Freital
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Russische Spuren in Freital

Mit einer Broschüre erinnert der Verein „Das Zusammenleben“ zum 100. Stadtgeburtstag an die deutsch-russische Geschichte.

Von Dorit Oehme
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Tatjana Jurk (re.) und Olga Paul mit Flyern zur Freitaler Ausstellung "Zusammenleben".
Tatjana Jurk (re.) und Olga Paul mit Flyern zur Freitaler Ausstellung "Zusammenleben". © Egbert Kamprath

Sie ist im Baikalgebiet als Kind russischer Eltern aufgewachsen. „Geboren bin ich in Tadschikistan. Wir sind viel umgezogen, weil mein Vater im Uranbergbau gearbeitet hat. Heimat ist für mich dort, wo ich mich wohlfühle und meine Familie ist“, sagt Olga Paul, die drei Kinder hat.

Die 57-Jährige schaut zurück: „Meine Eltern hatten wunderschöne Stimmen, wir haben viel gesungen.“ Seit dem Jahr 2000 lebt Olga Paul in Freital. Ihr erstes deutsch-russisches Erlebnis hatte sie mit dem Lied „Katjuscha“: „Im Sprachunterricht bat mich die Lehrerin, es bei einem Fest auf Deutsch vorzutragen. Ich las den Text vom Blatt ab, so funktionierte es.“

Die Industriekauffrau hat in Usbekistan in einem Kulturhaus künstlerisch mitgearbeitet. Heute leitet sie im Freitaler Integrationsverein „Das Zusammenleben“ verschiedene Projekte. Gerade erscheint die Broschüre „Russische Spuren in Freital“, die sie redaktionell mitbegleitet hat. „Trotz der großen Entfernung ist Freital eng mit Russland und seiner Geschichte verbunden“, betont Vereinschefin Tatjana Jurk. So sei sie ganz erstaunt gewesen, als sie erfahren habe, dass Vorfahren von Katharina der Großen auf Schloss Burgk lebten – und ihre Grabplatten in der Denkmalhalle an der Döhlener Kirche erhalten sind.

Verschiedene Orte aufgespürt

In diesem Jahr jährt sich der Todestag der Zarin Katharina der II. von Russland zum 225. Mal. "Schön, dass wir sie würdigen können“, sagt Olga Paul. Der russische Diplomhistoriker Nikolai Evseev hat die Broschüre inhaltlich aufbereitet. „Er studiert in Dresden Sozialpädagogik und war bei uns Praktikant. Als wir erfuhren, was er ursprünglich studiert hat, haben wir ihn einbezogen. Er hat auch den Text für die deutsche Ausgabe übersetzt“, sagt Vereinschefin Tatjana Jurk.

Historische Aufnahmen stammen aus der Fotothek der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden. In einer Übersicht mit Adressangaben führt der Verein „Das Zusammenleben“ zu jenen Orten, die er aufgespürt hat. So erinnert das Heft daran, wo Zwangsarbeiter eingesetzt waren und sich ihre Unterkünfte befanden. Der Leser erfährt auch, wie sogenannte Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter, vorrangig Polen, angeworben wurden. Oder Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter aus der Union der Sowjetrepubliken (UdSSR).

An die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, die beim alliierten Luftangriff vom 24. August 1944 auf den Freitaler Stadtteil Birkigt ums Leben kamen, erinnert der Verein ebenfalls. „Zum Weltfriedenstag am 1. September besuchen wir die Friedhöfe in Döhlen und Deuben zur Kranzniederlegung. Dabei ehren wir auch diese Menschen aus der UdSSR, aus Belgien, Frankreich und der Tschechoslowakei“, sagt Olga Paul.

Damit die Broschüre lebendig wird, haben wir auch Interviews geführt“, sagt Vereinschefin Tatjana Jurk. So komme Viktor Nain, Hausmeister der ehemaligen Gemeinschaftsunterkunft für Spätaussiedler an der Heinrich-Zille-Straße zu Wort. „Als Russlanddeutscher war er eine wichtige Bezugsperson.“

Gefördert wurde das Projekt vom Land Sachsen, der Stadt Freital und der staatlichen russischen Agentur Rossotrudnitschestwo, die für den Kulturaustausch zuständig ist. Präsentiert wird die Broschüre bei der Eröffnung der Ausstellung „Heimatwechsel“ am 12. September in der Sparkassenfiliale Freital-Potschappel. Sie erzählt von der gemeinsamen Geschichte Sachsens und Russlands bis in die Gegenwart: Der Europareise von Zar Peter I., die ihn sogar nach Freiberg führte, und der dortigen Zeit des Universalgelehrten Michail W. Lomonossow. Auch davon, wie Zarin Katharina II. deutsche Siedler nach Russland warb – und wie sich deren Schicksal entwickelte. Die Psychologin und Professorin für Pflegeforschung Beate Mitzscherlich hält einen Vortrag.