdorf. Einiges ist in der Zeit geschafft worden, aber nicht so viel, wie ursprünglich geplant. So manches Problem tauchte neu auf. Und da ist ausnahmsweise mal nicht von Corona die Rede, sondern von unvorhergesehenen Schwierigkeiten, die nicht nur Zeit kosten.

Eines dieser Probleme ist die damals verwendete Deckenschüttung. Der Bau entstand in der Gründerzeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Industrialisierung war in vollem Gange, die Wirtschaft boomte. Auch die Gemeinden, die heute zu Freital gehören, wuchsen schnell. Viele neue Gebäude entstanden.

So auch im seinerzeit vergleichsweise ländlich anmutenden und abgeschiedenen Coßmannsdorf. Dort ließ Max Bruno Wetzlich eine neue Großgaststätte als Ausflugsziel bauen. 1911 war das Haus fertig. Entstanden war ein eindrucksvolles Gebäude, das bis heute den Standort prägt.

Kosten sind schon um 600.000 Euro gestiegen

Auch deshalb entschied sich die Stadt 2018, die Ballsäle Coßmannsdorf zu übernehmen. Das Haus mit seiner langen Tradition als Ort für Veranstaltungen, Discos, Faschingsfeiern und vieles mehr sollte nicht einfach zu Wohnungen umgebaut werden. Zu viele Emotionen und Erinnerungen hängen an und in dem Haus. 4,4 Millionen Euro veranschlagte die Verwaltung für Kauf und Sanierung. Rund 2,9 Millionen davon seien förderfähig, hieß es damals.

Das ist auch nach wie vor so, doch inzwischen sind die Kosten gestiegen. Verschiedene Dinge, die vorher nicht bekannt waren, trieben die Kosten inzwischen auf etwa fünf Millionen Euro. Der Austausch der Schlackeschüttung hat daran einen Anteil von 134.000 Euro. Dem stimmte der Stadtrat schon im April des vergangenen Jahres zu. Jetzt ist die Schüttung tatsächlich ausgebaut worden.

Die Bauleute mussten dabei mit Schutzkleidung arbeiten. Die radioaktiven Strahlungswerte lagen dabei in einem Bereich, der das Arbeiten mit Atemschutz vorgeschrieben hat, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Gearbeitet haben die Männer der ausführenden Firma allerdings in Vollschutzanzügen.

Der Ausbau sei hauptsächlich zwischen Weihnachten und Neujahr ausgeführt worden, heißt es weiter. „Dadurch herrschte der glückliche Umstand, dass zu dieser Zeit keine weiteren Firmen vor Ort waren und keine zusätzlichen Schutzvorkehrungen getroffen werden mussten.“

Der orange Container für die belastete Schüttung steht direkt vor der Tür. Das macht das Arbeiten etwas einfacher und verhindert zudem, das Unbefugte ins Haus gelangen.
Der orange Container für die belastete Schüttung steht direkt vor der Tür. Das macht das Arbeiten etwas einfacher und verhindert zudem, das Unbefugte ins Haus gelangen. © Egbert Kamprath

Diese Art von Schlacke, wie sie im BC verbaut war, ist nichts Besonderes. Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie in der ganzen Region als preiswertes Baumaterial verwendet worden. Es war gewissermaßen ein Abfallprodukt aus dem Steinkohlebergbau, das so noch eine Verwendung fand.

Was die Menschen damals nicht wussten: Diese Schlacke strahlt – wenn auch unterschiedlich stark – radioaktiv. Auch in Dresden ist das Material in vielen Häusern aus jener Zeit verbaut. Gerade in der Dresdner Neustadt, wo noch viele Gründerzeit-Häuser stehen, ist das der Fall.

Bei Sanierungen wird in der Regel gemessen, ob Grenzwerte überschritten werden. Ist das der Fall, muss die Schüttung ausgetauscht werden. Bei der Sanierung der Ballsäle Coßmannsdorf hatte es vor Beginn der Bauarbeiten zwar schon Beprobungen gegeben, doch das tatsächliche Ausmaß zeigte sich erst, als die Bauarbeiter vor einem Jahr richtig loslegten mit der Entkernung des Gebäudes.

Nun ist zumindest wieder eines der Probleme gelöst, die Schüttung ist ausgetauscht und der leicht radioaktive Müll wird fachgerecht entsorgt. Deshalb sind nun auch andere Gewerke wieder im Haus zugange. Zunächst die Zimmerer, wie die Stadt mitteilt, die die Deckensanierung abschließen. Weitere Rohbauarbeiten sind ebenfalls vorgesehen.

Wann ist das BC endlich fertig?

Der ursprünglich geplante Fertigstellungstermin – März 2021 – ist natürlich längst nicht mehr zu halten. Schon beim Start hatte man etwa drei Monate Verzögerung, weil es Einsprüche gegen die Baugenehmigung gab. Anwohner sahen ihre Ruhe in Gefahr und forderten Nachbesserung bezüglich der Lärmschutzeinbauten. Die Stadt musste die Planung nachbessern, was Zeit und Geld kostete.

Und ja, auch Corona sorgt ein bisschen für Verzögerung. Denn Baubetriebe dürfen zwar arbeiten, aber auch an diesen Unternehmen geht die Verbreitung des Virus und alles, was damit zusammenhängt, nicht spurlos vorbei. So mancher Arbeiter fiel aus, weil er in Quarantäne geschickt wurde.

Wann die Sanierung nun abgeschlossen sein wird und Freital eine Wiedereröffnung des fast schon sagenumwobenen Hauses feiern kann, dazu will sich die Stadtverwaltung nicht festlegen lassen. „Im Mai wissen wir mehr“, hieß es zuletzt. Im Moment drängt sowieso keiner. Denn was nützt ein Veranstaltungshaus schon, wenn Veranstaltungen untersagt sind. Der Zeitverlust durch Corona ist für den Bauherrn also irgendwie auch ein Zeitgewinn.

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